Andreas Lambeck, Geschäftsführer sonnenklar.TV

Ein Gespräch über Zielgruppenmarketing nach dem Gießkannenprinzip, den Einfluss des Boulevard bei der Auswahl von Testimonials, und warum der Eigenanreisebereich für Veranstalter der Türöffner für mehr Umsatz ist.

 

Egal ob Veranstalter oder Regionen, alle reden über Zielgruppenmarketing. Ihr als Fernsehsender seid mit dem Gießkannenprinzip noch sehr erfolgreich. Wie kann das sein?

Wir steuern im Fernsehen auch zielgruppenspezifisch aus. Unsere Zielgruppe ist nur sehr groß:  zwischen 40 und 70 Jahren alt, Paare, reisen ohne Kinder und nicht in der Sommer-Hauptsaison. Wir müssen das so weit fassen, denn wir erreichen technisch 36 Millionen Haushalte. Je breiter wir uns aufstellen, desto größer ist die Bereitschaft einzuschalten. Wir leben wie jeder Sender am Ende von der Einschaltquote. Es bringt nichts, unsere Produkte zu spitz zu machen. Wenn im Sommer unsere neue Website an den Start geht, werden wir hier allerdings primär um die Urlauber unter 40 Jahren werben.

 

Um eure Bekanntheit zu steigern, setzt sonnenklar.TV auf eine eigene Philosophie bei der Auswahl der Testimonials: Naddel, Harry Wijnvoord, Jörg Kachelmann und Michaela Schaffrath. Dieses Spiel mit dem Skandal ist nicht alltäglich in der Touristik.

Wir sind in unserem Marketing breit aufgestellt. Sehr präsent sind wir natürlich in TV-Zeitungen. Und bei Menschen, mit denen wir auf dem Sender Gastauftritte planen, leben wir natürlich von der Relevanz. Hier spielt der Boulevard eine immer größere Rolle. Das bedienen wir. Wie gesagt: Wir leben von guten Einschaltquoten und dementsprechend mehr Umsatz.

 

Die neue Website wurde gerade kurz angesprochen, welche Features habt ihr überarbeitet?

Auf der neuen Seite werden wir die sich verändernden Buchungsgewohnheiten abbilden. Im Mittepunkt steht unsere Reise-Mediathek, die größte dieser Art in ganz Europa. Bei unserer Online-Strategie dreht sich alles um das Thema Bewegtbild. Das können wir seit jeher und hilft jetzt, uns von Portalen zu unterscheiden, die seit 15 Jahren ihre Reisen mit Text, Preis und ein paar Bildchen verkaufen. Die neue Website wird auf Augenhöhe mit dem TV-Programm betrieben werden.

 

Erzähl’ uns ein bisschen mehr über die Art der Videos, mit denen ihr online arbeiten werdet?

Was wir seit Jahren erfolgreich auf dem Sender machen, transferieren wir jetzt in die Onlinewelt. Aber eine Produktvorstellung dauert dann keine 13 Minuten mehr, sondern kompakt zwei oder drei. Es wird auch andere Moderatoren geben, einfach andere Geschichten, die erzählt werden. Das lineare Fernsehen steht vor einer grundlegenden Veränderung. Es wird nur noch dort seine Berechtigung finden, wo es Eventcharakter bietet. Wir müssen uns also ein Stückweit neu erfinden, die Live-Formate in den Zielgebieten ausbauen, uns dort live mehr bewegen.

 

Wenn Bewegtbild bei euch im Netz eine so große Rolle spielen wird, sind dann auch Youtube-Stars eine Überlegung, um Reichweite und neue Zielgruppen anzusprechen?

Nicht wirklich. Wir haben einen Test gefahren, der nicht sehr erfolgreich war. Wir entwickeln aber einen eigenen Youtube-Channel, den wir so bespielen werden, wie es zur Marke sonnenklar.TV passt. Das muss authentisch sein.

 

Welche Rolle spielt bei euch das Reiseziel Deutschland?

Das ist ein massiver Wachstumsmarkt. Das ist aber nichts Neues. Ich selbst bin ein Kind des Deutschlandtourismus, mir ist das Thema wichtig. Wir arbeiten schon mit vielen Regionen zusammen, zum Beispiel der Lüneburger Heide, mit Bodenmais und dem Bodensee. Auf der ITB haben wir uns mit 30 Regionen und Fremdenverkehrsämtern zusammengesetzt, um hier künftig Gas zu geben. Das Marketing, das wir für eine Region machen, kann so ja kein anderer. Wer außer sonnenklar.TV kann schon live zum Weinfest schalten und das als Event bundesweit erlebbar machen? Diese Form des Marketings geht bei uns Hand in Hand mit unserem Hoteleinkauf. Das, worauf wir Lust machen, müssen wir natürlich auch buchbar machen.

 

Aber der Eigenanreisebereich ist nicht so lukrativ wie Flugreisen.

Der Anteil Deutschlands am Gesamtgeschäft liegt bei uns im kleinen zweistelligen Bereich. Die Zuwächse liegen aber bei 30 bis 40 Prozent. Jährlich! Aber die Eigenanreise ist mehr als ein Umsatzbringer, den man für sich betrachten darf: Sie ist ein Türöffner. Ein Wochenende über uns gebucht für 100 Euro, das kann sich jeder leisten. Das bringt uns Neukunden, Urlauber, die uns als Marke ausprobieren. Wer zufrieden ist, bucht auch seinen Haupturlaub mit uns.  Im Vergleich der großen Veranstaltermarken sind wir laut fvw-Erhebung inzwischen nicht umsonst auf Platz vier bei der Gästezufriedenheit.

 

Wenn Du auf die touristische Produktlandschaft hierzulande schaust, was siehst du für Trends?

Der Gast wird immer anspruchsvoller. Vier Sterne sind der gewünschte Standard, die Frühstückspension lässt sich nicht mehr verkaufen. Ich sage aber mal einen Trend voraus: all-inclusive. Das Thema kennen viele aus den Zielgebieten am Mittelmeer. Da wird sich einiges tun, denn der Kunde hat großes Interesse an AI-Pauschalen in Deutschland. Auch das Thema Eigenhotels wird an Bedeutung gewinnen: Wir eröffnen zum Beispiel im Sommer das nächste sonnenklar.TV-Hotel in Niederbayern. Daran sieht man schon, wie wichtig die Eigenanreise für uns ist. Und da kommen noch mehr eigene Hotels.

 

Wie erklärst du dir den Erfolg des Deutschlandtourismus der letzten Jahre?

Der hat viele Gründe. Die Faktoren Geborgenheit und Sicherheit spielen sicher eine Rolle bei all den geopolitischen Verwerfungen. Dazu kommt aber, dass die Generation 60+ nicht mehr unbedingt das Bedürfnis hat, in die weite Welt zu reisen, weil sie schon gesehen hat, was sie wollte. Und mindestens genauso wichtig: Deutschland hat als Reiseland einen echten Imagewandel hingelegt. Früher traute man sich kaum zu sagen, dass man Ferien an der Ostsee macht. Heute hat Urlaub in Deutschland seinen Preis. Und das zeigt man mittlerweile gerne.