FLORIAN BAUHUBER, GESCHÄFTSFÜHRER TOURISMUSZUKUNFT

Ein Rückblick auf das 12. Tourismuscamp in St. Peter-Ording, ein Ausblick auf die Trendthemen 2019 und die Gewissheit, dass sich touristische Akteure ihrer gesellschaftlichen Verantwortung heute sehr bewusst sind.

Foto: Tourismuszukunft / Snell Media

 

Herr Bauhuber, gleich zum Auftakt des Tourismuscamps gab es in einen Round-Table zum Thema Open Data. In welche Richtung gingen die Gespräche. Und was waren die Fragen, die DMOs in dem Kontext am meisten bewegten?

Die Fragen waren in diesem Jahr weniger technisch orientiert, sondern drehten sich mehr um die konkrete Umsetzung des Themas in touristischen Organisationen. Es gab Akteure wie das Tourismus-Marketing Brandenburg (TMB), die Lessingstadt Wolfenbüttel oder Ostsee-Holstein Tourismus, die von ersten Erfahrungen mit der Open Data-Thematik im Alltag berichtet haben, woran sich eine Frage- und Diskussionsrunde anschloss. Es ging um praxisnahe Dinge, etwa: Wie läuft der Einkauf einer CCO-Lizenz? Wie sind erste Gespräche zu Nutzungsrechten mit Fotografen verlaufen? Wie funktioniert das in der Zusammenarbeit mit technischen Dienstleistern? Oder welche Kosten kommen auf eine DMO im operativen Geschäft zu? Aber auch die generelle Sinnfrage des Themas vor dem Hintergrund heutiger SEO-Maßnahmen kam noch einmal auf.

 

Und ist nun schon so etwas wie eine Aufbruchstimmung zu spüren?

Wir sind jetzt so weit, dass die Begrifflichkeiten für die meisten klar sind. Die technische Diskussion ist also ein Stückweit abgehakt, die Machbarkeit klarer. Die Akteure reden inzwischen sehr souverän über das Thema und auch seine Konsequenzen. Da ist also erfreulich viel Wissen aufgebaut worden.
Eine Aufbruchstimmung habe ich nicht nur beim Round-Table gemerkt, sondern spüre sie tatsächlich in der ganzen Branche. Sehr hilfreich ist in dem Zusammenhang, dass sich wichtige Player wie die DZT und LMOs hier mit uns auf den Weg gemacht haben und gemeinsam Konzepte erarbeiten. Aber auch auf der lokalen und regionalen Ebene, wo der Content primär entsteht, ist das Thema Open Data angekommen.

 

Gerade um I h r e n Content machen sich aber viele kleinere DMOs Sorgen?

Weil hier noch ein Missverständnis herrscht. Gerade der von ihnen erstellte Content ist eine wichtige Legitimation für ihre Zukunft. Denn keiner kennt sich besser in einer Region aus als diese lokalen Einheiten. Sie müssen den Content, der frei fließen soll, erschaffen und regelmäßig pflegen. Ihr Spezialistentum erfährt also durch Open Data aus meiner Sicht eine Aufwertung. Für manchen könnte das sogar irgendwann zur Daseinsberechtigung werden, wenn andere Aufgaben wegfallen. Außerdem muss man auch gar nicht alle seine Inhalte öffnen! Jeder entscheidet, für welche das sinnvoll ist – und für welche nicht. Für DMOs mit großem Eigenvertriebsinteresse kann es heute noch relevant sein, viel Traffic auf die eigene Website zu routen, um dort Leistungen zu verkaufen. Aber viele haben keinen relevanten Vertrieb oder arbeiten vor allem mit Vertriebspartnern. Ihre Informationen zu POIs, Touren etc. zu öffnen, wird zu mehr Sichtbarkeit und vor allem mehr Service am Gast führen. Und für alle, die den Kunden wirklich im Mittelpunkt ihrer Bemühungen sehen: Der Gast findet an allen relevanten Kontaktpunkten im Netz qualitativ bessere Informationen.

 

Am Samstag dann ging es in guter Barcamp-Manier weiter mit Themen, die die Teilnehmer mitgebracht haben. Was auffiel: Es ging mit Sessions zu Klimawandel, Akzeptanz, Haltung, Nachhaltigkeit etc. viel um gesellschaftliche Themen.

Die Branche ist ein Spiegel unserer Gesellschaft. Und das Tourismuscamp war schon allein aufgrund seines Settings immer ein guter Seismograph für gesellschaftliche Themen. Aktuelle Diskussionen finden also ganz selbstverständlich Einzug in das Barcamp, was wir sehr positiv bewerten. Es zeigt ja, dass sich die Akteure ihrer wichtigen Stellung in der Gesellschaft als jene, die auch etwas verändern können, bewusst sind. Das sieht man gerade auch aktuell wieder schön an der Kampagne #JaZuWeltoffenheit der Verbände, an der sich das Tourismuscamp natürlich beteiligt.

 

Ein Barcamp ist zum Netzwerken großartig. Und eures ist schon legendär. Aber viele Sessions gehen ohne echte Ergebnisse zu Ende. Fehlt nicht eine Dokumentation mit abgeleiteten Handlungsempfehlungen, um das Format rund zu machen?

Nein. Bei einem echten Barcamp geht es primär um Austausch. Die Sessions sind davon nur ein Teil. Was dort angestoßen wird, vertiefen die Teilnehmer später untereinander, bilden neue Gruppen oder lassen Dinge auch einfach mal stehen. Die Flurgespräche und vielen persönlichen Treffen an den Abenden sind die Basis neuer gemeinsamer Projekte. Da kommt viel in Bewegung. Und zwar so individuell, dass es die eine Handlungsempfehlung gar nicht braucht. Das Ziel eines Barcamps ist nicht das Herausarbeiten konkreter Ergebnisse, sondern der Dialog und das Zusammenbringen verschiedener Meinungen. Die Perspektiven, mit der die Akteure auf die Themen blicken, sind allein schon so unterschiedlich, dass Empfehlungen dieser individuellen Komplexität nicht gerecht würden.

 

Noch einmal zum Thema Open Data. Du selbst bist hier einer der Vordenker und Treiber, bist Initiator der DACH-KG. Wie ist der Stand eurer Arbeit? Und machen jetzt vielleicht nicht mehr Organisationen mit?

Das Interesse an der Arbeitsgruppe DACH-KG wird immer größer. Und auf Bundesebene hat die Initiative dazu geführt, dass sich die Digitalexperten der LMOs auch untereinander mal diesbezüglich zum Austausch getroffen haben. Daraus ist dann konkret die Zusammenarbeit zwischen der DZT und den Bundesländern entstanden. Die Brückenköpfe stehen also. In der DACH-KG selbst haben wir uns darauf verständigt, für bestimmte Datentypen ein einheitliches Vokabular zu erarbeiten, um so einen touristischen Knowledge-Graph aufzubauen, der von KI-Anwendungen ausgelesen werden kann. Dafür ist schema.org noch nicht ausreichend. Für die fehlenden Datentypen werden jetzt die Attribute gesammelt, vereinheitlicht – und dann dem schema.org-Konsortium als Erweiterung vorgeschlagen und gleichzeitig als touristische Spezifikationen festgezurrt. Der Stand der Dinge wird für alle, die es interessiert, in einem Living Paper stetig aktualisiert.