Ines Hanisch-Lupaschko, Geschäftsführerin Tourismusverband Erzgebirge e.V.

Ein Gespräch über das Erzgebirge als UNESCO-Welterbe, die Chancen für den Tourismus und was der Titel für die Menschen der Region und die Leistungsträger bedeutet

 

Frau Hanisch-Lupaschko, die UNESCO hat die Montanregion Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří im zweiten Anlauf zum Welterbe erklärt, das historische Bergbaugebiet ist damit von universellem Wert. Was bedeutet dieser Titel der Region und den Menschen?

Das ist für die gesamte Region ein großer Erfolg. Es erfüllt die Menschen hier mit Stolz. Für uns als Verband und natürlich für unsere Mitglieder ist dieser begehrte Titel eine Chance, durch die Vielfalt der Montanregion einen nachhaltigen Tourismus zu gestalten und in der Region neue Entwicklungsimpulse zu setzen.

 

Geben Sie uns bitte einige Beispiele, was nun alles genau passiert.

Bereits im Vorfeld der UNESCO-Entscheidung gab es die Kampagne „#erzklopfen“, die wir gemeinsam mit dem Verein Welterbe Montanregion Erzgebirge e.V. initiiert haben. Ziel war es, den Menschen vor Ort zu signalisieren, dass hier gerade etwas Bedeutendes zur Entscheidung ansteht. Und man hat auch tatsächlich gemerkt, wie hier überall mitgefiebert worden ist. Dieser Prozess wird nun am 14. September mit der Übergabe der Urkunde gekrönt. Ein Erfolg, der von den Menschen im Erzgebirge mitgetragen wird. Das ist deshalb besonders wichtig, weil es die unbedingte Voraussetzung für den Erfolg der Ideen ist, die wir jetzt haben. Denn eine Destination wie das Erzgebirge lebt von der Authentizität und den damit eng verbundenen Erlebnissen. Die Herausforderung ist nun, auch die assoziierten Objekte so an die 17 sächsischen Welterbe-Bestandteile anzubinden, dass daraus ein Gesamterlebnis wird, von dem Gäste wie Leistungsträger profitieren. Ein weiterer wichtiger Punkt für uns ist die Stärkung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit den fünf tschechischen Bestandteilen der Welterbestätte Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří.

 

An welche Produkte denken Sie hier konkret?

Die Möglichkeiten sind vielfältig. Wir haben einerseits die Besucherbergwerke und die Bergstädte mit ihren historischen Innenstädten und Sakralbauten. Andererseits sind wir auch eine Erlebnisregion, die viele Radfahrer, Wanderer und Wintersportler anzieht. Ganz konkret schauen wir nun beispielsweise, welche bereits bestehenden Routen und Wege für Wanderer und Radfahrer das Welterbe kreuzen. Auf unserem Qualitätswanderweg „Kammweg Erzgebirge-Vogtland“ oder den Strecken des „Stoneman Miriquidi“ gibt es bereits viele Berührungspunkt mit dem Welterbe. Hier soll das Naturerlebnis mit dem Wissen um das Welterbe ergänzt und thematisch aufgewertet werden. Die Wissensvermittlung spielt in einer Welterberegion immer eine besondere Rolle. Die Menschen, die sich bei uns einmal für das Angebot „Wandern im Welterbe“ entscheiden, werden also viel über die heimischen Traditionen, die Geschichte etc. erfahren – und sie erwarten das auch.

 

Haben Sie sich im Vorfeld mit anderen deutschen Welterberegionen ausgetauscht. Und wenn ja, was für Erkenntnisse haben Sie dort im Vorfeld gewinnen können – evtl. sogar, wie sich so ein Titel auf die Gästezahlen auswirkt?

Natürlich stehen wir diesbezüglich mit anderen Regionen in Kontakt. Aber jedes Welterbe ist anders. Und vor allem sind Einzelstätten wie der Naumburger oder der Kölner Dom nicht vergleichbar mit einer Flächenregion. Und bei uns im Speziellen kommt noch der grenzübergreifende Aspekt dazu. Vielleicht noch am ehesten vergleichbar ist unsere Region mit dem Welterbe Oberes Mittelrheintal. Auch hier ist eine ganze Landschaft die zu vermarktende Kulturregion, welche seit 2002 unter dem UNESCO-Titel erlebbar gemacht wird. Auch dort stand zuerst im Vordergrund, die Menschen in der Region mitzunehmen, um eine hohe Identifikation mit diesem Titel zu erreichen. Nur so entsteht Nachhaltigkeit. Das haben wir uns also im Vorfeld genau angesehen und Impulse geholt.
Zu den Gästezahlen: Wie sich diese bei uns durch den Titel entwickeln werden, kann man seriös nicht sagen. Aber natürlich erhoffen wir uns eine spürbare Steigerung und Aufwertung in der Gästewahrnehmung. Es geht uns übrigens gar nicht primär um eine Steigerung der Übernachtungszahlen. Wir haben mehr als drei Millionen Übernachtungen jährlich, hatten ordentliche Steigerungen in den vergangenen Jahren. Dieses Niveau zu stabilisieren und jetzt neue, welterbeaffine Zielgruppen anzusprechen, steht eher im Vordergrund. Wir fokussieren also qualitatives Wachstum.

 

Wie gut kann man neben einem solchen Titel und der Fixierung auf das Bergmännische überhaupt noch weitere Themen anbieten – und wenn ja, welche?

Wir werden das Prädikat „UNESCO-Welterbe“ selbstverständlich in unsere Marketingstrategie bzw. unser Produktportfolio einbinden. Dabei spielen die Objekte selbst, unsere touristischen Partner und die Bewohner eine große Rolle. Nur gemeinsam können wir emotionale und authentische Angebote mit einem Mehrwert für unsere Gäste schaffen. Unser Anliegen ist und bleibt es, die Angebote mit einem Erlebnis zu verbinden, Wissen über die Bestandteile, die Region, die Menschen, ihr Lebensgefühl und ihren Traditionen zu vermitteln. Kurzum: emotional und authentisch. Oder anders gesagt: Erlebnisheimat Erzgebirge.

 

Das Erzgebirge ist nach Dresden die Top-Reiseregion in Sachsen. Woher kommt dieser Erfolg?

Das Erzgebirge lebt von seinen vielfältigen Angeboten und auch davon, dass es schon viele qualitative Ganzjahresangebote gibt. Dazu wissen wir aus der Marktforschung schon sehr gut, wer zu uns kommt und steuern unsere Kampagnen entsprechend. Wo wir auch schon recht weit sind, ist die Kundenorientierung unserer Produkte und Leistungsträger. Und obwohl wir natürlich immer auf die Gesellschafts- und Reisetrends schauen, stellen wir  auch unsere Traditionen ins Schaufenster, also das traditionelle Handwerk und das Bergmännische. Das haben wir auch schon vor dem UNESCO-Titel so gelebt.

 

Was gibt es abgesehen vom Welterbe für Themen, die Sie gerade beschäftigen?

Das Spannende ist ja, dass durch den Titel viele neue Themen aufkommen. Ich nenne mal den verstärkten Wissenstransfer, den wir nun zeitgemäß und innovativ anbieten möchten, die Produktentwicklung und die Vernetzung der Akteure vor Ort. Was uns darüber hinaus beschäftigt sind die Themen Mobilität und Besucherlenkung. Als ländliche Region müssen wir uns immer fragen, wie kommen unsere Gäste eigentlich in Zukunft zu uns – und wie bewegen sie sich hier?
Nicht zu vergessen, 2020 stehen im Erzgebirge noch zwei Weltmeisterschaften im Wintersport an. In Altenberg findet die Skeleton Weltmeisterschaft statt. Oberwiesenthal erwartet die internationalen Teilnehmer der FIS Nordic Junior + U23 Cross-Country Ski-Weltmeisterschaft. Zwei sportliche Highlights, die uns die Möglichkeit geben, noch einmal mehr Aufmerksamkeit zu erzielen.