Meike Zumbrock, Geschäftsführerin TourismusMarketing Niedersachsen GmbH (TMN) und Christoph Kaufmann, Bereichsleiter Tourismus Wolfsburg Wirtschaft und Marketing GmbH

Ein Gespräch über das Niedersachsencamp #ndsc20 als erstes digitales touristisches Barcamp, die Möglichkeit, sich damit auch über die Landesgrenzen auszutauschen, und warum es Sinn macht, einige der 30 Sessions schon vorab mit Themen, Moderatoren und Experten zu besetzen.

 

Das Niedersachsencamp wird das erste digitale touristische Barcamp. Warum habt ihr euch für dieses Format entschieden, anstatt die Veranstaltung abzusagen?

Zumbrock: Wir denken, dass es gerade jetzt enorm wichtig ist, sich auszutauschen. Niedersachsen ist das zweitgrößte Flächenland in Deutschland. Das touristische Angebot ist extrem vielfältig. Entsprechend verschieden sind die Herausforderungen. Hoteliers, DMOs, Freizeitanbieter, Gästeführer und die anderen Akteure haben im Moment viele Fragen – aber in den vergangenen Wochen der Re-Start-Phase auch erste Erfahrungen mit der neuen Situation gesammelt. Das Niedersachsencamp bietet nun allen die Plattform, dieses Wissen zu teilen, Fragen zu diskutieren und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Anders als in den Jahren zuvor, ist dieses Mal allerdings mit Corona thematisch der Schwerpunkt des Camps schon gesetzt. Aber es geht nicht nur um das Hier und Jetzt. Es geht auch darum, Ideen zu entwickeln, wie wir in Zukunft besser durch solche Krisen kommen.

Kaufmann: Aktuell herrscht auf Grund der Corona-Krise eine große Unsicherheit am Markt. Ich glaube, dass das Niedersachsencamp eine ideale Plattform ist, um sich mit anderen Touristikern über die Bewältigung der Krise auszutauschen und sich so ein Stück Sicherheit zurückzugewinnen. Zudem gibt es große Fragen zu diskutieren: Das Thema, ob Tourismus eine öffentliche Pflichtaufgabe werden muss, hat in meinen Augen durch die Corona-Krise und im Zuge der Haushaltsdiskussionen eine ganz neue Dringlichkeit bekommen. Wir haben deshalb dazu extra eine Session geplant und auch die Politik eingeladen, am Camp teilzunehmen. Unter anderem haben wir Thomas Bareiß (CDU) als Tourismusbeauftragten der Bundesregierung gebeten, eine Keynote zu halten. Vielleicht spricht auch Prof. Dr. Heinz-Dieter Quack, Leiter des Kompetenzzentrums des Bundes.

 

Noch einmal zu den Sessions. Sie sagten, dass es bereits Sessions gibt, die feststehen?

Zumbrock: Ja, wir haben die Veranstaltung dieses Jahr als ein hybrides Barcamp angelegt. Heißt: Aufgrund der aktuellen Situation gibt es Themen, die wir vorab in Sessions geplant und auch mit passenden Moderatoren besetzt haben. Aber wir haben in den sechs Session-Räumen auch genug Freiraum für Themen gelassen, die von den Teilnehmern selbst mitgebracht werden. Dieser Mix aus handfesten Informationen von Experten, beispielsweise zum Thema Content-Marketing versus Performance-Marketing, und dem gemeinsamen Kreativsein zeichnet das diesjährige Format aus. Es wird auch eine TMN-Session zur Relevanz von Gästebefragungen als Orientierungshilfe geben sowie eine Runde, die sich mit dem Thema New Work beschäftigt. Also wie hat diese Pandemie unsere Art zu arbeiten verändert – und wie wirkt das noch weiter in unsere Organisationsstrukturen hinein?

Kaufmann: Dass wir das Niedersachsencamp auf diese Art und Weise weiterentwickeln war sogar explizit der Wunsch vieler Teilnehmer aus dem letzten Jahr. Viele benötigen im Vorfeld einer solchen Veranstaltung konkrete Inhalte, um sich anzumelden. Beim #NDSC20 gibt es zum Beispiel eine Session zum Thema Open Data, wo die TMN das Projekt Niedersachsen Hub zusammen mit dem technischen Dienstleister, neusta destination solutions, vorstellen wird. Wir von den aboutcities bespielen ebenfalls einen kompletten Raum.

 

Voraussichtlich mit städtespezifischen Themen, oder?

Kaufmann: Das Städte- und Geschäftsreisesegment steht vor ganz besonderen Herausforderungen, das zeigt auch die aktuelle GfK-Studie. Die Menschen sind mit Blick auf den urbanen Raum noch unsicher.  Dem werden wir in unseren Sessions Raum geben. Aber wir bieten auch eine Runde mit dem Titel „Story-Marketing in einer Welt, die Werbung satthat“. Dafür haben wir Robin Schneider von der Agentur Quadratblick mit an Bord. Dann gab es im Vorfeld noch eine Online-Umfrage. Dabei haben die Vorschläge „Corona als Chance für den Deutschlandtourismus – aber welche Angebote braucht es und wie vermarktet man sie am besten?“ und „Gästeerlebnis in Zeiten von Corona: Wie steril darf Urlaub werden, damit das Wohlfühlgefühl nicht verloren geht?“ das Rennen gemacht. Wir haben also jede Menge spannende Themen im Gepäck, auf die sich die Teilnehmer schon im Vorfeld einstellen können.

 

Bei der Themenumfrage über TN-Deutschland haben Akteure aus ganz Deutschland und dem DACH-Raum mitgemacht. Erweitert ihr den Teilnehmerkreis diesmal also explizit über die Landesgrenzen Niedersachsens hinaus?

Kaufmann: Das Niedersachsencamp hat naturgemäß seinen Fokus auf dem Tourismus in Niedersachsen. Aber es war nie begrenzt auf Teilnehmer nur aus Niedersachsen. Im Grunde genommen holen wir uns über Akteure von außen ja gute Ideen zu uns ins Land. Aber das Gros der Teilnehmer kommt aus Niedersachsen.

Zumbrock: Aber das digitale Format bietet natürlich die Möglichkeit, dass sich auch Touristiker aus anderen Bundesländern einfach zuschalten. So gesehen ist das eine Chance für uns, mehr Menschen als früher einzuladen. Dass digitale Konferenzen technisch gut funktionieren und auch gute Ergebnisse bringen, haben die letzten Wochen zu Genüge bewiesen. Wer weiß, vielleicht gehen wir am Ende gar nicht mehr zu einem physischen Format zurück? Es ist ein interessantes Experiment!

 

Apropos Technik: Wie läuft der Tag ab, wenn man nicht wirklich von Raum zu Raum zu laufen kann? Was, wenn jemand eine Session doch nicht gefällt?

Kaufmann: Die Plattform, auf der wir uns treffen, ist Discord. Dort stimmen Teilnehmer statt mit den Füßen nun mit dem Zeigefinger ab. Man kann die Sessionräume also jederzeit wechseln, so wie sich das auf einem Barcamp mit „Walking feed“ gehört. Insgesamt finden über den Tag verteilt 30 Sessions statt, fünf je Raum. Und ab 19 Uhr gibt es noch ein bisschen Social Networking auf ZOOM. Mal sehen, wie viele da dann noch dabei sind. Gerade dieser Part war uns beim physischen Barcamp ja auch immer besonders wichtig.

 

Abschlussfrage: Was sind aktuell die größten touristischen Herausforderungen in Niedersachsen?

Zumbrock: Wir müssen den Menschen ihre Sorgen nehmen. Wir müssen Vertrauen schaffen, zeigen, dass man bei uns sicher seinen Urlaub verbringen kann. Dabei ist es für uns eine große Chance, Gebiete ins Rampenlicht zu rücken, die noch zu den Geheimtipps zählen. Viele suchen nun gezielt nach Ecken, die voraussichtlich weniger überlaufen sein werden im Sommer. Sie tun es aber eben nicht ganz freiwillig. Die Herausforderung ist jetzt für alle Betriebe, dass diese Gäste besonders kritisch sein werden. Damit die Effekte aber nachhaltig sind und die Gäste diese Regionen anschließend weiterempfehlen, muss ein echtes Gefühl des Willkommenseins entstehen und das Produkt auch an sich überzeugen. Die Gäste müssen positiv überrascht werden, wie gut es war. Daran arbeiten wir gemeinsam mit unseren Regionen und Betrieben.