Lotte Konietzny, Geschäftsführerin RED Online Marketing Deutschland & Niederlande

Die Niederlande sind für viele deutsche Regionen der wichtigste ausländische Quellmarkt. Weil unsere Nachbarn teilweise aber anders ticken als wir, müssen Onlinekampagnen anders gestaltet sein. Ein Gespräch über die Urlaubsvorlieben der Niederländer, ihr Medienverhalten und wie man auch als kleinere Destination erfolgreich seine Zielgruppen anspricht.

Fotograf: www.davidlok.nl

Frau Konietzny, RED Online Marketing ist als Agentur mit Hauptsitz in Utrecht Spezialist für den niederländischen Markt. Was unterscheidet die Niederlande als Werbemarkt von Deutschland?

Die Niederlande sind als Gesellschaft in vielen Bereichen schon deutlich digitaler unterwegs als man das aktuell in Deutschland ist. Reisen werden grundsätzlich online gebucht. Entsprechend spielt auch die Inspirationsphase im Internet eine viel größere Rolle, was dazu führt, dass niederländische Unternehmen anderen europäischen Mitbewerbern hinsichtlich ihres Onlinemarketings ein Stück voraus sind. In einem geografisch gesehen kleinen Land wie den Niederlanden gibt es deshalb einen enorm großen Wettbewerb im Netz und im Social Web, um die bekanntermaßen sehr reisefreudigen Niederländer auf seine Seite zu ziehen. Gleichzeitig sind die Niederlande ein überschaubarer, regionaler Markt. Allein In NRW leben deutlich mehr Menschen.

Was bedeuten diese Unterschiede konkret für die Planung und Umsetzung von Kampagnen?

Erst einmal kann man ganz simpel feststellen, dass Online-Marketing in den Niederlanden das Mittel der Wahl ist, um seine Zielgruppen zu erreichen – auch für Kampagnen mit kleineren Budgets übrigens. Denn es kommt nicht nur aufs Geld an, sondern auf die richtige Strategie. Wer zum Beispiel weiß, mit welchen Keywords sehr große Unternehmen oder Destinationen unterwegs sind, kann seine Kampagne so anpassen, dass man nicht ausgerechnet mit denselben Schlagworten unterwegs ist. Mit Kreativität lassen sich immer smarte Alternativen finden. Dann sollte man natürlich unbedingt bei seinen Kampagnen auf die kulturellen Eigenheiten der Niederländer achten. Niederländer mögen es nicht, wenn man um den heißen Brei herumredet. Die Ansprache darf deshalb auch in der Werbung direkter sein als in Deutschland. Was in Deutschland vielleicht als zu aufdringlich wahrgenommen würde, kann in den Niederländen zu mehr spontanen Abschlüssen führen.

Was ist noch zu beachten?

Natürlich muss man auch ganz klassisch die verschiedenen Ferienzeiten der niederländischen Regionen kennen, um für seine Kampagnen Buchungsanreize zum richtigen Zeitpunkt zu setzen.  Und da sich die Ferienzeiten von den deutschen unterscheiden, bieten sich hier ideale Gelegenheiten für deutsche Anbieter oder Urlaubsregionen, für der Vor- und Nachsaison gezielt um niederländische Gäste zu werben. Ebenfalls wichtig: Social Media hat in den Niederlanden viel höhere Reichweiten und viele Channel genießen eine hohe Glaubwürdigkeit. Man muss also die Social Media-Landschaft sehr gut kennen, um seine Kampagnen entsprechend optimieren zu können. Nicht zu vergessen: Viele Niederländer sind Individualisten, vertrauen Bewertungen, und reisen gerne und viel mit dem Wohnmobil. Auch hier unterscheidet sich die Herangehensweise bei der Onlinewerbung deutlich: Während der deutsche Gast alles über seine Parzelle und den Platz wissen möchte – Stromanschluss, Quadratmeter, Waschgelegenheiten usw. –, interessiert Niederländer eher, was es drumherum zu erleben gibt. Und Corona-Schutzmaßnahmen oder Reisen mit Hund sind für Niederländer keine großen Themen.

Die Niederlande sind für sehr viele deutsche Destinationen der wichtigste ausländische Markt: Welche Trends könnte man aktuell nutzen, um auf sich aufmerksam zu machen?

Zum einen gibt es einen klaren Trend hin zum Einsatz von mehr Bewegtbild und Videoclips. Der Erfolg von TikTok hat dafür gesorgt, dass sich auch die anderen Plattformen in Richtung Shorts entwickeln. Visuelle, emotionale Inhalte schlagen aktuell Werbung mit hohem Textanteil deutlich. Wer sich aber auf dieses Feld begibt, der muss es richtig machen! Im Video müssen dann auch die richtigen Zielgruppen zu sehen sein, nicht irgendwer! Unser Rat: Lieber einen oder zwei eigene Accounts weniger, diese dann aber wirklich gut machen – inklusive schnellem Reagieren auf Kommentare, Fragen usw. Community-Management ist elementarer Bestandteil der Onlinearbeit. Den zweiten großen Trend, den wir derzeit sehen, ist eine Verschiebung der Marktanteile hin zu günstigeren Reisen. Die Preise steigen auch in den Niederlanden, viele Menschen sind preissensibler geworden. Als Konsequenz dürften Nahziele wie Deutschland zu den Gewinnern zählen, während teure Fernreisen Marktanteile verlieren dürften.

RED hat einen Zweitsitz in Köln – mit welchen Schwerpunkten arbeitet ihr dort?

Der Standort Köln macht es deutschen Kunden leichter, mit uns in Kontakt zu treten. Unser Credo lautet, dass wir die Welt der Verbraucher und unsere Kunden so gut wie möglich kennen wollen. Nur, wenn man die Sprache spricht und die Kultur kennt, versteht man den Gast wirklich und ist über Trends und aktuelle Themen im Bilde. Gerade die Corona-Krise hat deutlich gezeigt, wie unterschiedlich die Regelungen, aber insbesondere die Stimmung in den einzelnen Ländern war. Deshalb besteht unser Team in Köln aus deutschen Online-Spezialisten und Beratern. In Utrecht wiederum arbeiten die niederländischen Experten. Der kontinuierliche Austausch der Teams macht uns als Agentur täglich besser. Für niederländische Kunden platzieren wir Kampagnen übrigens schon seit sieben Jahren in Deutschland. In Zukunft wollen wir auch für die DMOs zwischen dem Bodensee und Binz nicht nur als Experten für Reisekampagnen in den Niederlanden wahrgenommen werden, sondern auch auf dem deutschen Medienmarkt unsere Expertise zeigen. Nicht zuletzt macht unsere Dependance in Köln die Teilnahme an Ausschreibungen in Deutschland einfacher.

Mit Blick auf 2023: Wie wird sich der Onlinemarkt entwickeln und was sollte man als Reiseregion im Auge behalten?

Als Region sollte man versuchen, die wichtigsten Trends nicht zu verpassen. Dass TikTok jetzt zum Beispiel auch als Suchmaschine funktioniert, bringt viel Bewegung in den Markt. Auch das Thema Personalisierung gewinnt weiter an Relevanz. DMOs müssen also immer weiter ihre Zielgruppen schärfen und gelaufene Kampagnen analysieren. Das ist wahrscheinlich sogar der effizienteste Weg, schnell viel zu lernen.

Letzte Frage: Worauf sollten sich kleinere Destinationen mit wenig Budget beim Online-Marketing fokussieren, um Reichweite für Ihre Themen zu bekommen?

Das für Kunden Entscheidende ist, dass sie nach einem Klick auf einer guten Website landen. Dort müssen dann die Informationen zu finden sein, die in der Kampagne beworben werden – keine Allgemeinplätze. Das Ziel der Kampagne muss als mit der Landingpage matchen und diese zur Zielgruppe passen. Darüber hinaus verfügen DMOs über ziemlich viele Daten, die sie auswerten können. Teils haben auch kleinere Destinationen bis zu zehn digitale Systeme im Einsatz, die Daten liefern, die auch für Online-Kampagnen genutzt werden können. Nicht zuletzt sollte man schauen, was es da draußen am Markt vielleicht auch an kostenlosen Tools wie Hotjar gibt, die einem die Arbeit mit Daten erleichtern.


(20.12.22)