Uwe Frers, Geschäftsführer ADAC Camping GmbH

Ein Gespräch über das neue ADAC-Portal PiNCAMP, warum sich Campingplätze künftig als Hotellerie unter freiem Himmel mit tagesaktuellen Raten vermarkten müssen, und was neue Zielgruppen von einem modernen Camping-Produkt erwarten.

 

Herr Frers, die ADAC Camping GmbH hat sich vor rund neun Monaten als internes Start-up die Digitalisierung des Campinggeschäfts vorgenommen. Für das zweite Halbjahr sind Neuigkeiten angekündigt. Was kommt da?

Wir stehen wenige Wochen vor dem Launch unseres neuen Produktes, für das wir uns tatsächlich auch neun Monate lang Zeit genommen haben. Seit Oktober haben wir ein Team aus 25 Onlineprofis aufgebaut. Schon die Teamgröße zeigt, dass wir das Thema sehr ernst nehmen. Zudem werden wir von 14 Kollegen aus dem Camping-Team in München unterstützt, wo unter anderem die Campingführer und die Camping-App gemacht werden.

 

Weil Sie gerade das Team in München ansprechen: Worin wird sich das neue Produkt von dem unterscheiden, was es bereits gibt. Denn zum Beispiel für einen Platz eine Reservierungsanfrage stellen kann man ja bereits auf der ADAC Campingwelt im Internet.

Die bestehende ADAC Campingwelt im Internet publiziert die Print-Inhalte der ADAC Campingführer im Internet. Die Basis ist also das gedruckte Buch. Unsere neue Einheit kommt aus der Online-Welt und denkt das Thema von Anfang an digital. Wir kombinieren alle Assets des ADAC, etwa die Reichweite, den Brand, den Content und das persönliche Know-how über 5.500 Plätze von unseren Inspektoren mit den uns heute zur Verfügung stehenden digitalen Produktionsmethoden.

 

Ok, was ist nun also Ihr Produkt?

Lassen Sie mich noch vorwegschicken, dass der Campingmarkt seit fünf Jahren massiv wächst, sich die Art der Vermarktung aber seit Jahrzehnten nicht weiterentwickelt hat. 2001 gab es auf Deutschlands Plätzen noch 21,3 Millionen Nächtigungen, 2017 waren es 31 Millionen. Die Zulassungszahlen für Caravans und Wohnmobile eilen von Rekord zu Rekord. Immer mehr Menschen entdecken diese Art des Reisens für sich. Campen ist massentauglich geworden. Und das zieht neue Player an. Immer mehr Start-ups ziehen, mit ordentlich Venture Capital ausgestattet, in diesen neuen Markt ein. Der ADAC musste hier seine künftige Rolle also neu bestimmen. Und wir sind zu dem Schluss gekommen, dass dies nicht nur sein kann, Content bereitzustellen und Werbeformate an Campingplätze zu verkaufen – auch wenn das heute für uns als Marktführer noch sehr gut funktioniert.

 

Aber jetzt lassen sie Katze mal aus dem Sack.

Den bisherigen Online-Auftritt der ADAC Campingwelt lösen wir durch ein neues Portal ab: ADAC PiNCAMP. Beim Geschäftsmodell fokussieren wir uns darauf, Campingplatz-Betreibern einen messbaren Mehrwert zu generieren und dafür honoriert zu werden. Im ersten Schritt bekommen die Campingplätze über unsere Plattform Traffic weitergereicht, den sie dann selbst monetarisieren können. Im nächsten Schritt binden wir uns an die Channel-Management-Systeme der Plätze an, um Raten und Verfügbarkeiten einzulesen und daraus echte Buchungsanfragen und Buchungen zu ermöglichen. Ein Hintergrund des neuen Namens ist, dass wir das Produkt in der Zukunft internationalisieren werden. Und im Ausland hat der Name ADAC keinen solchen Namen wie in Deutschland.

 

Also ist ADAC PiNCAMP ein Booking.com für Camping-Stellplätze?

Wir verstehen uns als Partner der Camping-Branche. Stand heute können Sie nur eine Reservierungsanfrage an die meisten Plätze schicken. Dort muss dann die Verfügbarkeit händisch geprüft werden. Dieser administrative Aufwand beschäftigt bei großen Plätzen in der Hochsaison mehrere Leute an der Rezeption – obwohl der Platz längst ausgebucht ist. Das macht absolut keinen Sinn. Und auch das seit Jahrzehnten gleiche Preismodell ist in meinen Augen nicht mehr zeitgemäß.

 

Wie meinen Sie das?

Der klassische Campingplatz arbeitet mit Saisonpreisen, oft nur einen für die Vor-, die Haupt- und die Nachsaison. Es ist also egal, ob sie Ihren Platz für die Sommerferien fünf Monate oder erst eine Woche vorher buchen.

 

Aber das ist doch wunderbar. Gerade Camper in Deutschland buchen oft kurzfristig, weil man Monate im Voraus nicht weiß, wie das Wetter sein wird. Das ist genau die Freiheit, die Camper lieben.

Aber eine Familie mit zwei Kindern findet es nicht gut, spätabends noch fünf Plätze anfahren zu müssen in der Hoffnung, noch einen Stellplatz zu ergattern. Und die Betreiber der Plätze lassen schlicht und ergreifend Geld liegen. Ein Campingplatz ist Hotellerie unter freiem Himmel, insbesondere der Bereich Mobile Homes. Warum sollten also hier die Preismechanismen von Angebot und Nachfrage nicht gelten?

 

Vielleicht, weil ein guter Platz im Sommer sowieso fast immer ausgebucht ist und so gar nicht arbeiten muss?

Nein. Sondern, weil die meisten Plätze noch kein technologisch unterstütztes Auslastungsmanagement für ihren Platz nutzen. Nicht selten wird noch mit Exceltabellen und Leitz-Ordnern gearbeitet. Und was völlig fehlt, ist der zahlengetriebene, analytische Blick aufs große Ganze. Bislang suchen Campingplätze nach Möglichkeiten, die Vor- und Nachsaison besser auszulasten. Das macht Sinn, greift aber zu kurz. Aus unserer Sicht müssen Campingplätze zukünftig ihre Preise dynamisieren: Stammgäste buchen weit im Voraus, sie können deswegen weiterhin die bestehenden Saisonangebote erhalten. Je kurzfristiger die Buchung aber getätigt wird, desto flexibler müssen die Preise werden. Analog müssen sich die Preise auch verändern, je nachdem ob es sich um eine Zwei- oder Zehn-Tagesbuchung handelt. Ein Portal wie wir kann diese Logik leisten.

 

Sie läuten also in dem Segment einen Paradigmenwechsel ein.

Wir versuchen zumindest, in der Touristik gelernte und vom Kunden akzeptierte Modelle auch in der Camping-Branche zu etablieren. Und wir sind überzeugt, dass die Plätze bereit sind, für diese Leistung auch eine Provision zu bezahlen.

 

Und welche Vorteile hat der Endkunden von PiNCAMP?

Wer heute Campingplätze online sucht, kennt das Dilemma: Vielfach veraltete Internetseiten der Campingplätze, selten für Smartphones optimiert, schlechte Bilder, unstrukturierte Informationen, keine Online-Buchbarkeit. Hier setzen wir an. Der ADAC kennt durch seine jährlichen Inspektionen über 5.000 Campingplätze persönlich und im Detail. Dieses einzigartige Wissen ist die Basis für ADAC PiNCAMP, um Campern schnell eine vertrauenswürdige und inhaltlich nachvollziehbare Antwort auf ihre wichtigste Frage zu geben. Welcher Campingplatz passt warum am besten zu meiner Suche. Und diese Antwort inszeniert das neue Portal in modernem Design mit state of the Art-Technologie für alle Endgeräte. Ab 2019 zeigen wir Preise und Verfügbarkeiten und wir führen den Camper zukünftig auch von der Information zur Transaktion. Und last but not least haben wir mit dem PiNCAMP-Magazin einen riesigen Fundus an Inspiration aufgebaut. Tipps & Tricks, News, Reiseberichte, Campingplatz-Bewertungen, Interviews, Bildergalerien, Routenplanung – wir begleiten den Camper vom Anfang seiner Planung bis zur Rückkehr nach Hause.