Hartmut Wimmer, Gründer und CEO Outdooractive

Ein Gespräch über die Themen der 6. Outdooractive Conference in zwei Wochen, die Gefahr von immer neuen Daten-Silos im Zuge von Open Data, und warum DMOs endlich damit Schluss machen sollten, alle paar Jahre Geld für eine neue Website auszugeben.

 

Herr Wimmer, die #oac18 steht unter dem Motto „Shaping the future of digital tourism“. Wie viele Minuten wird es dauern, bis das erste Mal der Begriff Open Data fällt?

Keine Sekunde (lacht). Wir haben das Thema ja schon vorher gesetzt. Genau genommen beschäftigen wir uns seit 15 Jahren mit dem Thema, es hieß nur damals noch nicht so. Am ersten Tag gibt es zu dem Themenkomplex aber gleich einen ThinkTank, bei dem bewusst ein Austausch und eine Vernetzung von Fachexperten aus dem Tourismus und Experten aus dem Bereich Open Data angestrebt wird. Am Mittwoch gibt es den Themenstrang „Data Infrastructure Forum“ und am Donnerstag moderiert Dirk Rogl als einer der Impulsgeber bei diesem Thema einen Workshop mit Teilnehmern. Und wir selbst werden in der Infoveranstaltung Outdooractive Inside auch noch vorstellen, was bei Outdooractive in diesem Bereich passiert.

 

Was kann man noch in der Vorausschau auf die kommende #oac18 sagen?

In jedem Fall, dass wir dieses Jahr noch einmal einen Schritt nach vorne machen. Die #oac18 ist im 6. Jahr ein richtiger Branchentreff der Spezialisten. Das merkt man organisatorisch. Aber vor allem auch inhaltlich. Viele namhafte Berater sind Referenten und zeigen gute Lösungsansätze. Noch vor ein paar Jahren haben viele Branchenveranstaltungen speziell zu digitalen Themen bei den Kunden mehr Verunsicherung als Aufbruchstimmung hinterlassen, weil jeder mutmaßliche Experte etwas anderes erzählt hat. Jetzt geht das alles ziemlich in eine Richtung.

 

In welche?

Dass man sich gegenseitig viel stärker digital vernetzen muss. Dass Daten freier fließen und ausgetauscht werden müssen, weil das Ressourcen freisetzt. Wir selbst sehen uns auch nicht nur als reinen Produktverkäufer, sondern wir wollen den Markt gemeinsam mit anderen weiterentwickeln.

 

Gibt es Referenten, auf die Sie sich besonders freuen?

Auf alle. Benjamin Buhl (netzvitamine), Rodney Payne (Destination Think!), Florian Bauhuber (Tourismuszukunft) und alle anderen: Das sind Menschen mit Botschaften, Vordenker in ihrem Bereich. Immer geht es aber natürlich ums Digitale, oft um Leadership-Themen. Wichtig ist zu begreifen, dass Digitalisierung nicht auf Knopfdruck passiert, sondern dass man als Destination selbst den Startschuss setzen muss. Es wird also nicht nur um die Vermittlung eines Grundverständnisses der Open-Data-Idee gehen, sondern auch konkret um Destinations-Management-Themen und die Veränderungen in den DMOs.

 

Aber lassen Sie uns kurz beim Thema Open-Data bleiben. Was ist genau die Grundidee, die Outdooractive ja jetzt auch als Projektpartner der Bayern Cloud vorantreibt?

Ich erkläre es mal am Beispiel unserer eigenen Plattform. Hier haben wir schon lange ein Lizenzmodell zur Bedingung gemacht. Das erlaubt unseren Partnern und Usern, die von ihnen eingestellten Daten auch anderswo anzuzeigen. Alle User sind also eine Solidargemeinschaft, die eine Art Outdoor-Wiki gemeinsam aufbauen. Der Netzwerkgedanke und das Weitergeben von Daten nach klaren Spielregeln, formuliert in unseren AGBs, ist also für uns bereits Alltag. Der Schritt zu Open-Data ist da nicht mehr allzu groß. Jetzt müssen nur noch Spielregeln formuliert werden, dass Content Plattformen mit einer Art neuen Open Data-Lizenz  noch freier verlassen darf als bisher. Es geht also um Rechte-Management.

 

Also müssen Leitplanken für das Fließen der Daten verhandelt werden,  richtig?

Genau. Dirk Rogl nannte das Controlled Open Data und hat das neulich durch die Idee einer User-ID ergänzt. Die Idee dabei ist, dass man erst mal eine echt offene Systemarchitektur baut, der User aber die Hoheit über seine Daten insofern behält, als dass er noch einmal auswählen kann, was er im Umgang mit seinen Daten erlaubt und was nicht. Zustimmungen könnten demnach auch widerrufen werden, was sich dann auf den Content auf allen Plattformen sofort automatisiert auswirken würde.

 

Und ist das ein Ansatz, den auch die Bayern Cloud verfolgt?

Der Tourismus hat zunächst immer darunter gelitten – und tut es bis heute –, dass viele auf ihren Daten sitzen, als wären sie Staatseigentum. Dieses Projekt ist deshalb hochpolitisch und musste bis hinauf zum Wirtschaftsministerium durchgeboxt werden. Aber jetzt geht es los. Herauskommen wird am Schluss eine touristische, standardbewährte Infrastruktur. Das heißt, man kauft keine Hardware, sondern wir bauen eine digitale Infrastruktur, für welche wir jetzt gerade die Voraussetzungen und Lizenzen schaffen. Das Projektteam selbst wird aber nicht die Welt digitalisieren. Das müssen die Akteure in den DMOs und die Leistungsträger selbst tun. Und wenn da dann wieder nur temporär etwas passiert, weil es Fördermittel gibt, sehe ich Probleme. Der Wille zum Handeln muss proaktiv aus den Destinationen selbst kommen, sonst nützt die beste Infrastruktur am Ende nichts. Die Bayern Cloud ist im Übrigen nicht nur ein touristisches Projekt, sondern schließt andere Wirtschaftszweige mit ein.

 

Die Bayern Cloud ist aktuell aber nicht das einzige Projekt dieser Art in Deutschland. Arbeiten also schon wieder wichtige Player aneinander vorbei und bilden Daten-Silos?

Das ist ein sehr großes Risiko. Diese Silobildung muss man jetzt versuchen aufzubrechen, sonst entstehen in wenigen Jahren inkompatible Insellösungen. Dazu gibt es nach wie vor ein grundsätzliches Verständnisproblem. Wenn über Open Data geredet wird, meinen viele in Wirklichkeit Datenbanken und denken damit schon wieder in der Dimension von Eigentum. Meine Software. Mein Server. Und am Ende gibt dann wieder jeder Geld für dasselbe aus.

 

Wie könnte die Lösung aussehen?

Man darf das Thema nicht von der Hardware- oder Softwareebene her angehen, sondern über Datenstrukturen und Lizenzen. Man muss erst darüber nachdenken, wie die Daten fließen können, bevor man schon wieder über Server und eingekaufte Services Fakten schafft. Und man muss überlegen, wie Daten automatisiert zum Beispiel zu den großen Plattformen fließen können, also dorthin, wo man mit seinem Content Reichweite hat.

 

Also wird die eigene Website, auch ein Thema der #oac18, weiter an Bedeutung verlieren?

Die Website einer DMO ist ein politisches Thema. Für den User aber ist sie immer weniger wichtig, um an Informationen zu gelangen. Ich will die Website jetzt nicht totreden. Als ein Kanal unter vielen wird sie bestehen bleiben. Aber mit diesen sinnlosen Relaunches alle paar Jahre muss Schluss sein. Alle drei Jahre wird hier viel Geld seitens der DMOs in die Hand genommen, doch alles was sich wirklich verändert ist, dass die Bilder immer größer werden. Agenturwebsites sind nach wie vor eine händisch zusammengebaute Linkstruktur mit Layout-Kosmetik. Das kann nicht die Zukunft sein.

 

Sondern?

Plattform-Lösungen mit entsprechender Datenbank und Website-Standardlösungen. Da kommen alle Daten rein. Und Outdooractive oder auch andere, die das können, zeigen diese Infos dann mit maximaler Usability und Userprofilierung fix und fertig an. Solche hocheffizienten Websites kann ein Kunde in zwei Stunden aufsetzen. Und wenn er etwas ändern will, geht er ins CMS der Datenbank – und seine Änderungen schlagen sofort auf allen Front-Ends durch. Das ist effizient und ein Service, der sich zudem automatisch fortlaufend weiterentwickelt, weil Plattformen kontinuierlich an ihrer Technik arbeiten. Das Thema Relaunch und auch die Reichweitenfrage hätten sich damit erledigt.

 

Das werden die vielen Webagenturen nicht gerne hören.

Das ist eben die digitale Evolution (lacht).

 

Abschlussfrage: Was ist Outdooractive heute vom Selbstverständnis her? Eine Community, ein digitaler Routenplaner und Wegemanager oder ein Softwareunternehmen?

Wir sind eine Plattform. Eine intermediäre Plattform, die mit am digitalen Reiseführer der Welt baut. Gemeinsam mit unseren Kunden und unserer Community. Softwareunternehmen würde ich ausklammern. Wir bieten Services, Datenanalysen und distribuieren Daten strukturiert in mittlerweile 2.500 Kanäle. Und was uns neben Open Data verstärkt in den kommenden Jahren noch beschäftigen wird, sind die Themen Marktforschung das Lenken von Besucherströmen.