Maren Richter, Vorsitzende des BVGD – Bundesverband der Gästeführer in Deutschland e.V.

Ein Gespräch über die Rückkehr zur Normalität im Gästeführerwesen, die neue BVGD-Akademie und die teils schwierige Zusammenarbeit zwischen Destinationen und freiberuflichen Guides.

Frau Richter, nach der Coronakrise kehren Städte und Destinationen zur Normalität zurück – auch das Gästeführerwesen?

Eigentlich ist es das Gegenteil von Normalität! Die Nachfrage nach touristischen Angeboten, also auch nach Gästeführungen, ist so überbordend stark, dass es uns fast wie ein Überfall vorkommt. Einerseits sind die Gäste unglaublich zufrieden, ja glücklich, dass sie wieder unterwegs sein können, um andere Menschen zu treffen und kennen zu lernen. Andererseits werden die Angebote aber doch sicherheitshalber nur sehr kurzfristig gebucht. Es gibt eine große Verunsicherung, was die längerfristige Perspektive angeht. In der Bus- und Gruppentouristik ruckelt es eh, das Fehlen von Arbeitskräften und Routine ist allerorten zu spüren.  Auch das Zusammenspiel von Besuchern und Einheimischen muss sich vielerorts erst wieder finden. Viele hatten sich doch an ihre Stadt ohne Gäste gewöhnt und die Räume entsprechend besetzt. Der Tourismus muss erst wieder seinen Platz finden, und das langfristig. Das wird noch dauern.

Viele Gästeführer haben in der Coronakrise dem Beruf aber auch den Rücken gekehrt. Wie akut ist der Mangel an Gästeführern aktuell?

Da die internationalen Gäste ja noch auf sich warten lassen, fällt der Mangel noch nicht so stark auf. Und ja, es gibt Kollegen, die sich in den vergangenen zwei Jahren umorientiert haben, die einen dauerhaft, die anderen aber nur so lange wie es nötig ist.  Sie wollen dann doch gerne wieder zurück kommen – denn letztendlich ist es ein so interessantes und lebendiges Arbeitsfeld, in dem wir tätig sind. Es macht einfach Freude! Verlässliche Zahlen haben wir aber nicht, es lohnt vielleicht auch noch nicht, diese zu ermitteln, da noch zu viel ungeklärt ist.

Ist es ein Vorteil, dass öfters Gästeführer erst mit viel Lebenserfahrung ihre Berufung finden und Touren durch ihre Stadt anbieten?

Dort, wo man davon leben kann, allen voran in den touristischen Metropolen, gibt es viele hauptberufliche Gästeführer in verschiedenen Altersgruppen. Und Lebenserfahrung hin und her: Sowohl die neben- als auch die hauptberuflichen Gästeführer haben einen großen Bedarf an Schulungen und Weiterbildungsangeboten. Und genau dieses, die Qualifizierung von Gästeführern ist ja das Kernanliegen des BVGD seit seiner Gründung im Jahr 1994. Daher haben wir jetzt einen weiteren Schritt getan und die BVGD-Akademie ins Leben gerufen. Zunächst wird es eine Pilotphase geben, im Jahr 2023 sollen dann viele Qualifizierungsmöglichkeiten angeboten werden. Das Ziel ist, vor allem kleinere Vereine beim Erwerb des BVGD-Zertifikat DIN EN unterstützen. Aber die Veranstaltungen stehen ausdrücklich allen Interessierten – auch unabhängig von einer BVGD-Mitgliedschaft – offen. Veranstaltungen können vom BVGD, von Mitgliedsvereinen, aber auch von externen Dozenten oder Schulungsinstituten angeboten werden.  Die Anbieter organisieren ihre Veranstaltungen virtuell oder in Präsenz komplett selbständig und eigenverantwortlich, legen also Termin, Teilnahmegebühr, Anmeldung etc. fest. Der BVGD stellt die Angebote nach vorheriger Überprüfung dann auf seiner Homepage und bewirbt sie auch. Dabei werden besonders Themen berücksichtigt, die regional eher selten angeboten werden. Von einem Webinar zu Pressearbeit bis zu Steuer-Coachings ist vieles denkbar.

Während der Coronakrise sind Führungen teils auch virtuell angeboten worden. Werden die digitalen Formate bleiben oder geht jetzt alles genauso weiter wie vor März 2020?

Erstmal zeigt die Erfahrung, dass Gäste digitale Angebote gerne zur Reisevorbereitung nutzen oder um sich einen Eindruck zu verschaffen von Orten, an die sie definitiv erstmal nicht gelangen werden. Wenn die Gäste aber vor Ort sind, wollen sie direkt etwas erleben und sehen. Dann zeigen sie sehr wenig Interesse an Apps oder digitalen Führungen. Die Zeit wird zeigen, welche digitalen Touren oder Angebote Bestand haben werden.

Der BVGD hat ein auch ein eigenes Serviceportal gestartet, was genau leistet es?

Seit 2021 baut der BVGD das neue Service-Portal des BVGD auf. Inzwischen stellen 2.800 Guides hier ihre Angebote vor. Unter www.die-gaestefuehrer.de bietet der BVGD damit allen Veranstaltern, Agenturen und Kunden einen einfachen und direkten Kontakt zu ihren Spezialisten und deren Top-Angeboten. Alle Gästeführer im BVGD haben damit eine exklusive, kostenfreie und moderne Präsentationsfläche für ihre Touren und Top-Sehenswürdigkeiten. Das Portal ist völlig provisions- und kostenfrei auch für die Kunden und bietet vor allem eben die Möglichkeit der direkten Kontaktaufnahme.

Was sollten die DMO jetzt tun, um den Restart auch im Bereich der Gästeführungen nachhaltig zu unterstützen?

Da hat sich viel verbessert. Aber die Zusammenarbeit zwischen Destinationen und freiberuflichen Gästeführern ist gelegentlich auch noch schwierig. Wir hören immer wieder von Fällen, in denen Tourismusorganisationen damit drohen, keine Aufträge mehr an die Gästeführer zu vergeben, wenn diese sich selbstständig vermarkten wollen. Die selbstständige Vermarktung von Touren seitens freiberuflicher Führer wird als unliebsame Konkurrenz von z.B. Tourist-Infos gesehen. Da wird richtig Druck aufgebaut. Wir würden uns wünschen, dass Tourismusorganisationen es vielmehr fördern würden, dass ein bunter Strauß an Angeboten entstehen kann.  

(19.05.2022)