Josef Sommer, Geschäftsführer KölnTourismus GmbH

Ein Gespräch über den Städtetourismus im Wandel, ein Rückblick auf fast 20 Jahre an der Spitze der KölnTourismus GmbH und ein persönliches Fazit des Erreichten im Zusammenspiel mit den Akteuren der Dom-Metropole

 

Herr Sommer, wenn Sie KölnTourismus zum Jahresende verlassen und in den verdienten Ruhestand gehen, endet eine Ära, wie es wenige im Tourismus gibt. Wie wichtig ist Konstanz für die touristische Arbeit?

Konstanz heißt in der Zusammenarbeit Verlässlichkeit und Berechenbarkeit, vielleicht auch Geduld und Beharrlichkeit. Das sind wichtige Merkmale für Erfolg. Aber genauso wichtig wie Konstanz ist, dass man in seiner Arbeit einen Roten Faden hat.

 

Was war ihr Roter Faden?

Ich habe zu Beginn in Österreich in fast allen Tourismusbereichen Erfahrungen sammeln können – von der Restaurantküche über den Service im Hotel, im Tourist Office sowie im Reisebüro. Bei allem stand immer der Gast oder Kunde im Fokus. Dass man sich also um seinen Gast gerne kümmern muss, um erfolgreich zu sein, das habe ich mir immer beibehalten. Der Servicegedanke ist also wahrscheinlich mein Roter Faden. Als ich bei KölnTourismus angefangen habe, hatte ich bereits mehr als 20 Jahre berufliche Erfahrung an den unterschiedlichsten Orten der Welt mit mehrjährigen Stationen in Amerika, in Hamburg, Stuttgart und zuletzt in Köln als Außenstellenleiter der Österreich Werbung. Ich habe hier von Anfang an viel Offenheit und Vertrauen gespürt, wahrscheinlich auch, weil ich die Stadt schon kannte. Und ich habe die Stadt von Anfang an geliebt, von daher war es für mich ein großes Glück, dass ich bleiben konnte.

 

In Österreich hat der Tourismus traditionell einen viel höheren Stellenwert als Deutschland. Was hat damals in Köln gefehlt?

Dass etwas gefehlt hat, würde ich so nicht sagen wollen. Das wäre vermessen. Das hiesige Verkehrsamt hatte eine 100-jährige Tradition, wurde von Konrad Adenauer gegründet. Das Bewusstsein für Köln als Reise- und Pilgerziel war damals schon da. Es war eher die Haltung. Man meinte zu sehr, dass die Gäste sowieso kommen würden, selbst wenn man nur das Allernötigste im Marketing macht. Man sah das in meinen Augen etwas zu leicht. Ich wusste aber sofort, was hier aufgrund der Mentalität der Menschen für ein großes Potential liegt. Die Kölner gehen auf Menschen zu, haben Interesse und sind hilfsbereit. Deswegen bleibe ich auch nach meinem Ausscheiden im Rheinland wohnen.

 

Für was stand Köln touristisch zu Ihrer Anfangszeit, für was steht es heute?

Früher lag der Fokus eher auf dem Leisure-Bereich: also auf den Themen Dom, Rhein und Museen. Es wurden häufig klassische Attribute im Marketing verwendet. Heute forcieren wir auch Themen wie urbanes Lebensgefühl, Kunst und Kreativszenen oder Genuss bei dem Schwerpunkt Culinary Cologne und sind damit viel segmentierter bei den Themen unterwegs. Auch ist Köln im MICE-Bereich inzwischen eine führende Destination in Deutschland. Diese Entwicklung wurde von der Arbeit unseres 2008 gegründeten Cologne Convention Bureau maßgeblich unterstützt. Vorher gab es nur eine Kongressabteilung mit bescheidenen Mitteln und einem einzigen Mitarbeiter. Wenn ich mir die Übernachtungszahlen anschaue, dann hatten wir in meinem ersten Jahr rund drei Millionen, dieses Jahr werden wir bei 6,4 Millionen landen. Diese Entwicklung ist schon grandios.

 

Auf welche Faktoren führen Sie dieses Wachstum zurück?

Der Städtetourismus boomt seit vielen Jahren. Es gab nur wenige Rückschläge. Wobei zum Auftakt meiner Zeit hier gleich die Terroranschläge vom 11. September 2001 in New York waren. Damals hingen über Tage große amerikanische Gästegruppen in Köln fest. Die Flieger gingen nicht mehr zurück, die Menschen hatten Angst. Diese Verunsicherung hielt sich speziell in den USA noch eine ganze Weile, Amerikaner und andere internationale Gästegruppen stiegen weniger ins Flugzeug. Das machte sich bis 2003 in unserer Statistik deutlich bemerkbar. Auch die Finanzkrise 2009 war ein Dämpfer für unser Geschäft.
Aber zu den Erfolgsfaktoren: Hier spielt der Flughafen Köln-Bonn mit seiner Positionierung im Low-Cost-Segment eine wichtige Rolle. Easyjet und Eurowings starteten hier ihren Siegeszug und machten Köln sehr gut erreichbar für neue Kundengruppen aus Deutschland und Europa. Das konnten wir im Marketing mit Hilfe unterschiedlichster Partner gut nutzen. Für unsere Fernmärkte wiederum ist der Frankfurter Flughafen zentral. Deutschlands größtes internationales Drehkreuz liegt gerade mal eine Stunde mit dem ICE vom Kölner Hauptbahnhof entfernt. Diese Nähe haben wir im Marketing immer als eine lohnende Gelegenheit für einen Abstecher kommuniziert. Heute kommt rund ein Drittel unserer Gäste aus dem Ausland, zwei Drittel aus dem Inland.

 

Wenn Sie zurückblicken: Was hat die Arbeit in Köln besonders gemacht?

Oh, wo soll ich da anfangen (lacht)? Ich denke das Schöne war hier, dass man hier etwas voranbringen konnte. In Köln war man offen für neue Ideen. Die enge Verzahnung mit dem Low-Cost-Segment im Flugbereich hatte ich hier schon angesprochen, aber auch damals der Umbau der Tourist-Information hier am Dom zu einem echten Service-Center mit Merchandising und Ticket-Shop war ein Meilenstein. Dafür habe ich seinerzeit sehr unkompliziert drei Millionen Euro bekommen. Das wäre heute mit der ganzen Bürokratie viel schwieriger. Die Politik ist bei allem vorsichtiger geworden, gerade bei größeren Investitionen.

 

Was waren ihre persönlichen Höhepunkte?

Sicherlich die Spotlight-Events, also Veranstaltungen wie die Fußball-WM 2006 im eigenen Land. Da hat die Welt auf Köln geschaut. Wir hatten bei uns damals fünf Spiele. Und was bis heute nachwirkt ist, dass der brasilianische Fußballverband hier seinen Standort hatte. Auch die ganzen brasilianischen Fan-Gruppen waren hier. Die Atmosphäre, diese Emotionen – das passte perfekt zu unserem Claim „Köln ist ein Gefühl“. Und weil die Brasilianer in ihrem Selbstverständnis davon ausgingen, dass sie Weltmeister werden, hatten die meisten ihre Zimmer in Köln durchgebucht. Am Ende war für sie im Viertelfinale Schluss und Italien holte den Titel. Aber diese positive Verbindung nach Brasilien und in die dortigen Reisebüros besteht nachhaltig. Auch der Weltjugendtag der Katholischen Kirche 2005 mit hunderttausenden jungen Menschen und dem Papstbesuch oder die Eishockey-WM 2017 waren besondere Phasen meiner Zeit bei KölnTourismus.

 

Wenn Sie etwas rückblickend anders machen könnten, was wäre das?

Jetzt kommt also der schwierige Teil des Gesprächs (lacht). Ich würde bei meiner Arbeit den Fokus noch mehr auf die vielen verschiedenen Stakeholder in der Stadt richten. Letztlich sind es die Hoteliers, die Museen, die Gastronomen und die vielen Freizeitanbieter und die hier lebenden Menschen wegen denen die Gäste kommen. Um dieses lokale Netzwerk würde ich mich stärker kümmern und die Akteure noch stärker wertschätzen. Aber weil es so viele sind, und immer neue dazukommen, gerade auch im Szene-Bereich, ist das Binnenmarketing eine immens große Aufgabe, die wir mit vereinten Kräften heute aber gut lösen.

 

Wie hat sich die Arbeit als Organisation über die Jahre verändert?

Zunächst will ich sagen, dass die Kernleistungen im Tourismus analog sind – und bleiben werden. Die Kundenzentrierung muss immer im Fokus stehen. Was sich verändert hat, ist die Netzwerkarbeit. KölnTourismus ist heute mit viel mehr Themen verwoben als früher. Wirtschaftliche Aspekte spielen inzwischen genauso eine Rolle wie soziale, verkehrstechnische und friedensstiftende. Was sich auch verändert hat, ist das Marketing: Früher haben wir einfach Anzeigen geschaltet und die Streuverluste mussten in Kauf genommen werden. Heute schauen wir sehr genau auf unsere Zielgruppen und spielen Content dort aus, wo er tatsächlich wahrgenommen wird. Auch messen wir den Erfolg jeder Kampagne. Doch trotz all dieser Bemühungen kann man es allein nicht schaffen.

 

Wie schafft man es dann?

Dafür braucht es mehr denn je ein echtes Partnermanagement. Denn viele Akteure sind letztlich mit derselben Aufgabe unterwegs – Gäste von Köln zu überzeugen.  Also schwärmen wir möglichst koordiniert aus und tun uns zusammen. Wir als KölnTourismus werben also vielleicht mit der Eurowings gemeinsam in Spanien, die Köln-Düsseldorfer Rheinschifffahrt geht dafür nach Brasilien. Was eine Organisation aber vielleicht am Stärksten verändert, sind die Menschen, die in ihr arbeiten. KölnTourismus hat heute rund 100 Mitarbeiter. Die älteren haben viel Erfahrung, kennen die Themen und die Wege innerhalb der Organisation und der Stadt sowie bei Prozessen. Die jüngeren wiederum, also die neuen, bringen frische Ideen mit. Ideen, die uns nicht nur bei der Digitalisierung weiterbringen. Der Blick auf die Themen ist von Generation zu Generation ein anderer. So ist alles immer in Bewegung. Und ich bin immer wieder beeindruckt, wie gut ausgebildet und mit wie viel Vorwissen die jungen Leute sich bei uns bewerben. Lebensläufe mit so vielen Stationen gab es vor 20, 30 Jahren nicht. Von diesen Qualifikationen profitieren wir heute. In dem Zuge bin ich übrigens sehr froh, dass wir aus dem Verkehrsverein im Jahr2004 eine GmbH machen durften. So konnten wir neue qualifizierte Mitarbeiter einstellen.

 

Sehen wir Sie nach Ihrer Zeit bei KölnTourismus noch einmal im Tourismus wieder?

Ich will das nicht ganz ausschließen. Es ist aber eher unwahrscheinlich, denn zuerst stehen private Dinge auf meiner Agenda.