Andreas Braun, Geschäftsführer Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg, und Stefanie Berk, Vorstand Marketing DB Fernverkehr AG

Ein Gespräch über den gestrigen Start der ersten großen Werbekampagne der Deutschen Bahn für den Deutschlandtourismus, die Verzahnung mit der LMO-Ebene und warum die Zusammenarbeit der Auftakt einer nachhaltigen Beziehung sein könnte.

Vor zwei Wochen ging mit Entdecke-deutschland.de eine gemeinsame Website der LMOs an den Start. Gestern folgte der Personenverkehr der DB nun in Kooperation mit den LMOs mit der großangelegten Kampagne „Entdecke Deutschland“. Der Slogan ist identisch. War das von Anfang an geplant?

 

Braun: Uns auf LMO-Ebene war eigentlich sofort klar, dass wir die geplante Bahnkampagne mit unserer verzahnen wollten, weil es sich perfekt ergänzt. Die Länder haben mit der Seite Entdecke-Deutschland.de einen sehr content-starken Landepunkt im Web geschaffen. Und jetzt kommt die Bahn mit ihrer immensen Marketingpower dazu.

 

Berk: Für uns kristallisierte sich auch sehr schnell heraus, dass Urlaub in Deutschland der große Trend dieses Sommers werden würde. Das Thema unserer Sommerkampagne war damit gesetzt. Und auf der Suche nach Partnern sind wir schnell mit den Landesmarketingorganisationen zusammengekommen. Hier konnten wir Ressourcen und Stärken bündeln. Die Tourismusorganisationen kennen ihre Regionen und Angebote besser als jeder andere. Wir können über unsere Mittel für die nötige Reichweite sorgen, um die Kampagne erfolgreich zu machen – und hoffentlich auch, um die Leute wieder verstärkt für die Schiene zu begeistern. Wir haben den Claim „Entdecke Deutschland“ bei der Bahn nur noch um das Wort „neu“ ergänzt. Denn für viele Reisende wird es eine ganz neue Erfahrung, als Feriengast im eigenen Land unterwegs zu sein. Mit an Bord ist neben dem Fernverkehr auch DB-Regio, um alle Ziele bequem zu erreichen.

 

Wie genau wird die Kampagne ablaufen – und wie sind die beiden Kampagnen miteinander verzahnt?

 

Berk: Da es sich um unsere diesjährige Hauptkampagne handelt, nehmen wir budgetär einen zweistelligen Millionenbetrag in die Hand. Dabei geht es zunächst um Reichweite. Wir sind seit gestern im TV unterwegs mit vier verschiedenen Spots. Dazu ist die Kampagne komplett crossmedial aufgebaut, bedient von Print über Out-of-Home bis Online alle Kanäle. Die Laufzeit ist vorerst bis Anfang September geplant, könnte aber bei Bedarf und einer sich entwickelnden Dynamik noch verlängert werden. Die Verzahnung ist darüber hinaus an vielen Stellen gegeben. So nutzen zum Beispiel alle Partner die gleichen Hashtags, was für viel Sichtbarkeit in den Sozialen Medien sorgt und auch die Webseiten verlinken aufeinander. Das kann bis auf die Ebene der Veranstalter weitergespielt werden, die auch schon Bereitschaft signalisiert haben, mitzuziehen, sofern Deutschland Teil ihres Geschäfts ist.

 

Braun: Die Verzahnung findet auch über die emotionalen Motive statt. Diese werden von der LMO-Ebene über die DMOs bis zu den TI’s genutzt und geteilt. Für uns ist klar, und ich spreche hier für alle LMOs, dass wir diese Kampagne als Startschuss für eine nachhaltige, fortlaufende Zusammenarbeit mit der Bahn begreifen. Wir können voneinander nur profitieren! Die Krise hat die Erkenntnis beschleunigt, dass die Bahn zentral auch für die Mobilität des Deutschlandtourismus ist, obwohl genau genommen ja auch die Übernachtungen der Geschäftsreisenden in die Tourismusstatistik einfließen.

 

Wie ist die Kampagne mit dem Vertrieb verzahnt?

 

Braun: Die Bahn ist der einzige eingebundene Mobilitätspartner der Kampagne. Auf Entdecke-Deutschland.de ist sie an den passenden Stellen direkt vertriebsseitig mit ihrer Buchungsmaske eingebunden. Für uns als Länder ist das über die Kampagne hinauszeigend auch ein Bekenntnis für nachhaltige Mobilität, die wir im Tourismus fördern wollen. Besonders in dieser Zeit, wo Untersuchungen zeigen, dass sich viele Menschen noch am sichersten in ihrem eigenen Auto fühlen, ist die gemeinsame Kampagne ein starkes Statement. Aber wir sehen ja zum Glück schon wieder eine Entspannung und Normalisierung.

 

 

Lassen Sie uns über die Motive der Kampagne reden. Die Agentur Ogilvy lässt hier keine ganz neue Idee aufleben. Warum hat man sich für diese Strategie entschieden?

 

Berk: Die Kampagne knüpft die Bahn-Kampagne „Spar dir den Flug“ an, die vor einem Jahr lief – und die so ziemlich jeden Marketingpreis gewonnen hat. Die Bahn bewarb damit ihr Sommerticket. Dabei wurden jeweils zwei sich ähnlich sehende Bilder nebeneinandergestellt. Eines davon ein weit entferntes Reiseziel. Das andere ein Bild aus Deutschland. Von der Grundidee her war mir sofort klar, dass das auch jetzt ideal passt. Aber diesmal gehen wir einen Schritt weiter. Vor einem Jahr war der Blickfang das Bild aus dem Ausland. Erst danach kam das Äquivalent in Deutschland. Jetzt zeigen wir nur das heimische Motiv, lösen im Kopf aber die Idee aus, es könnte sich um China, Vietnam oder Patagonien handeln. Wir nutzen also das Kopfkino – und lösen dann mit einem Augenzwinkern auf. „Deutschland neu entdecken“ eben.

 

Und wie kam die Auswahl der knapp 100 Motive zustande?

 

Braun: Das war ein dynamischer Prozess. Hier und da tauchte natürlich die Frage nach den Bildrechten auf, da mussten wir manchmal nachfassen. Oder eine Region musste noch mal einen Fotografen losschicken, um ein Bild einfach besser zu machen. Zwar hatte fast jeder Partner einen Bild-Pool: Aber ein Bild so zu fotografieren, dass es Kopfkino auslöst und den Betrachter erst einmal wegführt von Deutschland und der eigenen Region – das ist nicht so einfach. Aber wir haben es zusammen mit richtig guten Ergebnissen und vor allem emotionalen Fotos hinbekommen.

 

Berk: Dazu kam Fleißarbeit. Nicht für jede Region war es leicht, ein passendes Gegenstück im Ausland zu finden. Etwas leichter war die Umsetzung der Idee hier bei den Spots, also beim Bewegtbild, wo man schon über das Unterlegen einer bestimmten Musik eine gewisse Stimmung erzeugen kann. Karibische Musik führt den Betrachter nicht gleich nach Schleswig-Holstein.

 

Diesen Sommer sollen zusätzliche ICE-Verbindungen in beliebte Tourismusregionen an Nord- und Ostsee fahren. Wie schätzt die DB den Bedarf dafür tatsächlich ein?

Berk: Aus dem Tal der Tränen sind wir raus. Wir sehen jetzt im touristischen Bereich Wochenende für Wochenende steigende Passagierzahlen. Am Fronleichnam-Wochenende waren wir nur noch 43 Prozent unter Vorjahr. Wir fahren normalerweise mit einer Auslastung von 60 Prozent im Bahnnetz, aktuell stehen wir bei 30 Prozent. Klingt erst einmal sehr wenig. Aber man muss bedenken, dass ein Bahnnetz in der Mitte meist voll ist – und an den Rändern immer leerer wird. An die Küsten, speziell an die Ostsee, hatten wir sogar schon wieder gut gefüllte Züge. Deshalb gehen wir davon aus, dass auch über den Sommer die Verbindungen Richtung Nord- und Ostsee die beliebtesten sein werden. Dann noch ein an dieser Stelle interessanter Fakt: Derzeit laufen unsere touristischen Ziele besser als die Business-Strecken. Die stark von Urlaubern genutzten Routen haben auch in der Krise weniger Passagiere eingebüßt. Wichtig ist mit steigenden Passagierzahlen immer, die Auslastung zu steuern, beispielsweise über unsere App, den DB Navigator. Komplett volle Züge sollen möglichst vermieden werden.

 

Die Bahn fährt gerade auch eine Kampagne, um Vertrauen in die Schiene zurückzugewinnen. Inwieweit spielen Hygieneaspekte auch in der Kampagne „Entdecke Deutschland neu“ eine Rolle?

 

Berk: Unsere Kampagne „Sicher Reisen. Gemeinsam geht das.“ läuft erst noch einmal weiter. Bei diesem Thema lassen wir nicht nach, besonders an neuralgischen Punkten, wie an Bahnhöfen und dort, wo gerade gereist wird. Die ICEs werden in der Nacht desinfiziert und tagsüber alle zwei Stunden gereinigt. Die Bahn hat dafür 4.300 zusätzliche Mitarbeiter im Einsatz.  Auch das Infektionsgeschehen unserer eigenen Mitarbeiter haben wir genau im Blick und erfasst. Im Vergleich zur deutschen Gesamtbevölkerung ist die Covid-10 Infektionsquote bei unserem Bordpersonal unterdurchschnittlich. Um das noch genauer zu evaluieren, machen wir gerade on top eine Studie mit der Charité Berlin. Was wir auch – aber nicht nur wegen Corona – vorantreiben, sind im Rahmen unserer Digitalisierungsstrategie das Kontaktlose bezahlen, den Komfort Check-in und vieles mehr, was das Reisen durch digitale Services sicherer und zugleich bequemer wird.