Aufbruchsstimmung

Herr Hofbauer, die Firmen pixelpoint und dataCycle flogen im Deutschlandtourismus bis vor kurzem beim Thema Datenbank-Technologie unter dem Radar vieler Akteure. Dabei haben Sie inzwischen vier Kunden allein auf der LTO-Ebene. Bitte erzählen Sie uns etwas mehr über die Unternehmen mit Sitz in Kärnten

Wir sind in der Tat nicht so laut wie andere Unternehmen. Trotzdem läuft zum Beispiel die neue BayernCloud Tourismus komplett auf unserer Technik, auch Rheinland-Pfalz und Brandenburg nutzen unser Know-how und einzelne Tools zur Medienverwaltung für ihre Datenbank-Lösungen. Und für Mecklenburg-Vorpommern bauen wir jetzt den Data Hub einmal komplett neu auf. Wichtig ist zu verstehen, dass wir zwei Firmen unter einem Dach sind. Pixelpoint ist als Webagentur seit mehr als 20 Jahren am Markt und seit damals spezialisiert auf touristische Kunden. In Kärnten ist der Tourismus einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren. Entsprechend vielseitig sind die Projekte, die wir hier über die Jahre umsetzen, begleiten und weiterentwickeln durften.

Und dataCycle?

Als wir im Jahr 2004 gemeinsam mit weiteren Firmen das Landesportal kaernten.at bauen durften, haben wir uns Schritt für Schritt auch in Richtung Datenbank-Lösungen weiterentwickelt. Kurz darauf wurden die Anforderungen zur Verknüpfung von Daten bei einem Projekt mit der TMB in Brandenburg dann so konkret, dass ein erster Vorläufer des heutigen dataCycle-Produkts entstand. 2016/17 haben wir dann nach einer vorangegangenen Entwicklungsphase die Ausschreibung für den ersten Data Hub-Prototyp der Österreich Werbung gewonnen. Seither arbeiten Pixelpoint und dataCycle Hand in Hand.

Was unterscheidet Ihren Ansatz von anderen Anbietern?

Was uns sehr wichtig ist, sind offene Standards. Wir bauen um unser System herum keinen Schutzwall, der andere Agenturen draußenhalten soll. Im Gegenteil: Der Kern unserer Software ist OpenSource. Und die Datenbanklösung von dataCycle muss auch nicht in Kombination mit einer Website von Pixelpoint betrieben werden. Destinationskunden sind also ungebunden, und wir drängen auch niemand in irgendwelche Lizenzmodelle hinein. Die Plattform könnte also theoretisch auch ohne uns vom Kunden selbst betrieben werden. Und was auch
noch ganz wichtig ist: Die Datenhoheit bleibt immer beim Kunden.

Aber haben Destinationen wirklich das Know-how, eine Datenbank allein zu betreiben?

Die Frage kann man nicht pauschal antworten. Doch sehe ich mit dem Blick aus Österreich, dass in Deutschland noch zu wenig Ressourcen für digitale Tourismus themenereitgestellt werden. Und dass, obwohl die Digitalisierung gerade ein so großer Treiber der Entwicklung in vielen Bereichen ist. Was wir aber auch sehen, ist, dass zum Beispiel in Bayern die Kompetenzstelle Digitalisierung (KSD) mit dem Team in Waldkirchen aktiv an der BayernCloud Tourismus mitarbeitet. Dort nutzt man die Flexibilität unseres offenen Ansatzes, schreibt also am Code mit. Genau das ist die Stärke von OpenSource-Software. In der Webentwicklung wäre Typo3 auch nie so erfolgreich, wenn nicht 15.000 Entwickler auf der ganzen Welt permanent am Code weiterarbeiten, Funktionen verbessern und neue Innovationen einbringen würden. Dass gerade größere Lösungen OpenSource sind, ist übrigens inzwischen auch in vielen Ausschreibungen gefordert.

Wir bauen kein System mit Schutzwall, der andere Agenturen draußenhalten soll. Im Gegenteil: Der Kern unserer Software ist OpenSource

Wo steht das Datenmanagement in Deutschland in Ihren Augen im Moment?

Die deutschen Destinationen haben in den vergangenen Jahren aufgeholt. Das hat sich im DACH-Raum mittlerweile also sehr angeglichen. Und auch, wenn in den deutschen DMOs und LTOs weniger als anderswo im DACH-Raum mitprogrammiert wird, so wird doch inzwischen auf einem hohen Niveau konzeptionell mitgearbeitet. Über die Feedbacks bekommen wir als Agentur wertvolle Hinweise und konkrete Inputs, wo und
in welche Richtung wir die Datenbank-Lösung weiterentwickeln könnten. Dadurch profitieren alle Regionen! Was wiederum aus Österreich inzwischen stärker nach Deutschland schwappt, ist der Ansatz, dass Landesorganisationen ihren Destinationen digitale Lösungen als
Frameworks anbieten. Das macht aus unserer Perspektive auch Sinn, da kleinere Regionen mit vielen digitalen Themen wegen fehlender Ressourcen überfordert wären. Die LTO weiß, was die Akteure in ihrem Bundesland brauchen – und entwickelt konzeptionell aktiv am Framework mit. In diesen Prozessen, die viel mit Daten-Separierung zu tun haben, lernen auch wir ständig dazu.

Was sind die nächsten Schritte auf dem Weg zu mehr und besseren Anwendungen aus den Data Hubs
heraus?

Ich denke, wir stehen an einem interessanten Punkt. In den vergangenen Jahren haben alle Bundesländer und auch Destinationen erste Erfahrungen mit zentralen touristischen Datenbanken gemacht, haben sich eine Meinung dazu gebildet und beginnen nun mehr und mehr damit, eigene Ideen zu formulieren. Damit einher geht die Erkenntnis, dass die eine oder andere Datenbank, die man damals vielleicht primär aus Kostengründen ausgewählt hat, doch nicht richtig zu den eigenen Bedürfnissen passt. Dieser Prozess ist bei großen digitalen Projekten aber völlig normal.

Die Angst, bei einem Systemwechsel Daten zu verlieren, ist tatsächlich bei vielen groß – aber unbegründet

Deutsche Destinationen gelten allerdings als sehr systemtreu – selbst wenn große Unzufriedenheit mit
einem Anbieter herrscht

Die Angst, bei einem Systemwechsel Daten oder Anwendungen zu verlieren, ist tatsächlich bei vielen groß. Doch diese Sorge ist unbegründet. Denn ganz gleich, auf welchem System eine Destination heute läuft: Man kann alle Daten exportieren und auf eine neue Plattform importieren. Dabei werden nicht nur alle Merkmale übernommen. Schon allein dieser Vorgang kann die Qualität der Daten enorm steigern, weil in diesem Schritt bereits aufgeräumt wird. Zum Beispiel holen KI-Tools die Dubletten aus den Datensätzen und führen alles sinnig zusammen. Ganz ohne Arbeit funktioniert aber kein Systemwechsel, so ehrlich muss man sein. Allein schon, weil man sich dann ja im nächsten Schritt noch anschauen
muss, welche Anwendungen sich die Daten ziehen – und wie tun sie das? Aber zumindest wir gestalten diesen kompletten Prozess so flüssig wie möglich.

In deutschen DMOs wird zwar weniger als anderswo im DACH-Raum mitprogrammiert, doch auf hohem Niveau konzeptionell mitgearbeitet

Was werden die nächsten Entwicklungen im Bereich touristische Datenbanken sein?

Wenn wir eines aus den vergangenen Jahren lernen konnten, dann, dass es zwar inzwischen quantitativ viele Daten gibt, es aber oft an der Qualität fehlt. Diese zuerst zu verbessen und dann zu halten, das wird jetzt eine sehr zentrale Aufgabe sein. Dafür setzen wir zum Beispiel auf die Integration von KI-Tools. Large Language Models wie ChatGPT können im Bereich der automatisierten Content-Erstellung inzwischen gut eingesetzt werden. Tools wie DeepL helfen bei Übersetzungen. Andere KI-Tools helfen wiederum, die Bilddatenbank aufzuräumen. An all diesen Themen arbeiten wir aktuell mit Hochdruck. Nicht zu vergessen: Die Verarbeitung von Echtzeitdaten wird immer wichtiger. Moderne Datenbanken werden zum Beispiel Live-Trackings so verarbeiten, dass eine Besuchermessung automatisiert zu einer Besucherlenkung wird.

Wie das?

Etwa, indem auf der Website ein zu voller POI nicht mehr prominent ausgespielt wird. Andere Orte werden dann stattdessen als Empfehlung nach vorne gestellt. Auch der ganze Komplex der individuellen Empfehlungen auf Basis von Interessen wird sich in Zukunft stark weiterentwickeln, weil Daten immer besser miteinander verknüpft werden können. Der Knowledge Graph der DZT geht diesen Weg bereits. Und der Ansatz ist vielversprechend.


Zur Person: Marcus Hofbauer ist CVO/Creative Technologist bei pixelpoint & dataCycle in Klagenfurt am
Wörthersee. Er ist Innovationstreiber und verantwortlich für zahlreiche umfangreiche und zukunftsweisende Konzepte für Kunden aus Tourismus, Industrie und Öffentlichkeit. „Geht nicht“ –gibt es in seinem Wortschatz nicht. Höchstens: „Geht noch nicht“. Entspannung vom Job findet der passionierte Podcast-Hörer bei seiner Familie, beim Kochen und Reisen.


Dieses Interview ist im neuen TN-Deutschland Magazin erschienen.
Das ganze Magazin zum Nachlesen gibt es HIER