Andreas Braun, Geschäftsführer Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg

Ein Gespräch über die Rolle moderner Tourismusorganisationen, die Wirkung von Bildern in Sozialen Netzwerken und kulturell bedingt vielschichtige Ansätze im Auslandsmarketing.

 

 

 Baden-Württemberg feiert 2017 ein Doppeljubiläum: Fahrrad und Luther. Was ist für Sie wichtiger?

Beide Themen eröffnen uns Chancen. Das Thema Reformation ist zwar in Thüringen und Sachsen-Anhalt stärker verankert, aber Baden-Württemberg hebt sich durch eine ganz eigene Reformationsgeschichte ab, zu der auch die barocke Gegenreformation gehört. Denken Sie an Oberschwaben! Und mentalitätsgeschichtlich hat manches, was man den Schwaben bis heute zuschreibt, seine Ursprünge im spezifischen württembergischen Protestantismus. Diese ganz eigenen Geschichten erzählen wir, durchaus auch im Auslandsmarketing. Die Erfindung des Fahrrads vor genau 200 Jahren ist natürlich ein Alleinstellungsmerkmal und zahlt auf uns als Erfinderland ein. Gerade in Zeiten, in denen nachhaltige Mobilitätskonzepte in aller Munde sind, weist das Radthema in die Zukunft. Die Städte und Regionen im Land haben das Jubiläum zum Anlass genommen, jede Menge neue radtouristische Produkte für verschiedene Zielgruppen zu entwickeln, Events zu organisieren, Ausstellungen zu gestalten.

 

Ihre aktuelle Zielgruppenanalyse besagt: Je älter die Befragten, desto höher der Sympathiegrad des Reiseziels. Bitte erklären Sie das kurz.

Die Sympathiewerte sind ja über alle Altersgruppen hinweg sehr hoch. Von daher sehe ich das positiv. Wenn die Werte bei Älteren noch höher sind, liegt das womöglich an der Destinationserfahrung. Die waren einfach schon mal hier und schätzen Baden-Württemberg.

 

Bei jüngeren haben Sie einen Trend zum Wandern ausgemacht: Welche konkret neuen Angebote werden dafür geschaffen, um dieses Thema zu treiben?

In diesem Segment hat sich in den letzten Jahren einiges verändert: Um Jüngere oder auch Familien vom Wandern in unseren Mittelgebirgslandschaften zu begeistern, müssen wir Erlebnisqualität bieten. Das fängt bei einer naturnahen Wegführung und schönen Aussichtspunkten an und setzt sich mit qualitätsvollen Einkehrmöglichkeiten fort, regionale Spezialitäten inklusive.

 

Sind solche Erkenntnisse und die daraus folgenden Aufgaben in einem Tourismuskonzept definiert?

Unser – wirklich sehr gutes – Landestourismuskonzept und die daraus abgeleitete Strategische Marketingkonzeption sind schon ein paar Jahre alt. Wir planen derzeit, gemeinsam mit den Destinationen und allen relevanten Akteuren im Tourismus, die Fortschreibung. Dabei wird zum Beispiel der rasch voranschreitenden Digitalisierung Rechnung getragen.

 

Wie erfolgreich war denn das „alte“ Tourismuskonzept?

Wir sind die letzten Jahre von Rekord zu Rekord geeilt. Innerhalb von acht Jahren sind die Ankünfte von 16 auf 21 Millionen, die Übernachtungen von 42 auf 52 Millionen gestiegen. Damit liegen wir in Deutschland nach Bayern an zweiter Stelle.  Und fast jeder vierte Übernachtungsgast kommt aus dem Ausland, weit mehr als in anderen Flächenländern. Im vergangenen Jahr allerdings waren die Wachstumstreiber erstmals wieder die inländischen Gäste.

 

Worauf führen Sie das zurück?

Zum einen hat sich die Qualität bei vielen Leistungsträgern verbessert. Das wird honoriert. Aber auch die weltweite Großwetterlage und manche Unsicherheiten haben uns in die Karten gespielt.

 

Mit Unsicherheiten meinen Sie die Sicherheitslage, die ausländische Gäste in Deutschland nach diversen Vorkommnissen als nicht mehr unbedingt bedenkenlos einschätzen?

Nein, ich denke eher an die Umlenkung von Reiseströmen, etwa aus der Türkei. Wenn ich mir einige unserer wichtigsten Auslandsmärkte genauer anschaue, erkenne ich weitere, jeweils individuelle Ursachen. Für die Briten ist das europäische Festland teurer geworden, Russland leidet noch unter den Sanktionen, und Brasilien hat mit wirtschaftlichen Problemen und schweren inneren Konflikten zu kämpfen. All das wirkt sich aufs Reiseverhalten aus.

 

Womit wir beim Auslandsmarketing wären. Sie haben eine fünfsprachige Website. In Frankreich etwa werben Sie mit Comics. Wie unterschiedlich bespielen Sie online die einzelnen Länder?

Die Comics sind ein gutes Beispiel, weil in Frankreich traditionell beliebt. Jede unserer internationalen Websites bedient andere Bedürfnisse, denn jeder Quellmarkt hat seine eigenen Vorlieben und zeichnet sich durch ein anderes Mediennutzungsverhalten aus. Die Niederlande zum Beispiel funktionieren sehr digital, dort brauchen wir wenig Printprodukte. Die Themen dort heißen: Natur, Camping und Radfahren. In Luxemburg und Belgien dagegen spielt die Kulinarik eine große Rolle. In den USA punkten wir am ehesten mit unseren Kulturthemen, mit Burgen und Schlössern. Die Chinesen wiederum sind sehr technikaffin und bewegen sich viel in ihren sozialen Netzwerken Weibo und WeChat. Dort werben wir mit unseren großen Automobilmuseen. Und natürlich mit Shopping.

 

Neben ihrer Aufgabe als Landestourismusorganisation für das Auslandsmarketing verantwortlich zu zeichnen, wie definieren Sie allgemein Ihre Rolle?

Wir befinden uns in einem schnellen Veränderungsprozess. Das Thema Vertrieb zum Beispiel spielt keine Rolle mehr. In vielfacher Weise versuchen wir unsere Destinationen fit zu machen für die Zukunft, beispielsweise bei der Digitalisierung. Wir bieten fachlichen Rat, organisieren Workshops. Um die Kommunikation zu vereinfachen und die Kooperation zu befördern, bauen wir zurzeit ein digitales Touristikernetzwerk auf. Außerdem bündeln wir das Themenmarketing. Dazu muss man verstehen: Baden-Württemberg ist keine Destinationsmarke, sondern ein Bundesland. Allerdings haben wir mit unserer Dachmarke „Wir sind Süden“ und den daraus abgeleiteten Erlebnismarken wie Weinsüden, Wandersüden oder Radsüden nicht nur eine emotionale Klammer geschaffen.

 

Auch wenn der Vertrieb für die TMBW keine Rolle spielt, welche Auswirkungen wird die nun beschlossenen Pauschalreiserichtlinie haben?

Für uns direkt in der Tat keine, weil wir nicht als Vermittler auftreten. Aber wir werden an unsere Regionen Empfehlungen aussprechen, wie damit am besten umzugehen ist. Zwar wurde mit der jetzt beschlossenen Richtlinie Schlimmeres verhütet, dennoch nehmen die bürokratischen Hemmnisse zu. Manch einer überlegt es sich jetzt eher zweimal, ob er einen eigenen Veranstalter gründet.

 

Abschlussfrage: Wie sind Ihre Erfahrungen mit Social Media, zum Beispiel mit der aktuellen Aktion #WeinsichtenBW oder mit Instawalks?

Wir sind im Bereich digitale Medien sehr gut aufgestellt. Dennoch muss man immer wieder prüfen, worauf man setzt, auf welchen Zug man aufspringt. Unser Schwerpunkt liegt auf der Zusammenarbeit mit reichweitenstarken Influencern. Wir haben aber auch selbst reichweitenstarke Aktionen ins Leben gerufen, beispielsweise „#PlaceToBW“, zusammen mit Mercedes-Benz und dem Landesmarketing. Allgemein lässt sich sagen, dass Bilder, Clips und Filme eine wachsende Rolle spielen und dass zum Beispiel Instagram für uns Touristiker ein sehr geeigneter Kanal ist.