Robert Klauser, Geschäftsführer infomax websolutions GmbH

Ein Gespräch über Datensammelwut und Aktionismus beim Thema Open Data, warum sinnvolles Datenmanagement immer zuerst die passenden Use Cases für gute Lösungen braucht und über Kreativität, die nicht vom Himmel fällt.

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Herr Klauser, bei infomax ist in den vergangenen Wochen und Monaten viel passiert: Mit dem Einzug ins neue Büro haben Sie auch einen Ort geschaffen, der sich Digital Tourism Lab nennt. Was verbirgt sich dahinter?

Unser Digital Tourism Lab existiert als Bestandteil unserer neuen Unternehmens- und Markenarchitektur einmal in der realen Welt und einmal virtuell. Wir haben damit einen Raum für Kreativität in unserem neuen Gebäude geschaffen, der die physische Heimat dieses Konzepts ist und für uns, aber auch für die ganze Branche, einen Freiraum bietet, sich außerhalb des operativen Geschäfts mit Innovationen und Ideen zu beschäftigen. Es geht dabei auch um Wissenstransfer mit Hilfe von externen Experten und darum, bereits existierende Projekte zu analysieren und die Ergebnisse nicht nur unseren Kunden zugänglich zu machen – beispielsweise über Studien oder Erhebungen. Ganz konkret beleuchten wir etwa gerade gemeinsam mit einer großen Alpendestination das Thema der Akzeptanz von Standortfreigaben, wie man sie in Websites und Apps oft findet. Oder wir erheben gerade selbst sehr detailliert Daten rund um das Thema Push-Benachrichtigungen. Themen, die viele Destinationen interessieren – und die wir über unseren Kundenkreis hinaus zur Verfügung stellen wollen. Virtuell ist das Lab, weil diese Informationen einmal online bereitgestellt werden – aber auch, weil viele Events hybrid sowohl physisch wie virtuell stattfinden werden.

Kreativität spielt beim Design digitaler Prozesse eine immer größere Rolle. Aber was versteht man eigentlich genau hierunter – und wie geht ihr an die Ausgestaltung von Prozessen und Projekten heran?

Zunächst: Kreativität fällt nicht vom Himmel und Innovation ist kein Zufall. Auch – oder vielleicht sogar besonders – hinter solchen Prozessen steckt viel Arbeit. Es gibt dazu ein sehr passendes Zitat dazu von Thomas Alva Edison, einem US-amerikanischen Erfinder und Unternehmer: „Innovation ist zu 99 Prozent Transpiration und nur zu einem Prozent Inspiration.“ Wir orientieren uns im Alltag am „Können-Wollen-Dürfen“-Modell. Was sich dahinter genau verbirgt, beschreiben wir in der aktuellen Ausgabe unseres Magazins gråd extra. Kurz erklärt geht es darum, dass man seine Mitarbeiter zuerst einmal in die Lage versetzen muss, kreativ werden zu können, etwa über das Bereitstellen von Tools und das Schaffen einer entsprechenden Kultur. Für uns heißt das neben dem neuen Digital Tourism Lab konkret, dass jeder unserer Mitarbeiter u.a. im Jahr sechs Tage für Innovation und Fortbildung einsetzen kann. Diesen Freiraum können unsere Mitarbeiter nutzen, um sich mit Ideen zu beschäftigen, die sie vielleicht schon im Kopf haben – die sie aber im Arbeitsalltag sonst nie unterbekommen. Oder auch regelmäßige interne Weiterbildungen, in denen wir mittels Wissensmanagement Impulse und Inspiration unterstützen möchten. Wir schaffen also Rahmenbedingungen, damit kreative Prozesse in Gang kommen können. Und ganz wichtig: Wir akzeptieren damit auch, dass Ideen scheitern können. Auch das gehört dazu.

Viele erkennen durch Corona einen Digitalisierungs-Schub in der Branche. Wie sehen Sie das?

Ich sehe diesen Schub in zweierlei Hinsicht. Zum einen beschäftigt sich unsere ganze Gesellschaft alleine durch die täglichen Erfahrungen mit Home-Office und Home-Schooling aktuell mehr mit dem Thema Digitalisierung als das jedes Förderprogramm vorher vermocht hätte. Und zum anderen erkennen die touristischen Akteure, dass digitale Services nicht nur schmückendes Beiwerk sind, sondern überlebenswichtig. Besonders deshalb, weil sich digitale Prozesse sehr schnell auf neue Gegebenheiten umstellen lassen. Wenn diese Krise also überhaupt etwas Positives hat, dann diese Erkenntnis.

Neben dem Tourismus ist die Mobilität für infomax ein zentrales Thema. Warum ist es wichtig, diese beiden Themen zusammenzudenken?

Die Urform des Tourismus ist das Reisen im eigentlichen Sinne, das Unterwegssein. Wie stark Tourismus und Mobilität zusammenhängen, führt uns aber auch die jetzige Krise wieder vor Augen. Man muss diese beiden Themen also immer zusammendenken. Heute geht es außerdem nicht nur um die physische Mobilität, sondern auch um die digitale. Bevor der Kunde physisch ans Ziel kommt, erreicht er es heute digital. Die mobile, digitale Customer Journey muss entsprechend ansprechend begleitet sein, mit den passenden Services und Informationen zu POIs an den richtigen Stellen. Im Idealfall sollten dann aus all den Daten, die aus dieser digitalen Reise vor, während und danach bei der Destination ankommen, neue Services und Produktideen entstehen.

Womit wir beim Thema Datenmanagement wären: infomax ist einer der etablierten Anbieter, wenn es um Datenbanken geht. Die imx.platform ist in vielen Destinationen und auch auf LMO-Ebene im Einsatz. Was unterscheidet die Technik-Philosophie dahinter eventuell von anderen Anbietern?

Unser Kernprodukt, die imx.platform, kümmert sich seit 18 Jahren um das Management von Daten. Was heute als hippes Thema im Kleid von Open Data diskutiert wird, ist für uns nichts neues. Aber natürlich gibt es stetig Weiterentwicklungen. In Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern oder Tirol sind wir die Landeslösung, für den ADAC managen wir seit kurzem die kompletten touristischen Daten der Trips App, die sich über unsere Plattform Informationen zu rund 500.000 POIs zieht. Unsere Technik steckt auch hinter den Vertriebsplattformen von Hamburg Tourismus und Bahnhit.de. Für die Österreich Werbung optimieren wir gerade die Unterkunftssuche als Metasuche auf Basis der Plattform. Was unsere Kunden eint, kleinere wie ganz große, ist: Sie setzen nicht auf Standardlösungen. Die Differenzierung zu anderen Anbietern ist also, dass die imx.platform ihre Stärken immer dann ausspielt, wenn hohe Anforderungen an Datenqualität, Workflows und Service-Integration gestellt werden. Wir stellen als neutraler Werkzeuglieferant die Bausteine zur Verfügung, mit denen sich unsere Kunden individuell das Geschäftsmodell zusammenbauen können, das sie für richtig halten.

Das ganze Thema Daten-Ökonomie nimmt seit knapp zwei Jahren richtig Fahrt auf. Wo steht der Deutschlandtourismus aktuell – und wo liegen noch die größten Herausforderungen?

Dass es als LMO, als Stadt oder DMO wichtig ist eine Content- und Serviceplattform zu haben, unterschreibe ich zunächst einmal. Aber Datenmanagement ist kein Selbstzweck. Man sollte sich immer fragen, ob es überhaupt einen sinnvollen Anwendungsfall dafür gibt, das Augenmerk sollte also immer auf dem eigentlichen Use-Case liegen – und im Idealfall von den Bedürfnissen des Gastes her gedacht werden. Dieses Hinterfragen des „Customer Needs“ und der benötigten Kanäle kommt mir leider in den Destinationen ein bisschen zu kurz. Ich sehe dagegen landauf landab viel Aktionismus. Manchmal wird sogar zuerst eine Lösung gebaut – und dann nach Einsatzmöglichkeiten dafür gesucht. Gerade wird viel Zeit darauf verwendet, möglichst viele Datentöpfe zusammenzubringen und möglichst viele Datensätze von Allem möglichen zu aggregieren – häufig ohne eine wirkliche Idee, wie man damit echten Nutzen stiften kann.Die Auffassung, dass irgendwann große Player anklopfen werden, weil sie diese Daten genau so haben wollen, teile ich jedenfalls nicht so euphorisch wie andere. Entweder haben sie die Daten schon oder sie können sie sich selbst besorgen. Die Mittel und Wege dafür haben sie.