Norbert Fiebig, Präsident Deutscher Reiseverband DRV

Ein Gespräch über die Zusammenarbeit des DRV mit der Politik, die wachsende Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit in der Branche und warum bei Innovationen ausschlaggebend ist, immer die Wünsche der Kunden ins Zentrum aller Überlegungen zu stellen.

 

Herr Fiebig, die DRV-Tagung ist diesmal politischer als sonst, warum haben Sie so viele Politiker als Redner und Diskutanten eingeladen?

Der intensive Dialog mit der Politik ist für die Reisewirtschaft von sehr hoher Bedeutung. Nur so können wir sicherstellen, dass die Interessen unserer Mitglieder in der Politik gehört werden. Unser Ziel ist es, dass die institutionellen Rahmenbedingungen so ausgestaltet werden, dass die Unternehmen der Branche möglichst effektiv ihrer Tätigkeit nachgehen können. Aus diesem Grund sind wir froh, zahlreiche Politiker bei unserer Jahrestagung begrüßen zu können, um den Austausch weiter zu intensivieren und auch unsere Mitglieder daran teilhaben zu lassen.

 

Die Politiker von SPD, FDP, CDU und Linke sind Ihrer Einladung gefolgt – also haben die Parteien echtes Interesse an den Themen, die die Branche bewegen?

Die Tourismusbranche ist mit mehr als 2,9 Millionen Beschäftigten einer der größten Wirtschaftszweige der deutschen Volkswirtschaft – und dementsprechend natürlich auch für die Politik von großem Interesse. Die Antwort auf Ihre Frage lautet also: Ja.

 

Die Politik hat der Branche aber zuletzt auch das Leben sehr schwer gemacht. Wie arbeitet der DRV konkret, diese Themen so zu platzieren, dass sie gehört und möglichst auch verstanden werden?

Wir suchen den offenen Austausch mit der Politik, um mit unseren Themen Gehör zu finden. Wichtig ist dabei, eine klare Position zu vertreten. Nehmen Sie zum Beispiel die EU-Pauschalreiserichtlinie oder auch die Versicherungsvermittlerrichtlinie. Wir haben hier für die Belange der Branche getrommelt und konnten erreichen, dass Reisebüros auch weiterhin Versicherungen vermitteln dürfen. Und den Verkauf von Einzelleistungen in den Reisebüros, ohne dass diese in die Veranstalterhaftung fallen, konnten wir ebenfalls sichern. Das geht nur mit intensiven Gesprächen, damit die Politik versteht, wo unsere Herausforderungen liegen. Sie haben auch die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Hotelleistungen erwähnt. Hier konnten wir den Tourismusbeauftragten der Bundesregierung, Thomas Bareiß, ins Boot holen. Er hat die Problematik verstanden und erst jüngst die Urlaubssteuer als „Unding“ bezeichnet.

 

Nach dem Ausstieg etwa der TUI beim BTW gewinnt der DRV als Verband nochmal an Bedeutung. Wie sehen Sie die Rolle des DRV aus dem Eigenverständnis heraus in der Verbandslandschaft?

Die Bedeutung des BTW als Verband der touristischen Verbände ist unverändert sehr hoch. Es ist wichtig, dass die Touristik gerade bei übergreifenden Themen gemeinsam gegenüber der Politik auftritt. Uns allen ist bewusst, dass der gemeinsame Auftritt unsere Schlagkraft erhöht.Der DRV repräsentiert einen bedeutenden Teil der Reisewirtschaft in Deutschland und setzt sich insbesondere für die Belange von Reisemittlern und Reiseveranstaltern ein – das ist unsere DNA. Unsere Mitglieder kommen aber nicht nur aus den Reihen der Veranstalter und Reisebüros. Auch Fluggesellschaften, Airports, Technik-Anbieter, Zielgebietsorganisationen – um nur einige zu nennen – sind im DRV vertreten. Und gerade diese Vernetzung macht unsere Stärke aus.

 

Einerseits verschiebt die Politik immer wieder die Leitlinien, aber auch Innovationen, allen voran digitale, verändern den Markt. Ist die Branche für die Zukunft gut aufgestellt?

Die Digitalisierung verändert nicht nur die Tourismusbranche, sondern bekanntermaßen unser aller Leben in vielerlei Hinsicht stark. Unternehmen müssen ihr Angebot, das eigene Geschäftsmodell und auch die Art und Weise der Kundenansprache innovativ weiterentwickeln. Es ist wichtig am Puls der Zeit zu sein, um Veränderungen nicht zu verpassen. Die Tourismuswirtschaft ist insgesamt eine dynamische Branche, deshalb bin ich fest davon überzeugt, dass sie gut aufgestellt ist für die Zukunft. Letztlich ist bei aller Innovation ausschlaggebend, die Wünsche der Kunden ins Zentrum aller Überlegungen zu stellen.

 

Welche Themen müssen touristische Akteure mit Blick auf die Digitalisierung unbedingt im Blick haben – und wie unterstützt der DRV hierbei?

Neue digitale Instrumente gewinnen zunehmend an Bedeutung. Das betrifft zum einen die Produktion von Pauschal- und Individualreisen aber natürlich auch die Vermittlung der Reisen – im Reisebüro aber auch online. In diesem Zusammenhang wird es auf beiden Seiten immer wichtiger, das Zusammenspiel zwischen Mensch und Technik zu verbessern.Wir als DRV arbeiten hier sehr intensiv – häufig im Hintergrund – und setzen immer wieder Standards. Zum Beispiel mit den Datenstandards GlobalTypes und der darauf aufsetzenden neuen Buchungslogik STRING. Entwicklungen, die den Buchungsvorgang von Pauschalreisen in eine neue Ära bringen werden, aber natürlich „Feinschmecker-Themen“ sind. Auch bei den zahlreichen DRV-Veranstaltungen beschäftigen wir uns regelmäßig mit Zukunftsthemen und stellen unseren Mitgliedern entsprechende Informationen und Tipps zur Verfügung.

 

Abschlussfrage: Auf der DRV-Tagung wird wieder die EcoTrophea verliehen. Neben derlei grünen Leuchttürmen – wie nachhaltig ist die Tourismusbranche mittlerweile und wo müssen die Akteure noch besser werden?

Der Tourismus zahlt weltweit auf Wachstum und Wohlstand der Bevölkerung in den Reiseregionen ein – und das gilt nicht nur für Schwellen- und Entwicklungsländern, sondern auch für strukturschwache Gebiete in Deutschland. Dennoch gehen natürlich mit einem wachsenden Tourismus auch Herausforderungen einher, mit denen sich die Branche auseinandersetzen muss. Damit meine ich nicht nur die Themen, die unter dem Begriff Overtourism aktuell sehr stark diskutiert werden, sondern auch grundsätzlich das Thema Nachhaltigkeit. Erfreulicherweise hat sich die Erkenntnis verfestigt, dass ökologische und soziale Verantwortung unverzichtbare Grundlagen des weltweiten Tourismus sind. Dementsprechend ist das diesbezügliche Engagement auch notwendige Zukunftssicherung für unser Geschäft. Und es gibt dieses Engagement – wie wir jedes Jahr wieder bei den Bewerbungen für die EcoTrophea sehen. Nicht nur hier zeigt sich eindrucksvoll, dass in unserer Branche eine Bewegung entstanden ist, die sehr innovativ ist und ein breites Spektrum abdeckt. Und ja – wir brauchen noch mehr von diesem Engagement!

 

Wie könnte das konkret aussehen – oder gefördert werden ?

Um die Mitarbeiter im Reisevertrieb mit dem Thema Nachhaltigkeit vertraut zu machen, haben wir bereits vor drei Jahren das Online-Schulungsprogramm Green Counter entwickelt. Dieses wurde im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekts Green Travel Transformation im Frühjahr dieses Jahres vollständig aktualisiert. Über die einheitliche Kennzeichnung nachhaltig zertifizierter Hotels sehen die Reisebüros auf einen Bick, welche Unterkunft sich zu nachhaltigem Wirtschaften bekannt hat und nachweislich Maßnahmen zum Umweltschutz und zur Wahrnehmung der sozialen Verantwortung ergreift. Das Tool steht auf der DRV-Webseite unter
green-counter.org kostenfrei zur Verfügung.