Maren Richter, Vorsitzende Bundesverband der Gästeführer in Deutschland e. V. (BVGD) und Leiterin der BVGD-Geschäftsstelle

Ein Gespräch über die diesjährigen Deutschen Gästeführertagung, die Entwicklung der Veranstaltung und die Veränderung des Berufsbildes durch die Digitalisierung

 

Frau Richter, die Gästeführertagung findet jedes Jahr woanders statt: Nach Köln und Potsdam ist es diesmal Straubing. Gibt es einen besonderen Grund für die Wahl der Stadt?

Die Veranstaltung findet tatsächlich schon zum 5. Mal statt, bisher aber unter der Bezeichnung „Deutscher Gästeführertag“. Aber sogar in internen Kreisen kam es immer wieder zu Verwechslungen mit dem „Weltgästeführertag“. Der Weltgästeführertag, der in Deutschland vom BVGD organisiert wird, findet weltweit statt, jedes Jahr am 21. Februar. An diesem Tag bieten Mitglieder besonders für „locals“ ehrenamtlich Führungen an. Und wegen dieser Ähnlichkeit der Begriffe haben wir aus dem „Deutschen Gästeführertag“ eine „Tagung“ gemacht. Und Straubing bietet einen perfekten Rahmen: von den Hotels über attraktive Veranstaltungsräume, bis zum geschichtsträchtigen Umfeld. Gleichzeitig ist Straubing aber mit dem Kompetenzzentrum für nachwachsende Rohstoffe zukunftsweisend aktiv. Und die Politik vor Ort hieß die Deutsche Gästeführertagung sehr willkommen.

Es ist die erste Gästeführertagung, die Sie als Vorsitzende leiten. Wo möchten Sie neue Akzente setzen?

Meine Vorgängerin hat glücklicherweise durchsetzen können, dass aus dem früher nur für Mitglieder zugänglichen Programm rund um die Jahreshauptversammlung ein öffentliches Forum geworden ist. Dieses Forum stößt seit fünf Jahren auf wachsendes Interesse. Die Touristiker nehmen auch am touristischen Programm teil, erleben Gästeführungen an anderen Orten. Ebenso wird aber auch gemeinsam an Inhalten gearbeitet, wie bei den Workshops. Hier treffen sich Gästeführer und ebenso auch Touristiker – und stellen oft fest, dass die Herausforderungen der Zukunft am besten gemeinsam angegangen werden können.

Das BVGD-Tagungsmotto lautet: „Die Kunst des Führens“. Wieso gerade dieses Thema?

Das Motto ist tatsächlich seit mehr als 15 Jahren der Slogan des Bundesverbandes! Wir wollen auf den mit diesem Motto verbundenen Anspruch aufmerksam machen, darauf dass die „Kunst des Führens“ sich immer wieder ändert, dass die Gäste andere Erwartungen haben als vor zwanzig Jahren – und dass wir jenseits aller technischer und digitalen Veränderungen unsere Tätigkeiten immer wieder reflektieren müssen – und wollen! Die Kunst des Führens geht über die eigentliche Gästeführung weit hinaus – sie ist ein Gesamtkunstwerk. Die Kunst beginnt ja beim Entwickeln der Angebote, geht über ein gepflegtes Äußere und hört beim korrekten Rechnungsschreiben noch nicht auf.

Was für Highlights beim Programm kommen auf die diesjährigen Teilnehmer der Tagung zu?

Ursula Lehmann, die Gründungsvorsitzende des Bundesverbandes, wird die Tagung miteröffnen. Sie hat im letzten Jahr das Bundesverdienstkreuz bekommen in „Anerkennung ihrer jahrzehntelangen außerordentlichen Verdienste um die Belange der Gästeführerinnen und Gästeführer in Deutschland sowie für ihre Bemühungen um einen qualitativ hochwertigen, umweltfreundlichen Tourismus.“ Dr. Lars Wohlers wird das oft vernachlässigte Feld der Besucherforschung erläutern. Es wird immer an der Qualität des Angebots gearbeitet. Aber die Frage ist, wie erfahren wir, was die Gäste wirklich wollen. Digitalisierung wird in den nächsten Jahren ganz sicher immer eine Rolle spielen. In diesem Jahr gibt es einen sehr nachgefragten Workshop zu digitalen Erlebnistouren.

Seit einigen Jahren nehmen auch immer mehr DMO teil. Können Sie einen kleinen Rückblick über die Entwicklung geben? Gibt es dieses Jahr besondere neue Aspekte?

Die Entwicklung ist sehr erfreulich und zeigt, dass der Weg der Öffnung der Veranstaltung richtig war. Beim direkten Austausch wird immer wieder deutlich, dass wir im gleichen Boot sitzen. Und bei dem Thema Digitalisierung z.B. ist es nötig, dass alle mitmachen. Die Online-Buchbarkeit ist ja auch für die TI`s ein Riesenthema. Das Verhältnis zwischen den Gästeführervereinen und den DMO`s ist ein ganz anderes geworden als vor zwanzig Jahren. Damals wurde der BVGD manchmal sogar als Gegner angesehen. Immer mehr Tourist Infos wünschen, dass ihre Gästeführer vor Ort sich zusammenschließen und dem BVGD beitreten! Der Bundesverband ist nach wie vor ein wachsender Verband!

30 Jahre Verband der Berliner Stadtführer, 20 Jahre Verein der Gästeführer und Gästeführerinnen im Ruhrgebiet e.V, 10 Jahre Gästeführerverein Garmisch-Partenkirchen e.V.: Wie hat sich die Zusammenarbeit zwischen DMO und den Gästeführern über die Jahre entwickelt?

Das eine ist tatsächlich die Bundesebene, auf der der BVGD tätig ist. Aber die Gästeführervereine sind ja mittlerweile in mehr als 230 Städten und Regionen mit 7300 Gästeführern vertreten, da gibt es viele regionale Unterschiede. Und da ist der Bundesverband durchweg gar nicht involviert. Da sind die Vorstände der regionalen Gästeführervereine oft sehr aktiv mit ihren jeweiligen DMOs vor Ort im Gespräch. Aber ganz allgemein wird auch hier immer wieder festgestellt, dass der Kooperationsgedanke stärker geworden ist.

Wie verändert sich das Berufsbild durch die Digitalisierung?

Das ist schwierig vorauszusagen. Dass die Onlinebuchbarkeit eine zwingende Notwendigkeit ist, ist mittlerweile wohl jedem bewusst. Dass Audio-Guides und Touren-Apps neue Möglichkeiten bieten, ist ebenso klar. Was aber das Berufsbild Gästeführer angeht, da kann man mal beim „Jobfuturomaten“ schauen. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit hat 4000 Einzelberufe auf automatisierbare Tätigkeiten hin untersucht. Dieser „Jobfuturomat“ sieht in dem Berufsbild Gästeführer vier Tätigkeiten: Animation, Gruppenreisen, Gruppenbetreuung und Führungen. Diese werden als „wenig automatisierbar“ eingestuft. Da können wir uns recht sicher sein, dass eine professionelle und unterhaltsame Gästeführung nicht ersetzbar sein wird. Zumindest in den nächsten 50 Jahren ist der professionelle Guide vor Ort ein wichtiger Teil des Erlebnisses.