Wohin steuert der Tourismus in Deutschland?

Die alte Bundesregierung ist in Teilen auch die neue. Die bereits in der vergangenen Legislatur versprochene nationale Tourismusstrategie lässt dennoch weiter auf sich warten. Was die Akteure des Deutschlandtourismus vom neuen Tourismusausschuss des Bundestages erwarten dürfen, wollte TN-Deutschland von den tourismuspolitischen Sprechern der Parteien wissen. Hier die Antworten.

Stefan Zierke, SPD:

Herr Zierke, Tourismus betrifft als Querschnittsaufgabe nicht nur den Tourismusausschuss. Wie wollen Sie erreichen, dass innerhalb ihrer Fraktion und im Bundestag die Tourismusthemen künftig besser koordiniert werden?

Zunächst sind wir als SPD-Fraktion personell und fachlich sehr gut aufgestellt und in den entsprechenden Gremien vertreten, sodass wir auch hier ressortübergreifend agieren und die wichtigsten Punkte und Themen platzieren. Mit der noch neu zu gründenden „Nationale Plattform Zukunft des Tourismus“ werden wir der Branche noch mehr Gehör verschaffen. Letztlich sind wir als Tourismuspolitiker dafür verantwortlich, die verschiedenen Gesetzgebungsprozesse
aufmerksam zu verfolgen und in Abstimmung mit unseren Koalitionspartnern auf diese Prozesse einzuwirken, um die Rahmenbedingungen dieser vielfältigen Branche kontinuierlich zu optimieren. Aufgrund der Heterogenität und der unterschiedlichen Zuständigkeiten lassen sich die tourismuspolitischen Themen nur so und Schritt für Schritt bearbeiten: gemeinsam und lösungsorientiert.

Bis wann wird der Tourismusausschuss die schon vor Jahren angekündigte nationale Tourismusstrategie vorstellen?

Der Prozess wird – wie im Koalitionsvertrag verankert – neu aufgerollt. Als ersten Schritt befassen wir uns damit Anfang April 2022 im Tourismusausschuss und laden zu einem öffentlichen Fachgespräch ein, um auch die Vorstellungen der touristischen Leistungsträger in Erfahrung zu bringen.

Kaum eine Branche hat wirtschaftlich unter den Corona-Maßnahmen so gelitten wie der Tourismus. Wie werden Sie
die Branche in den kommenden Jahren unterstützen, damit die Betriebe nötige Zukunftsinvestitionen tätigen können – und welche sollten das sein?

Kaum eine andere Branche hat deswegen auch so viel staatliche Unterstützung erhalten. Insgesamt hat die Tourismuswirtschaft 21,1 Milliarden Euro erhalten. Das sind 43 Prozent aller Corona-Hilfszahlungen. Insolvenzen wurden damit fast gänzlich abgewendet. Das ist doch die Grundvoraussetzung, um auch unternehmerisch wieder Fahrt aufzunehmen. Der Neustart des Tourismus beschäftigt uns in einer der kommenden Ausschusssitzungen. Zentraler
Baustein für einen erfolgreichen Deutschlandtourismus ist die Fachkräftesicherung. Deswegen freue ich mich über die Anhebung des Mindestlohns ab Oktober. Außerdem wollen wir die Rahmenbedingungen für den digitalen Meldeschein schaffen, wodurch Personal- und Bürokosten gesenkt werden. Aktuell gehen wir hier von einer
gesamtwirtschaftlichen Einsparung in Höhe von 180 Millionen Euro bei einer 60 prozentigen Nutzungsrate aus.

Anja Karliczek, CDU:

Frau Karliczek, Tourismus betrifft als Querschnittsaufgabe nicht nur den Tourismusausschuss. Wie wollen Sie erreichen, dass innerhalb ihrer Fraktion und im Bundestag die Tourismusthemen künftig besser koordiniert werden?

Schon bisher gibt es eine enge Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Arbeitsbereichen innerhalb der CDU/CSU-Fraktion, auch bei der Einbringung von Initiativen wie Anträgen und jetzt auch verstärkt bei Kleinen und Großen Anfragen. Das gilt auch für die Beantragung von Fachgesprächen, Öffentlichen Anhörungen und Selbstbefassungen in den Ausschüssen wie etwa der Beantragung von Berichten der Bundesregierung. Wir werden auch prüfen, zu welchen Themen wir wieder Ausschuss-Fachgespräche oder Öffentliche Anhörungen gemeinsam mit anderen Ausschüssen durchführen können.

Bis wann wird der Tourismusausschuss die schon vor Jahren angekündigte nationale Tourismusstrategie vorstellen?

Die Entwicklung und Fortschreibung der nationalen Tourismusstrategie ist zunächst ein Projekt der Bundesregierung und nicht des Ausschusses. Diese enorm wichtige Strategie wurde bereits im April 2019, also in der vergangenen Legislaturperiode, von der CDU/CSU-geführten Bundesregierung gestartet. Im Mittelpunkt standen dabei für die Union die Vorlage der Eckpunkte mit den strategischen Zielen und den Handlungsfeldern. Im Juni 2021 wurde der nach einem intensiven Dialogprozess mit der Tourismusbranche erstellte Aktionsplan des Bundeswirtschaftsministeriums
vorgelegt. Die nationale Tourismusstrategie ist aber ohnehin als langfristiges, über die letzte Legislaturperiode hinausreichendes Projekt angelegt, bei dessen Weiterführung die neue Bundesregierung hoffentlich wie bisher auch den Tourismus-Ausschuss beteiligt.

Kaum eine Branche hat wirtschaftlich unter den Corona-Maßnahmen so gelitten wie der Tourismus. Wie werden Sie die Branche in den kommenden Jahren unterstützen, damit die Betriebe nötige Zukunftsinvestitionen tätigen können – und welche sollten das sein?

In der Tat hat die Corona-Pandemie die Branche hart getroffen. Jetzt werde ich mich dafür einsetzen, dass dieser beschäftigungsintensive Wirtschaftszweig kurzfristig die Hilfen erhält, um die Erfolgsgeschichte der Tourismus-Branche fortsetzen zu können. Langfristig werden ich mich als tourismuspolitische Sprecherin der CDU/CSU dafür einsetzen, dass die Unternehmen und Mitarbeiter verlässliche Rahmenbedingungen erhalten, um ihre Betriebe fit zu machen für die Bereiche Digitalisierung, Nachhaltigkeit und klimafreundliche Wirtschaft.

Nico Tippelt, FDP:

Herr Tippelt, Tourismus betrifft als Querschnittsaufgabe nicht nur den Tourismusausschuss. Wie wollen Sie erreichen, dass innerhalb ihrer Fraktion und im Bundestag die Tourismusthemen künftig besser koordiniert werden?

Die Ampel-Koalition hat sich auf die Fahnen geschrieben, für bessere Koordination im politischen Handeln zu sorgen.
Das ist besonders wichtig in der Tourismuspolitik, wo sich die Zuständigkeiten auf viele Akteure in unterschiedlichen
Ressorts bzw. verschiedene politische Ebenen aufteilt. Die tourismuspolitische Koordinatorin Claudia Müller hat dies als
eine ihrer wichtigsten Aufgaben benannt und wir werden das im Tourismusausschuss begleiten.

Bis wann wird der Tourismusausschuss die schon vor Jahren angekündigte nationale Tourismusstrategie vorstellen?

Es steht außer Frage, dass wir eine nationale Tourismusstrategie brauchen. Das gilt insbesondere angesichts der Mammutaufgabe, Nachhaltigkeit und Digitalisierung voranzutreiben. Die Nationale Tourismusstrategie gehört zu den tourismuspolitischen Kernvorhaben, die wir im Koalitionsvertrag verankert haben. Es ist unsere Aufgabe, einen Rahmen für den Transformationsprozess jedoch auch die notwendige politische Unterstützung für die Umsetzung zu liefern. Einen genauen Zeitplan können wir leider noch nicht geben, weil erst die Mittel im Bundeshaushalt bereitgestellt werden müssen. Sobald dies geschehen ist, wird das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) detaillierter in Planung und Umsetzung einsteigen und wir werden den Prozess im Tourismusausschuss eng begleiten. Eins ist jedoch auch klar: Es muss mehr dabei herauskommen als in der letzten Wahlperiode. Die für Deutschland so bedeutende Tourismusbranche hat Besseres verdient.

Kaum eine Branche hat wirtschaftlich unter den Corona-Maßnahmen so gelitten wie der Tourismus. Wie werden Sie die Branche in den kommenden Jahren unterstützen, damit die Betriebe nötige Zukunftsinvestitionen tätigen können – und welche sollten das sein?

Tourismus-, Kultur- und Veranstaltungswirtschaft gehören unbestritten zu den am schwersten betroffenen Branchen
und werden auf längere Sicht mit den Folgen zu kämpfen haben. Die Pandemie hat die Branche viel gekostet und
die Umsatzverluste haben Rücklagen aufgezehrt, die nun für Investitionen fehlen. Da dürfen wir die Betroffenen nicht
im Regen stehen lassen. Wir haben im Koalitionsvertrag einen Abbau von Bürokratie verankert, um die Unternehmen
zu entlasten. Der vereinfachte Zugang zum Kurzarbeitergeld und die Bezugsdauer wurden bereits verlängert, und das
Kabinett hat das 4. Corona-Steuerhilfe-Gesetz beschlossen, welches die Unternehmen entlastet.

Stefan Schmidt, Bündnis 90/Die Grünen:

Herr Schmidt, Tourismus betrifft als Querschnittsaufgabe nicht nur den Tourismusausschuss. Wie wollen Sie erreichen, dass innerhalb ihrer Fraktion und im Bundestag die Tourismusthemen künftig besser koordiniert werden?

Eine bessere Koordinierung der Tourismuspolitik innerhalb der Ministerien ist ein wichtiges Ziel. Nur so können wir politisch angemessen auf die großen Herausforderungen der Branche antworten. Deswegen werden wir zeitnah eine „Nationale Plattform Zukunft des Tourismus“ einrichten und die ressortübergreifende Zusammenarbeit stärken. Auch die Koalitionsfraktionen arbeiten in der Tourismuspolitik eng zusammen. Wir stehen mit der Koordinatorin für Tourismus, Claudia Müller, im Haus des Vizekanzlers Robert Habeck in engem und regelmäßigem Austausch.

Bis wann wird der Tourismusausschuss die schon vor Jahren angekündigte nationale Tourismusstrategie vorstellen?

Dass wir bis heute keine nationale Tourismusstrategie haben, liegt nicht am Tourismusausschuss. Der von der alten Bundesregierung ausgearbeitete Aktionsplan hat die Erwartungen der Stakeholder an eine Strategie nicht erfüllt. Deswegen nehmen wir die Arbeit wieder auf. Es muss klar werden, wie der Tourismusstandort Deutschland in den nächsten Jahrzehnten aussehen soll. Für uns Grüne ist dabei wichtig: Eine nationale Tourismusstrategie muss sich an den Zielen Klimaneutralität, Umweltschutz, Digitalisierung und Fachkräftesicherung orientieren. Erfolgreich wird eine langfristige Strategie aber nur in enger Zusammenarbeit mit der Branche. Deswegen werden wir schon bald ein öffentliches Fachgespräch im Tourismusausschuss führen, um zeitnah mit den Stakeholdern ins Gespräch zu kommen.

Kaum eine Branche hat wirtschaftlich unter den Corona-Maßnahmen so gelitten wie der Tourismus. Wie werden
Sie die Branche in den kommenden Jahren unterstützen, damit die Betriebe nötige Zukunftsinvestitionen tätigen
können – und welche sollten das sein?

Mit milliardenschweren Corona-Hilfen haben wir der stark gebeutelten Tourismusbranche in den letzten zwei Jahren durch die Pandemie geholfen. Jetzt geht es darum, dem Tourismus beim Neustart unter die Arme zu greifen. Dafür werden wir ein Modernisierungsprogramm „Zukunft Tourismus“ auflegen, das Tourismusunternehmen bei Neu- und Wiedergründungen unterstützen soll. Nachholbedarf bei den unternehmerischen Investitionen sehen wir u.a. bei der Digitalisierung. Wir wollen die vielen Förderprogramme und Investitionszuschüsse leichter zugänglich machen, vor allem für kleine und mittelständische Betriebe. Auch der Abbau unnötiger Bürokratie, zum Beispiel bei den Hotelmeldescheinen, schafft zusätzliche Kapazitäten bei den Betrieben.

Sebastian Münzenmaier, AFD:

Herr Münzenmaier, Tourismus betrifft als Querschnittsaufgabe nicht nur den Tourismusausschuss. Wie wollen Sie
erreichen, dass innerhalb ihrer Fraktion und im Bundestag die Tourismusthemen künftig besser koordiniert werden?

Das politische Gewicht von Tourismusthemen lässt sich am effektivsten dadurch verbessern, dass Tourismuspolitiker eine stärkere Stimme in den Bundestagsfraktionen erhalten. Ich habe als tourismuspolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion in dieser Hinsicht den Vorteil, der Tourismuspolitik leichter ein angemessenes Gehör zu verschaffen, da ich zugleich stellvertretender Fraktionsvorsitzender bin. Die Bundesregierung geht insofern leider genau in die Gegenrichtung, indem selbst der Staatssekretär für Tourismuspolitik abgeschafft wurde. Bezogen auf die Bedeutung der Tourismuspolitik im Rahmen der parlamentarischen Beratungen wäre es sicherlich hilfreich, wenn mehr Tourismuspolitische Themen auch federführend vom Tourismusausschuss behandelt würden.

Bis wann wird der Tourismusausschuss die schon vor Jahren angekündigte nationale Tourismusstrategie vorstellen?

Nach Ankündigung der Ampelregierung ist vorläufig eine Vorstellung der endgültigen Nationalen Tourismusstrategie im Tourismusausschuss nicht geplant. Stattdessen soll ein neuer Dialog organisiert und der Prozess der Tourismusstrategie wieder aufgenommen werden. Nach Ansicht der AfD wäre es schön, wenn nach vier Jahren Strategieplanung jetzt endlich gehandelt würde.

Kaum eine Branche hat wirtschaftlich unter den Corona-Maßnahmen so gelitten wie der Tourismus. Wie werden
Sie die Branche in den kommenden Jahren unterstützen, damit die Betriebe nötige Zukunftsinvestitionen tätigen
können – und welche sollten das sein?

Die AfD wird – wie auch in den letzten vier Jahren – alle Maßnahmen unterstützen, um ein wirtschaftliches Überleben der deutschen Tourismuswirtschaft zu sichern. Welche Einzelmaßnahmen dabei konkret erforderlich sind, richtet sich nach dem weiteren Verlauf der Coronakrise. Bei der Zukunftsförderung der Branche werden wir vor allem die Digitalisierung der kleineren Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe in den Mittelpunkt stellen.

Thomas Lutze, Die Linke:

Herr Lutze, Tourismus betrifft als Querschnittsaufgabe nicht nur den Tourismusausschuss. Wie wollen Sie erreichen,
dass innerhalb ihrer Fraktion und im Bundestag die Tourismusthemen künftig besser koordiniert werden?

Ich werde innerhalb meiner Fraktion deutlicher zum Ausdruck bringen, dass im Bereich des Tourismus mindestens drei Millionen Beschäftigte arbeiten – viele davon mit unterdurchschnittlichem Einkommen und / oder prekären Arbeitsverhältnissen. Aber auch der Ausschuss selbst muss über die Fraktionen dafür Sorge tragen, dass zukünftig mehr Anträge und Gesetzesinitiativen federführend im Tourismusausschuss behandelt werden. Nur so besteht die Chance, dass unsere Themen auch öffentlichkeitswirksam ins Plenum des Bundestages kommen.

Bis wann wird der Tourismusausschuss die schon vor Jahren angekündigte nationale Tourismusstrategie vorstellen?

Das ist Sache der Bundesregierung. Als oppositionelle Linksfraktion werden wir uns das Papier genau durchlesen, entsprechend bewerten und ggf. alternative Vorschläge machen. Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass eine entsprechende Strategie zeitnah nach der Beendigung der Coronamaßnahmen vorliegen sollte.

Kaum eine Branche hat wirtschaftlich unter den Corona-Maßnahmen so gelitten wie der Tourismus. Wie werden Sie
die Branche in den kommenden Jahren unterstützen, damit die Betriebe nötige Zukunftsinvestitionen tätigen können – und welche sollten das sein?

In erster Linie müssen Maßnahmen so ausgerichtet werden, dass mögliche Ereignisse wie die Corona-Pandemie in Zukunft nicht mehr diese verheerenden Auswirkungen haben. Dazu gehört, dass das Kurzarbeitergeld nicht nur verlängert, sondern auch auf mindestens 90 Prozent des Durchschnittseinkommens erhöht wird. Viele kleinere und Familienunternehmen konnten im Gegensatz zu den großen Tourismuskonzernen den Kurzarbeitersatz von 60 bzw. 67 Prozent aus finanziellen Gründen nicht freiwillig aufstocken. Aber auch für die Unternehmen selbst bedarf es einen
Katalog von Reformen: Inhaber von Reisebüros zum Beispiel müssen fest dafür bezahlt werden, wenn sie massenhafte Stornierungen rückabwickeln müssen.


Dieser Artikel ist im neuen TN-Deutschland Magazin erschienen. Das ganze Magazin zum Nachlesen gibt es HIER