Die Menschen wollen reisen!

Ein Gespräch mit Deborah Rothe, Leiterin der ITB Berlin, über die Präsenz der deutschen Regionen auf der diesjährigen Messe, die Resilienz der Tourismusbranche und das Spannungsfeld zwischen Wachstum und Nachhaltigkeit.

In jedem Fall. Mit der reinen B2B-Ausrichtung kamen wir dem Bedürfnis der meisten Aussteller nach und können unsere Partner so auch langfristig in Berlin halten. Die drei Fachbesuchertage waren traditionell immer die für Aussteller relevanteste Zeit. Danach noch zwei Publikumstage zu stemmen, war für alle immer mit einem großen organisatorischen Aufwand und zusätzlichem Personal verbunden. Auch die Kosten waren damals höher.

Im vergangenen Jahr waren von den buchbaren Flächen rund 90 Prozent belegt. Rund 85 Prozent der Aussteller sind nach der Corona-Krise zurückgekehrt. Für dieses Jahr ist die Nachfrage noch einmal deutlich gestiegen. Um die Nachfrage zu bedienen, nehmen wir fünf weitere Hallen in Betrieb. Die arabischen Regionen präsentieren sich 2024 beispielsweise größer als vor der Krise. Auch die Kreuzfahrtbranche und das Segment Tavel-Technologie wachsen so stark, dass wir hier sogar weitere Flächen öffnen könnten.

Auf der ITB ist und war immer schon Bewegung. Denn nicht jedes Jahr verfolgen alle Reiseländer die gleiche Strategie. Mein Gefühl ist, dass die deutschen Regionen bei ihren Präsentationen in Berlin derzeit anders abwägen als viele internationale Regionen. Der Grund: Der deutsche Messemarkt macht den LTOs und DMOs noch eine ganze Reihe von weiteren regionalen Angeboten. Parallel probiert man mal neue Sachen aus, wie etwa eine Präsenz auf der Grünen Woche Berlin, wo zum Beispiel Mecklenburg-Vorpommern für kulinarische Reisen in den Norden wirbt. Auch die Bayern Tourismus Marketing GmbH war wieder mit 80 Partnern auf der Grünen Woche. Viele internationale Partner stellen sich dagegen nur einmal im Jahr auf der ITB Berlin ins Rampenlicht. Es ist also eine Frage der Budget-Einteilung. Aber das Interesse seitens der deutschen Regionen an der ITB ist nach wie vor hoch. Der hub27 als neu konzipierte Halle für den DACH-Raum plus Slowenien ist ausgebucht – und wir reden hier von mehr als 10.000 Quadratmetern.

Ein gutes! Die Menschen wollen reisen. In einigen Bundesländern und Regionen überstiegen die Übernachtungszahlen 2023 bereits das Vor-Corona-Niveau. 2024 könnte das nächste Rekordjahr für den Deutschlandtourismus werden. Bei den Buchungen aus dem Inland zeigt sich, dass Deutschland trotz des Wegfalls der Reisebeschränkungen nachhaltig um rund 3,5 Prozent zulegen konnte. Und das Incoming stand 2023 schon wieder bei 85 Prozent. Für dieses Jahr gehe ich hier mindestens vom alten Niveau aus. Auch die Mittelmeerregionen, die Kanaren und die Kreuzfahrt sind sehr stark zurückgekommen. Was sich zeigt: Unsere Branche ist viel resilienter als viele gedacht haben! Trotz der Krisen, Kriege, Inflation und der Sorgen vieler Menschen vor der Zukunft, besitzt der Tourismus die Fähigkeit, schnell und kreativ zu reagieren. Reisen scheint für viele sogar mehr denn je ein Grundbedürfnis geworden zu sein. Ein Bedürfnis, wofür viele auch bereit sind, mehr Geld als früher auszugeben – zum Beispiel indem sie mehr Premium-Produkte buchen.

Die ITB ist ein Spiegel der weltweiten Branche. Und man sieht bei den Akteuren, dass drängende Themen immer bewusster wahrgenommen und auch angegangen werden. Im Kongressprogramm stellt sich die Kreuzfahrt-Industrie deshalb auch der Diskussion und den kritischen Fragen. Wir wollen nichts beschönigen oder schönreden – aber wir müssen miteinander reden! Genau das tun wir mit einem sehr vielfältigen Kongressprogramm in insgesamt 17 Thementracks. Schwerpunkte sind Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Während wir hier 2023 noch viel über die Notwendigkeit der Transformation gesprochen haben, geht es dieses Jahr sehr konkret um Tools und deren Einführung. Unter anderem haben wir einen eigenen Themenstrang, in dem es nur um das Thema KI und dazugehörige Best Practices geht. Ein Highlight wird unter anderem der Auftritt von Behshad Behzadi, Vice President Engineering bei Google und Co-founder des Google Assistant.


Zur Person: Deborah Rothe ist als Director seit 2023 Projektleiterin der ITB Berlin. Rothe ist seit 2011 bei der Messe Berlin beschäftigt und bereits seit 2014 für die ITB Berlin tätig. Ab August 2019 war sie als Head of Business Development & Sales vor allem für die Weiterentwicklung der weltgrößten Reisemesse und für den Vertrieb des Aussteller- und Besuchergeschäft verantwortlich. Außerdem hat sie maßgeblich die Entwicklung der B2B Netzwerk-Eventserie „TRVLX by ITB“ in europäischen Märkten vorangetrieben.


Dieser Artikel ist im neuen TN-Deutschland Magazin erschienen. Das ganze Magazin zum Nachlesen gibt es HIER