Klaus Schön Leiter Tourismus Vertrieb, AVS GmbH

Ein Gespräch über TouristCards und die digitale Erfassung von Gästedaten, die Einbettung der Cards in die Welt der Smartphones und warum mehr Verständnis füreinander helfen würde, damit die Kluft zwischen Politik, Entscheidungsträgern und  Gastgebern nicht größer wird.

 

Bei AVS für den touristischen Bereich verantwortlich: Gero Weidlich, Leiter Tourismus Projektmanagement, und Klaus Schön, Leiter Tourismus Vertrieb.

 

Herr Schön, Kartensysteme gelten in vielen Branchen schon lange als bewährtes Instrument des Marketing. Warum hat es bei den Regionen trotzdem so lange gedauert, bis diese Möglichkeiten in Form von Touristenkarten erkannt und umgesetzt wurden?

Nun, so neu ist das Produkt „Card“ auch wieder nicht: Die erste All-Inclusive-TouristCard in Deutschland, die Bodenseeerlebniskarte, wurde vor fast 20 Jahren eingeführt und einfache Kurkarten gibt es, seit es Kurorte gibt.

 

Aber erst in den vergangenen Jahren sind TouristCards wirklich erfolgreich und sprießen wie Pilze aus dem Boden.

Weil sich vielfach ein Wandel und eine Weiterentwicklung eingestellt haben. Zunächst setzte man meist auf Destinations- oder gar Landesebene auf Chipkarten-Systeme mit vergleichsweise teuren Trägermedien. Durch die gestiegene Internetdurchdringung kann man inzwischen aber auch auf online-basierte Systeme zugreifen. Das eröffnete neue Möglichkeiten und auch kostengünstigere Standardlösungen, die nicht aufwändig neu entwickelt werden müssen. Dadurch können auch kleinere Destinationen und inzwischen auch Orte das Instrument nutzen. Auch durch die gestiegene Nachfrage der Gäste sind attraktive Gästekarten inzwischen fester Bestandteil des Produktportfolios der Destinationen geworden.

 

AVS gilt in diesem Bereich als erfahrener Anbieter. Wie viele Karten haben Sie an den Markt gebracht und in Betreuung.

Wenn man die Gästekarten der einzelnen Kurorte hinzuzählt, kommen wir auf weit über 200 verschiedene Cards im deutschsprachigen Raum. Im Bereich der Destinationskarten, die dem Gast meist kostenfreien Zugriff auf ein breites überregionales Leistungsspektrum einräumen, die mit einer komplexeren Kontroll-und Abrechnungsinfrastruktur ausgestattet sind, betreuen wir über die AVS – Tourismusabteilung derzeit gut 30 Kunden. Die AVS ist allerdings auch Dienstleister für zahlreiche weitere Karten im Verlagswesen, dem Handel und auch für etliche CityCards.

 

Wie genau läuft der Prozess ab, wenn eine DMO sagt, sie möchte eine Gästekarte einführen?

Auch wenn das abgedroschen klingt: Am Anfang steht die Konzeption. Eine mit den regionalen Playern abgestimmte Zieldefinition ist wesentlicher Bestandteil, um die Möglichkeiten unter Einbezug von Teilnahmebereitschaft, Betreiberform und Rechtsrahmen abzuklären. Hier wird auch das mögliche Card-Modell festgezurrt; also, ob es sich beispielsweise um All-Inclusive-, oder Rabatt-Leistungen handeln soll, ob eine Kauf- Umlage oder reine Kurkarte entstehen soll und welche Leistungsträger inkludiert werden. Es gibt unterschiedlichste Ausprägungen und Ausbaustufen. In einem zweiten Schritt müssen die Konditionen mit den Akteuren, wie Kultur- und Freizeiteinrichtungen, Bädern, Sehenswürdigkeiten oder auch mit dem ÖPNV vereinbart werden.

 

An was muss man noch denken?

Eine bedeutende konzeptionelle Rolle kann auch die Anbindung der kommunalen Meldeschein-oder der Hotel-Systeme bilden, sowie die Integration der Kassen bei den Leistungsanbietern über Schnittstellen. Schließlich kommt die Technik. Beim sogenannten Roll-out werden die Prüfgeräte oder eben Schnittstellen installiert und eingerichtet. Kein Hexenwerk, doch sollte man den Aufwand hierbei nicht unterschätzen und man sollte in der Abstimmung mit den Partnern auf der Leistungsträgerebene auch kompromissbereit sein.

 

Worüber muss sich eine Region im Vorfeld Gedanken machen – und welche fertigen Lösungen gibt es?

Hinsichtlich der Cardtypen und Technik kann man auf bewährte Modelle und Standards zugreifen. Auch viele Anforderungen des Marketing oder in den Kontroll-und Abrechnungsstrukturen lassen sich abbilden. Dennoch ist das Card-Leben kein reines Wunschkonzert. Die Fragen also lauten: Wie bekommt man eine attraktive Card aufgebaut? Wer macht zu welchen Konditionen mit? Wie regeln und finanzieren wir den Betrieb? Die Antworten darauf sind freilich von Region zu Region und von Projekt zu Projekt unterschiedlich.

 

Welche Probleme gilt es technisch und organisatorisch zu lösen – vielleicht auch in puncto Datenschutz?

Die Digitalisierungswelle hat es vielen nicht unbedingt leicht gemacht. Dies liegt zum Teil daran, dass wir auf unterschiedliche Entwicklungsstände treffen – sowohl auf Ebene der lokalen Mitarbeiter, als auch bei den Gästen. Die Herausforderung auch in Card-Projekten ist, möglichst alle mitzunehmen, ohne sich am „schwächsten“ Glied zu orientieren. Mehr Verständnis füreinander würde helfen, damit die Kluft zwischen Politik, Entscheidungsträgern und den operativen Mitarbeitern und den Gastgebern nicht größer wird. Service und Gastfreundschaft sind beileibe keine rein technischen Themen.

 

Und beim Datenschutz?

Dem Thema gilt es hinsichtlich der neuen Datenschutzgrundverordnung besonderes Augenmerk zu widmen. Schließlich bewegen sich die Destinationen im zumindest halb-öffentlichen Sektor und haben hier eine besondere Verantwortung. Die Nutzung der Gast-Daten unterliegt also schlichtweg gewissen Restriktionen. Dies muss und kann aber auch geregelt werden. Doch die Aussage „Wieso? Bei Facebook geben doch auch Alle ihre intimsten Details preis“, ist in diesem Kontext reichlich fahrlässig.

 

Wohin geht der Trend bei touristischen Gästekarten?

Hinsichtlich der Leistungsinhalte wird erfreulicherweise ohnehin bereits die Diskussion forciert, zusätzliche Angebote und Mehrwerte mit der Card zu verknüpfen. Technisch erleben wir natürlich die Einbettung der Card in die Smartphone-Welt. Die Card wird dabei Teil des digitalen Reiseführers, regionaler Apps und verschmilzt mit der vielzitierten Customer Journey.

 

Ein weiteres großes Thema ist die richtige Erfassung von Gästedaten. Wie weit sind die Regionen in Sachen digitaler Meldeschein?

Man ist durchaus auf einem guten Weg. Fakt ist aber dennoch, dass selbst in zahlreichen Orten, wo wir den AVS-Meldeschein zur Online-Erfassung der Gastdaten im Einsatz haben, immer noch viele Papiermeldescheine der traditionellen Vermieter verarbeitet werden. Papier ist eben geduldig.

 

Was sind die Vorteile eines elektronischen Systems – und was muss man beachten?

Hauptargument für jegliche Digitalisierung ist schlichtweg die Prozessoptimierung. Viele Abläufe lassen sich geschmeidiger gestalten. Ein elektronisch ausgefüllter Meldeschein oder eine Gästekarte sehen deutlich ordentlicher aus, als das handschriftliche Gekrakel. Serviceorientierter und zeitgemäßer ist es obendrein, dem Gast eine ansprechende Karte auszuhändigen. Ein wichtiger Vorteil ist das Reduzieren von Fehlern. Änderungen und Stornierungen, wie sie in der Touristik eben vorkommen, lassen sich leichter abbilden als in manuellen Prozessen. Allerdings sollte man auch nicht dem Irrglauben erlegen, die IT könne alle Probleme lösen.

 

Im Bereich digitale Kundenlösungen drängen immer mehr Start-ups auf den Markt. Es ist jede Menge Bewegung im Markt. Ist das eher Fluch oder Segen für die Regionen?

Puhh. Ich denke, ich weiß, worauf Sie anspielen. Generell ist jegliche Innovationskultur zu begrüßen und junge, aufstrebende Unternehmen und neue Ideen sind zu unterstützen. Es gibt allerdings den Spruch „Lösung sucht Problem“ und bei mancher Entwicklung sollte man hinterfragen, ob man diese wirklich braucht. Zudem sollte man sich auch der Verantwortung für die Branche bewusst sein und eher nachhaltige Partner- und Kundenbeziehungen aufbauen. Manche Neugründungen zielen ja nicht unbedingt nur darauf ab, den Markt lange mit einer nutzenstiftenden Lösung zu bedienen, sondern schnellstmöglich die Company wieder zu versilbern.