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Aussendung vom 15.08.2016

Interview der Woche

Zeiner rund

mit Dr. Manfred Zeiner, Geschäftsführer dwif-Consulting GmbH München

Ein Gespräch über Masterpläne, EU-Fördermittel für deutsche Tourismusregionen, und wie neue EU-Richtlinien den Aufbau ganzer Organisationen infrage stellen.

 

Herr Zeiner, als Beratungsfirma unterstützen Sie Regionen wie das Saarland, das Sauerland und den Thüringer Wald. Wobei helfen Sie den Verkehrsämtern, Verbänden oder Landesmarketing-Organisationen?

Zeiner: Wir helfen bei touristischen Entwicklungs-Konzepten, um Weichenstellungen vorzunehmen. Wir schauen zum Beispiel, wie sich der Tourismus in einer Region in den nächsten fünf Jahren entwickeln soll – und welche Akteure daran beteiligt sein müssten. Wir identifizieren zusätzliche Angebote, die sinnvoll sein könnten. Auch die Ermittlung von Nachfragepotenzialen für bestimmte Einrichtungen gehören zum Portfolio. Aber wir schauen gar nicht immer nur nach vorne: Wir decken auch infrastrukturelle Defizite auf, etwa in den Bereichen Service und Organisation. Und all das hat je nach Region unterschiedliche Schwerpunkte. Im Kern geht es aber meist darum, Politik und andere Akteure davon zu überzeugen, dass sich Investitionen in das touristische Angebot für die Region lohnen.

 

Mit was für Daten arbeiten Sie, wenn sie die für eine Analyse wichtigen Benchmarks erheben?

Zeiner: Über das Nachfrageverhalten von Touristen allgemein, Übernachtungszahlen oder das Volumen an Tagestouristen gibt es zahlreiche Untersuchungen. Grundlagenforschung, die wir übrigens oft selbst bei uns im Hause im Auftrag von Bund und Ländern durchgeführt haben. Für die DZT zum Beispiel befragen wir über den Qualitätsmonitor Deutschland-Tourismus seit 2007 regelmäßig Gäste in ganz Deutschland zu ihrem Verhalten und zur Zufriedenheit. Allein dafür wurden bis heute 120.000 Interviews geführt. Das sind mächtige Datensätze, die regionale Spezifika schnell aufdecken. Das sind belastbare Informationen. Dazu bekommen wir über unsere Betriebsvergleiche im Gastgewerbe auch noch Rohdaten aus den touristischen Betrieben, die wir zielgerichtet aufbereiten können.

 

Zählt als Interview auch der Fragezettel, den ein Gast am Ende seines Urlaubs hoppla hopp an der Rezeption ausfüllt?

Zeiner: Nein. Das sind professionelle Interviewer, die ganz gezielt nach Vorgabe in ausgewählten Orten mit Gästen unterschiedlichster Couleur ein zirka 30-minütiges Gespräch führen. Diese großen Marktforschungsaktivitäten sind Kernbestandteil der Arbeit. Die unterschiedlichen Bedürfnisse
in- und ausländischer Gäste kann man so wunderbar herausarbeiten.

 

Beratungsfirmen sind häufig an Masterplänen beteiligt. Warum können Geschäftsführungen das nicht alleine?

Zeiner: Theoretisch könnten das manche. Aber wenn sie sich die Personalstärke von diesen meist schlanken Organisationen ansehen, dann sind derartige Konzepte on top nicht zu leisten. Die Mitarbeiter werden auch nicht dafür bezahlt, in anderen Teilen der Republik Interviews zu führen und Benchmarks zu erheben, sondern ihr Alltagsgeschäft zu organisieren. Outsourcing macht hier absolut Sinn, bevor man sich das ganze Know-how für einen so spezialisieren Vorgang selbst aneignen muss.

 

Welche Rolle spielt bei all dem die Bewilligung von EU-Mitteln? Braucht man da eine externe Beratung schlichtweg auch zur Bestätigung seines Konzepts, um an Fördermittel zu gelangen?

Zeiner: Ja. Es gibt entsprechende Förderrichtlinien auf Bundes- und Länderebene. Und die besagen ganz klar, welcher Masterplan mit welchen Themen für welche Förderung vorgelegt werden muss. Denn es nützt nichts, wenn zwei aneinandergrenzende Orte mit ähnlichen Voraussetzungen eigene Konzepte vorlegen, wenn diese dem übergeordneten Konzept der Destination völlig entgegenlaufen. Bei Fördermitteln geht es um sinnvolle Abstimmung. Das ist die Logik dahinter.

 

Was sind derzeit die größten Herausforderungen für touristische Regionen in Deutschland?

Zeiner: Eine große Baustelle ist die entstandene Unsicherheit bei vielen aufgrund neuer EU-Richtlinien. Nicht nur beim EU-Beihilfe- und Vergaberecht. Jahrelang hat man allen gepredigt, sie müssten die privaten Akteure und Leistungsträger vor Ort mit in die eigene Organisation einbinden. Und jetzt steht das alles auf dem Prüfstand. Die wirtschaftliche Tätigkeit von Destinationsorganisationen ist stark limitiert worden. Fördergelder geraten jetzt schnell ins Zwielicht der Privatwirtschaft Konkurrenz zu machen. Der rechtliche Rahmen hat sich so stark verändert; mancherorts rüttelt das an den Grundfesten.

 

Wenn eine Destination genau mit diesen Herausforderungen umgehen muss, wie können Sie konkret helfen?

Zeiner: Wir würden zunächst die Situation tiefgreifend analysieren. Dann müssten Fachjuristen, mit denen wir seit langem vertrauensvoll zusammenarbeiten prüfen, was von dem Bestehenden kompatibel mit neuem Recht ist. Wir würden also die Probleme aufzeigen. Und wir würden Lösungen aufzeigen, um sich gegen Klagen zu wappnen.

 

Was macht das touristische Geschäft so komplex?

Zeiner: Im Tourismus hat man es mit der Schnittmenge vieler Branchen zu tun. Touristen fahren irgendwo hin und bleiben dort für eine Weile. Dieser ganze Prozess umfasst von medialen Dienstleistungen für die Informationsbeschaffung über die Anreise mit verschiedensten Verkehrsmitteln und Dienstleistern bis zur Beherbergung, Gastronomie und Freizeit-Einrichtungen viele Disziplinen. Man hat es im Tourismus nicht mit einer einzigen Branche, sondern mit der ganzen Klaviatur der Wirtschaft zu tun. Dazu kommt: Die Bedürfnisse der Gäste müssen mit denen der Einheimischen abgestimmt sein.

 

Wo endet ihre Arbeit?

Zeiner: Neben der Analyse und den daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen, begleiten wir auf Wunsch auch noch die Umsetzungsphase. Wir können das Umsetzungs-Management auch mit den Akteuren vor Ort gemeinsam leisten.

 

Und wenn es am Ende nicht klappt, dann waren die Berater schuld?

Zeiner: Das würde ich so nicht sagen, denn leichtfertig wird jedenfalls nichts von uns empfohlen. Und umsetzen müssen die Akteure vor Ort die Empfehlungen schon selbst.

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Aussendung vom 08.08.2016

Interview der Woche

B&B_frei

… mit B&B-Geschäftsführer Mark Thompson

Ein Gespräch über das Potential von Budgethotels, wie man mit Direktbuchungen unabhängiger von Booking.com bleibt und den Plan, in Deutschland jeden Monat mindestens ein neues Haus zu eröffnen. 

 

Herr Thompson, wo sehen Sie die Potentiale, um in Deutschland weitere Budgethotels neu zu eröffnen?

Thompson: Das Potential in Deutschland ist riesig. Deutschland ist der größte Businessmarkt Europas, es ist der größte Standort für Messen und der zweitgrößte Kongressmarkt weltweit. Wenn man dem gegenüberstellt, dass wir und Motel One zusammen in Deutschland rund 130 Hotels haben, und B&B in Frankreich mit 251 Häusern nur die Nummer vier im Markt ist, ist das Potential gewaltig. In Großbritannien zählen Premier Inn und Travelodge zusammen rund 1200 Hotels, während Marken in unserem Segment im deutschen Markt unterrepräsentiert sind, denn rund 90 Prozent der mit uns im Wettbewerb stehenden Hotels sind in Deutschland nicht markengebunden.

 

Sieht PAI Partners als der neue Eigentümer der B&B-Hotels die Entwicklung in Deutschland ähnlich positiv?

Thompson: Ja. Wir sehen in Deutschland, wo wir in den vergangenen sechs Jahren bereits von 31 auf 84 Hotels gewachsen sind, das größte Potential. Unsere und die Absicht unserer neuen Eigentümer ist es, in Deutschland mindestens ein Hotel im Monat neu zu eröffnen – und nach Möglichkeit auch mehr.

 

Lüneburg und Halle/Saale, einige der Standorte Ihrer neuen Hotels, sind nicht unbedingt als Kongressstädte bekannt. Die touristische Klientel haben Sie bislang nur am Rand angesprochen.

Thompson: Historisch sind wir auf der Businessschiene groß geworden. Aber wir sehen auch das immense Wachstum bei Kurz- und Städtereisen in Deutschland. Diese Gäste suchen oft keine Full-Service-Hotels, aber Sauberkeit, Verlässlichkeit und ganz allgemein einen guten Standard für einen ansprechenden Preis. Daher schauen wir seit zwei oder drei Jahren nicht mehr ausschließlich auf die Großstädte, in denen die Entwicklung rasant ist. Die B-Märkte – in Deutschland gibt es zum Beispiel 24 Städte mit mehr als 1 Million Übernachtungsgästen im Jahr – sind für uns genauso attraktiv, auch wenn wir hier eher den Kurzurlauber als den Businessgast beherbergen. Wir können das auch an der Auslastung dieser Häuser an den Wochenenden feststellen.

 

Können Sie hier ein Beispiel nennen?

Thompson: Kaiserslautern ist ein gutes Beispiel. Das ist kein Top-Touristenziel, aber wir verzeichnen hier eine der besten Auslastungszahlen bundesweit. Das ist ein guter Mix aus Businessgästen und Touristen. Und genau das bestätigt uns in dem Bestreben, weiterhin nicht Hotels mit 500 Zimmern zu bauen, sondern in einer Größe, mit der wir in lokalen Märkten gut zurechtkommen und die wir in diesen lokalen Märkten auch füllen können.

 

Immer wieder gibt es Ankündigungen, dass weitere Budgethotelmarken in Deutschland Einzug halten könnten. Macht Ihnen das Sorgen?

Thompson: Nein. Klar ist, dass wahrscheinlich mittelfristig ein oder zwei neue Wettbewerber dazukommen werden. Nichtsdestotrotz denke ich, da werden manche Dinge heißer gekocht als letztlich gegessen. Easyhotels zum Beispiel – bis auf ein oder zwei Häuser ist nichts von den großen Ankündigungen geblieben, die bei der Markeneinführung durch den Raum hallten. Oder Louvre Hotels, die haben 2015 neun Häuser von Motel One gekauft. Da wird ein Label durch ein anderes Label ersetzt, aber die Zahl der Häuser im Wettbewerb steigt letztlich nicht.

 

Das Interview führte Thorsten Keller

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Aussendung vom 01.08.2016

Interview der Woche

Zugfahrt nach Rajshahi Bangladesch_20141225_1077 Kopie

…mit Johannes Klaus, Grimme-Online-Award-Träger und Macher von Reisedepeschen.de, dem Reiseblog des Jahres 2016

Ein Gespräch über Reichweiten, Follower und Likes – und über die schwarzen Schafe der Branche.

 

Herr Klaus, der Flughafen München hat gerade einen neuen Reiseblog ins Leben gerufen, für den er nach eigener Aussage die „besten Reiseblogger im deutschsprachigen Raum“ gewinnen konnte. Sie bezweifeln das. Woran erkennt man denn die besten oder zumindest gute Reiseblogger?

Klaus: Natürlich ist eine gewisse Reichweite und Bekanntheit, unabhängig von den Inhalten, notwendig. Wenn nicht viele Leute den Blog verfolgen, kann man sich vermutlich nicht zu den führenden Reisebloggern zählen. Inhaltlich ist das etwas anderes: Es gibt viele verschiedene Arten von Blogs, etwa welche mit guten Ratgeberelementen, andere beschränken sich auf Geschichten, die Leser inspirieren sollen. Es gibt exzellente Geschichtenerzähler, die allerdings nur kleine Zielgruppen erreichen. Für einen Auftraggeber kommt es darauf an, was und wen er erreichen möchte – und ob er Qualität, Reichweite oder beides benötigt.

 

Digital-Experte Patrick Meier meint, verlässliche Zahlen, wie man sie aus der Mediaplanung kennt, gibt es nicht wirklich. Trotzdem setzen derzeit viele deutsche Destinationen auf Blogger als Marketing-Instrument. Wie schätzen Sie diesen Trend ein?

Klaus: Das meist verwendete Messinstrument Google Analytics liefert schon vergleichbare Zahlen, natürlich muss man sich gegenseitig vertrauen können, dass diese Zahlen stimmen. Ich als Blogger sehe den Trend natürlich positiv, empfehle aber den Unternehmen oder Destinationen immer, sich die Blogs genau anzusehen. Einen Low Budget Individualreisenden muss man nicht auf eine Kreuzfahrt schicken, da wird die Zielgruppe einfach nicht erreicht.

 

Viele Agenturen und Destinationen vertrauen im Moment vor allem auf die Reichweite. Wird da oft getrickst, um den eigenen Marktwert zu steigern?

Klaus: Die Reichweite ist nur ein Merkmal von mehreren wichtigen. Man kann Reichweite zum Beispiel recht schnell erzeugen, indem man sich auf Suchmaschinenoptimierung konzentriert – dafür müssen die Inhalte im ersten Moment nicht unbedingt gut sein, für langfristigen Erfolg allerdings schon. Reichweite wird oft zu einseitig gesehen: Inhalte müssen auch gelesen und nicht nur geklickt werden.

 

Woran erkennt man denn die schwarzen Schafe der Branche?

Klaus: Für mich ist es wichtig, dass ein Blogger gewisse ethische Standards einhält. Dazu gehört, dass man dem Leser offenbart, ob man zu einer Reise eingeladen oder für den Output bezahlt wurde. So kann dieser die Inhalte selbst einordnen, entscheiden, wie ernst er sie nimmt.

 

Was sagen Reichweiten, Follower, Likes und Comments über Glaubwürdigkeit und Vertrauen aus?

Klaus: Wenn man davon ausgeht, dass sich mittel- bis langfristig nur Seiten durchsetzen, die Reichweite natürlich aufbauen und nicht, indem sie Follower kaufen, dann zeigen Reichweiten und Followerzahlen, dass der Blog mit seinen Inhalten Menschen erreicht. Likes und Kommentare sagen etwas darüber aus, ob es geschafft wird, Leser zu aktivieren. Allerdings sind hier die Zahlen nicht immer das Entscheidende. Eine ausführliche Reportage wird auf Social Media Kanälen immer erstmal weniger Reaktionen hervorrufen als ein emotionales Foto, weil man als Leser mehr Zeit investieren muss. Wer das tut, beschäftigt sich dafür tiefer mit dem Inhalt.

 

Blogs gibt es inzwischen wie Sand am Meer. Gibt es eine Möglichkeit, sich einen Überblick über die Szene zu verschaffen?

Klaus: Das ist schwierig, weil es keine zentrale Datenbank gibt. Ich nenne an dieser Stelle gerne den Reiseblogger Kodex, an den sich gut 350 Blogger halten wollen. Allerdings sind einige große Seiten dort nicht vertreten. Man muss sich also verschiedene Quellen ansehen und sich langfristig mit dem Thema beschäftigen, um einen Überblick zu bekommen.

 

Blogger sind ja nicht unbedingt immer monothematisch aufgestellt, sie beschäftigen sich mit Reisen ebenso wie mit Food und Fashion. Ist das für Unternehmen eine Chance oder nur ein Hinweis auf mangelnde Expertise?

Klaus:

Ich halte es nicht für problematisch, wenn man sich für mehrere Themen interessiert. Meist drehen sich die Blogs ja nicht um touristische Fachinhalte, man muss also kein übermäßiges Wissen anhäufen, um interessante Beiträge zu produzieren. Es kommt für Destinationen und Unternehmen vielmehr darauf an, ob sie Menschen erreichen möchten, die ganz besonders an Reisen interessiert sind. Möchte man ein Reisethema verbreiten, ist es oft besser einen spezialisierten Blog zu nehmen, weil man da nahezu hundert Prozent interessierte Leser erreicht, bei multithematischen Seiten sind es vielleicht nur zehn oder zwanzig Prozent.

 

Worin liegt der Vorteil, wenn nicht nur klassische Journalisten, sondern auch Blogger über ein Hotel oder eine Destination berichten? Erreicht man so tatsächlich andere relevante Zielgruppen?

Klaus: Ja, man erreicht andere Zielgruppen. Es gibt natürlich Menschen, die sowohl Blogs als auch Zeitungen und Magazine lesen. Aber ich glaube, die Überschneidung ist nicht allzu groß, vor allem im Reisebereich. Inspiration holt man sich heute gerne bei anderen Reisenden, und die schreiben auf Blogs und Social Media.

 

Viele Internetnutzer lesen mehrere Blogs, im schlechtesten Fall erreiche ich bei einer Pressereise mit fünf Bloggern letztlich immer nur die gleichen Menschen. Wie gewährleistet man eine gewisse Diversität?

Klaus: Das kann passieren, wenn man sich die Blogs vorher nicht ausreichend angeschaut hat. Und für den Nutzer ist es in der Tat seltsam, wenn nach einer Gruppenpressereise überall ähnliche Inhalte stehen. Eine Option ist, die Reise so aufzubauen, dass nicht alle das gleiche Programm haben. Oder man schaut vorab, ob die Blogger unterschiedliche Ansätze und Zielgruppen haben oder auf unterschiedlichen Kanälen wie Instagram, Youtube oder im Reportage-Bereich stark sind.

 

Stichwort Social Media: Auch Facebook und Instagram spielen in der Reisebranche eine immer größere Rolle. Zu Recht?

Klaus: Auf jeden Fall. Diese Kanäle sind gerade im Reisebereich wichtig, weil über Bilder und kurze Videos viel Stimmung transportiert werden kann. Solche kleinen, leicht zu konsumierenden Happen kommen gut bei einer internetaffinen Zielgruppe an. Es gibt aber auch viele Menschen, die Wert auf ausführliche Informationen legen. Perfekt ist daher eine gute Mischung, um möglichst viele Menschen zu erreichen und sie auf unterschiedliche Plattformen zu führen. Wer ein tolles Instagram-Bild gesehen hat, möchte danach oft auch den dazu gehörenden Blog-Beitrag lesen.

 

Was muss sich in Zukunft im Umgang mit Bloggern, Instagrammern und Co. ändern, damit beide Seiten von der Zusammenarbeit besser profitieren?

Klaus: Ich glaube, dass es oft eine gewisse Unklarheit auf beiden Seiten gibt, was die Grundlage der Zusammenarbeit ist. Wenn der Blogger journalistisch arbeitet und zu einer Pressereise eingeladen wird, sollte er auch wie ein Journalist behandelt werden. Das heißt, er ist in dem, was er macht, frei und sollte keine Vorgaben bekommen. Wenn ein Blogger in einer Marketingaktion auftritt, sind vorab natürlich klare Absprachen nötig. Deshalb halte ich es für wichtig, dass eine klare Trennung zwischen Journalismus und Marketing stattfindet, auf beiden Seiten – und selbstverständlich auch in der Kommunikation gegenüber dem Leser.

 

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Aussendung vom 25.07.2016

Interview der Woche

Nützel_frei

…mit Oliver Nützel, Geschäftsführer von Regiondo

Ein Gespräch über das Verständnis vom Verkauf von Freizeit in den Regionen, die Kosten eines Kassenhäuschens und die höhere Kauffrequenz vor der Haustür.

 

Herr Nützel, Jochen Schweizer ist kürzlich bei Regiondo eingestiegen, unter anderem mit dem Argument, dass Kunden ihre Freizeit am liebsten in der Heimat verbringen. Das ist sozusagen ihr USP, richtig?

Nützel: Definitiv. Allein schon von der Statistik her. Ein Großteil der Freizeitaktivitäten wird im Umkreis von 100 Kilometern zum Wohnort getätigt. Das beobachtet man ja auch bei sich selbst. Oder wie oft machen Sie eine Stadtführung in Barcelona? Wandern, Skifahren, der Ausflug in den Freizeitpark, Kochkurse mit Freunden: Vor der Haustür liegt die Kauffrequenz wesentlich höher. Deswegen macht das Thema lokale und nationale Freizeitvermarktung so viel Sinn. Man holt die Leute da ab, wo sie sind.

 

Die Freizeitbranche ist nach wie vor stark offline geprägt. Sie meinen, dass Freizeitunternehmen, die in den nächsten fünf Jahren nicht online buchbar sind, nicht überleben werden. Was ist so schlimm daran, sich seine Eintrittskarte an der Kasse zu kaufen?

Nützel: Die Wartezeit. Allein die Freizeitparks in Deutschland haben im Jahr 35 Millionen Besucher. Runtergerechnet auf die Hauptsaison heißt das, dass jeden Tag 500.000 Menschen zu diesen Einrichtungen strömen. Bei kleineren Wildparks rund um München hat man da schnell 30 bis 45 Minuten Wartezeit. Und man darf auch nicht unterschätzen, was so ein Kassenhäuschen kostet. Ja, Paypal und Regiondo kosten Gebühren. Aber auch Bargeld ist nicht günstig.

 

Kürzlich hat das Tourismus Marketing Sachsen die Freizeitaktivitäten der Region gebündelt über Regiondo buchbar gemacht. War Sachsen schnell – oder kommt der Schritt im Vergleich mit anderen Regionen spät?

Nützel: Schnell.

 

Wirklich? Sind die deutschen Regionen also etwas hinterher in Sachen Digitalisierung von Freizeitaktivitäten?

Nützel: Ja. Viele Tourismusorganisationen haben ja schon Probleme, die Bedürfnisse der örtlichen Hotellerie zu verstehen. Das Thema Freizeitvermarkung haben viele noch nicht richtig durchdrungen und wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen.

 

Welche Leistungen erbringt Regiondo für eine Region oder eine Stadt?

Nützel: Die initiale Kundenbeziehung haben wir immer mit dem Anbieter vor Ort, also zum Beispiel mit dem Segway-Verleiher, dem Stadtführer oder dem Freizeitpark. Diesen Leistungsträgern helfen wir seine Angebote online zu vermarkten – oder sie überhaupt erst einmal vermarktbar zu digitalisieren. Eine Eintrittskarte ist hierbei das einfachste. Komplexer wird es bei Touren, bei Terminen und limitierten Leistungen. Alle Kategorien kann der Kunde dann selbst verwalten.

 

Also musste nicht das Tourismus Marketing Sachsen alles bündeln und einpflegen, sondern es hat nur die Partner besorgt, die dann über ihre Plattform aktiv werden.

Nützel: Genau. Das kann niemand als Generalist pflegen. Dafür ist der Markt viel zu dezentralisiert und kleinteilig. Jeder Anbieter muss in der Lage sein, seine Angebote selbst zu verwalten. Aber die Website einer Landesmarketing-Organisation dient dann allen als guter Vertriebskanal.

 

Wie viele touristische Kunden nutzen Ihre Ticketlösungen schon?

Nützel: Wir haben knapp 5000 Leistungsträger in Deutschland mit 12.000 Angeboten und 25 Millionen Terminen. Aber erst jetzt durch die Masse an buchbaren Angeboten ergeben sich in den kommenden Jahren spannende Vertriebskooperationen. Davon profitieren Anbieter wie Kunden gleichermaßen. Die Zeiten, dass jemand drei oder mehr Anbieter telefonisch versucht zu erreichen, um Öffnungszeiten oder Eintrittspreise zu erfragen, sind vorbei.

 

Aber das alles hat natürlich seinen Preis: Zu den 12 Prozent Provision für eine Buchung über ihren Marktplatz kommen noch diverse andere Zuschläge: Ticketgebühr (49 Cent), Systemgebühr (5%) und Zahlungsabwicklungsgebühr (3,5 %). Auf wie viel summiert sich das am Ende?

Nützel: Im Schnitt liegen wir bei 9 bis 10 Prozent für den klassischen Anbieter, wenn er seine Produkte über die eigene Website vertreibt. Dann gibt es aber natürlich Premium-Vertriebskanäle wie Jochen Schweizer, für den wir dann eine höhere Provision verlangen, wenn man dort sichtbar werden will. Die zwölf Prozent müssen Kunden bezahlen, die auf Regiondo.de mitvermarktet werden. Aber wir arbeiten auch mit Portalen wie TripAdvisor und Viator zusammen, es gibt Kooperation mit dem Weltbild-Verlag und Schmetterling Reisen. Und darum geht es: Über uns bekommt man Zugang zu diesen Kanälen.

 

Das alles haben Sie in nur vier Jahren aufgebaut.

Nützel: Und eigentlich kamen wir mit dem Marktplatz-Gedanken mal aus der B2C-Schiene. Aber heute sind wir ein Technologie-Dienstleister im B2B-Bereich für Vertriebslösungen. Wir haben eigentlich gar kein Interesse daran als Regiondo an den Endkunden heranzutreten. Denn es gibt im Markt zahlreiche Anbieter, die den Endkunden viel besser verstehen als wir.

 

Noch ein Blick in die Zukunft: Wie sieht das Freizeitgeschäft im Deutschlandtourismus in fünf Jahren aus?

Nützel: Über 50 Prozent der Freizeitaktivitäten wird dann online gebucht werden. Studien gehen bis 2020 von 62 Prozent aus. Der Deutschlandtourismus wird durch diese Entwicklung profitieren. Und speziell im Freizeitsektor wird es zu einem echten Boom kommen, getrieben durch die bereits bestehende Nachfrage. Andererseits werden die vielen neuen Vertriebswege weitere Nachfrage erst noch schaffen.

 

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Aussendung vom 18.07.2016

Interview der Woche

Seipp_frei

mit Stefany Seipp, Geschäftsführerin von Green Pearls

Ein Gespräch über Nachhaltigkeit in der Hotellerie, die Notwendigkeit eines international unabhängigen Öko-Labels und die steigende Nachfrage nach grünen Reisen

 

Frau Seipp, Sie betreiben mit Green Pearls eine Plattform für nachhaltige Destinationen und  Hotels – auch in Deutschland. Bitte beschreiben Sie uns Ihr Konzept?

Seipp: Greanpearls wurde 2012 gegründet, seit 2013 sind wir online. Entstanden ist es aus der Idee heraus, dass es weltweit Hotels gibt, die nachhaltig arbeiten, oft sogar zertifiziert sind, dass der Gast diese aber oft nicht findet. Kaum ein Urlauber macht sich ja die Mühe, auf den einzelnen Hotelseiten im Kleingedruckten nach Informationen zur Nachhaltigkeit zu suchen. Unser Ziel war es also, wenn jemand Suchbegriffe wie „grünes Reisen“ oder „nachhaltiges Reisen“ eingibt, dass er dann auf einer Seite landet, wo er komprimiert Informationen zu Destinationen und Hotels findet.

 

Sie sagen auf Ihrer Website, Deutschland sei eine hervorragende Destination für nachhaltiges Reisen. Warum?

Seipp: In Deutschland steht allein schon beim Thema Architektur ganz weit oben. Sie können keinen Hotelneubau mehr ohne eine Vielzahl von Nachhaltigkeitskriterien bauen. Wir trennen hier den Müll, alle Geräte sind möglichst energiesparend. Der ganze Bereich der Hotelhardware stimmt also meist von vornherein schon mal.

 

Sie haben 15 Hotels in Deutschland auf ihrer Karte. Diese Häuser sind bei Ihnen Mitglieder, was bedeutet das?

Seipp: Zuerst muss ich vorwegschicken, dass wir kein Zertifikat vergeben. Wir verleihen ein Label, hinter dem sich ein umfassender Maßnahmenkatalog verbirgt. Die drei Säulen des Konzepts sind Architektur, Wasser- und Energieeffizienz sowie soziale und Kulturelle Themen. Wenn unser Label an der Eingangstür hängt, kann sich der Gast darauf verlassen, dass ein Hotel nach dem von uns geforderten Kriterienkatalog nachhaltig wirtschaftet. Wir machen die Kommunikation für die Hotels, betreiben unseren eigenen Blog, der gerade in UK als bester Nachhaltigkeits-Blog Europas ausgezeichnet wurde, wir organisieren Presse- und Blogger-Reisen und beleuchten das Thema Nachhaltigkeit aus verschiedensten Blickwinkeln.

 

Was macht Ihr Label glaubwürdig? Und was unterscheidet es zum Beispiel von Hotels, die den Titel TUI Umweltchampion tragen?

Seipp: Der Unterschied ist der, dass wir nicht einmalig einen Award verleihen. Vielmehr sind die Hoteliers unsere langjährigen Partner, mit denen wir gemeinsam stetig am Thema Nachhaltigkeit arbeiten.

 

Aber die TUI entwickelt doch auch ihre Hotels diesbezüglich stetig weiter und passt Kriterien an.

Seipp: Das stimmt. Aber beim Thema Nachhaltigkeit gibt es ein Transparenzproblem. Wir haben international inzwischen 139 verschiedene Zertifizierungen und viele nationale, die Hotels bekommen können. Wir brauchen aber endlich ein Label, das weltweit und losgelöst von wirtschaftlichen Interessen funktioniert. Und bei dem Kunden nicht sich nicht erst einlesen müssen, was dahinter steckt.

 

Apropos Kunde: Es heißt ja Angebot schafft Nachfrage. Sind eher die Anbieter gefordert mehr nachhaltige Produkte anzubieten – oder muss der Kunde Treiber der Angebote sein?

Seipp: Beides. Im Tourismus sind alle gefordert. Die Hoteliers und der Gast. Es gibt immer mehr Urlauber, die den Umweltgedanken nicht zuhause lassen, sobald sie auf dem Weg in die Ferien sind. Ganz wichtig ist beim Thema Angebot und Nachfrage, dass es in die Köpfe rein muss, dass ein nachhaltiges Hotel nicht teurer sein muss. Und weniger Komfort erwartet dort auch niemanden. Nachhaltigkeit ist leider noch bei zu vielen der letzte USP bei der Reiseentscheidung – aber es ist der wichtigste.

 

Wie viele Anfragen von Hoteliers bekommen Sie im Jahr?

Seipp: Viele. Allerdings müssen mindestens 80 Prozent unserer Kriterien für unser Label erfüllt werden. Das schaffen viele nicht. Aber natürlich wachsen wir. Doch nicht um jeden Preis. Die meisten unserer Mitglieder sind inhabergeführte Häuser. Und wenn ich eines gelernt habe, dann, dass es so viele nachhaltige Ansätze wie Hotels gibt. Das Thema ist sehr dynamisch.

 

Lohnt es sich denn für einen Hoteliers, wenn man ihr Label trägt?

Seipp: Die Nachfrage nach grünen Reisen steigt, das wissen wir von unseren Hoteliers. Damit sich das Thema in den Buchungen niederschlägt, muss man sich aber klar positionieren. Als Hotel nur auf unserer Website zu stehen und das Label zu tragen, reicht allein nicht.

 

Speziell von Vielreisenden wie Geschäftsleuten fordern Sie mehr Sensibilität in Sachen Nachhaltigkeit ein. Sind die Ansprüche in diesem Segment anders als im B2C-Bereich?

Seipp: Erst einmal gibt es da keinen Unterschied. Aber der Bereich Green Meetings steht dieses und nächstes Jahr ganz oben bei uns auf der Liste. In diesem Bereich sprechen wir derzeit allen voran mit Kettenhotels. Hier kommt uns entgegen, dass immer mehr deutsche Unternehmen mittlerweile in ihre Reiserichtlinien aufnehmen, dass nach Möglichkeit bevorzugt nachhaltige Hotels gebucht werden sollen.

 

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Aussendung vom 11.07.2016

Interview der Woche

Messner frei

…mit Reinhold Messner

Ein Gespräch auf dem RDA Workshop über die Gruppentouristik, Europäer als Weltbürger und seine Museen in Südtirol.

 

Herr Messner, Sie haben sich einst als Südtiroler, als Europäer und als Weltbürger bezeichnet – in dieser Reihenfolge. Vertreten Sie diese Aussage beim Blick nach Europa heute immer noch?

Messner: Ja, ich vertrete das immer noch so und ich hoffe, dass Europa nicht auseinanderbricht. Der Brexit ist für Europa nicht unbedingt ein Nachteil, denn die Engländer haben in Europa immer nur halbherzig mitgemacht. In fünf Jahren im EU-Parlament habe ich das erlebt, das war zum Teil schon ärgerlich.

 

Was ist falsch gelaufen im Streben nach dem gemeinsamen Europa?

Messner: Viele denken, dass die Globalisierung ihnen Nachteile bringt. Europa ist nicht verstanden worden als eine Art Hilfe, mit der Globalisierung zurechtzukommen. Ohne Europa haben wir keine Zukunft. Wir würden untergehen – nicht Deutschland vielleicht, aber ganz sicher Italien. Doch die Menschen vertrauen den Nationalstaaten mehr als der EU. Im nationalen Rahmen fühlen sie sich aufgehoben. Und sie haben den Eindruck, die Globalisierung frisst ihnen alles weg und das Einkommen wird weniger – dabei ist es in Wirklichkeit genau umgekehrt.

 

Sie als Südtiroler haben ohnehin einen eigenen Blick auf die EU…

Messner: Ja, sicher. Wir sind keine Italiener, wir sind keine Österreicher, wir sind keine Deutschen. Wir haben keinen deutschen Pass. Wir sprechen deutsch, wir sprechen aber auch italienisch. Wir sind schon vorbereitet auf Europa, doch wenn wir Südtiroler Europa verlieren, sitzen wir wieder zwischen den Stühlen. Dann sind wir wieder Italiener und müssen uns auch so fühlen, denn wir können uns nicht abtrennen.

 

Das hört sich nun an, als seien Sie doch lieber zuerst Europäer…

Messner: Ich hätte am liebsten einen europäischen Pass und europäische Steuergesetze. Ich brauche keine Nation. Mein Traum ist es, die Nationalstaaten, in denen wir zusammengewachsen sind, als Krücken zu nutzen, um europäisch zum gemeinsamen Schritt zu kommen. Dann wird die Macht nach oben an die EU und nach unten in die Regionen verteilt und die Nationalstaaten verflüchtigen sich.

 

Wenn Sie von Südtirol nach Österreich schauen – können Sie sich diesen Rechtsruck erklären, der dort stattgefunden hat?

Messner: Die FPÖ war dort auch unter Haider schon stark. Er hat dann Regierungsverantwortung bekommen, und damit glaubte man, das Problem sei gelöst. Der neue österreichische Kanzler ist ein gescheiter Mann. Ein Europäer, der den Mut hat, die Dinge beim Namen zu nennen. Er könnte einen Umschwung bringen, obwohl die FPÖ in Österreich stark bleiben wird. Österreich hat mehr rechtslastige Menschen als Deutschland, weil Deutschland früh und vorbildlich mit seiner jüngeren Geschichte aufgeräumt hat. Österreich hat das immer verweigert.

 

Sieht man Deutschland in anderen Ländern ebenfalls so? Welche Erfahrungen machen Sie auf Ihren Reisen?

Messner: Ich werde auf Reisen oft als Deutscher angesehen, und eines ist sicher: Deutschland hatte weltweit noch nie so viel Respekt wie aktuell. Es ist das am meisten respektierte Land der Welt. Nur intern hadert Deutschland noch immer mit sich selbst.

 

Sprechen wir über Reinhold Messner. Sie definieren sich in Ihren Lebensabschnitten. In Ihrem letzten Lebensabschnitt haben Sie in Südtirol sechs von deutschen Busveranstaltern gerne besuchte Museen aufgebaut.

Messner: Womit dieser Lebensabschnitt nun abgeschlossen ist. Es gibt kein Thema mehr für ein weiteres Museum. Das war mir seit etwa fünf Jahren klar. Das ist nun fertig. Wobei ein Museum an sich nie fertig wird. Ein Museum ist ein Prozess, es darf nie eine statische Geschichte sein.

 

Waren die wissenschaftlichen Ansätze, die Sie in Ihren Museen vermitteln, Ihr naturgegebenes Interesse oder ist dieses Interesse mit Ihrem Leben gewachsen?

Messner: Zu Beginn bin ich Klettern gegangen, und an den höchsten Bergen der Welt wollte ich die Gipfel erreichen. Die Neugierde, die über den Berg hinaus ging, kam dann mit 25 plus. Zuerst die Menschen, wie sie leben, und schließlich dann die Geologie. Später hatte ich dann das Glück, bei der Bergung des Ötzi quasi direkt vor Ort zu sein. Da habe ich viele Kontakte zu Wissenschaftlern geknüpft, die mir Dinge erzählt haben, die ich nicht wissen konnte.

 

Mittlerweile sind Sie Anfang 70. Was kommt da noch?

Messner: Ich werde versuchen, Berggeschichten zu erzählen über den Film – und zwar mit meinen eigenen Vorstellungen. Nummer eins: Der Berg spielt die Hauptrolle. Nummer zwei: Das Leben schreibt die besten Geschichten. Kein Autor kann sich ausdenken, was das Leben schreibt. Ich muss es nur ehrlich und offen aufnehmen.

 

Also gehen Sie unter die Drehbuchautoren…

Messner: Ich bin Autor und Regisseur. Die erste Geschichte ist schon fertig, finanziert von ServusTV. Das war eine Geschichte, die ich schon lange machen wollte. Der Sender nimmt sich seine Geschichte und produziert sie fürs TV. Ich selbst erhalte die Erlaubnis, einen Director’s Cut fürs Kino zu machen.

 

Da Sie ja nun auch ein touristischer Leistungsträger in Südtirol sind, welche Argumente sprechen dafür, Südtirol einen Besuch abzustatten?

Messner: Wir haben mit den Dolomiten und mit der Ortler-Gruppe die vom Charakter und von der Ausstrahlung her schönsten Berge der Welt. Die Berglandschaft in Südtirol ist unverwechselbar, und wir haben uns unsere Bergkultur bewahrt. Man kann in Südtirol erleben, wie Menschen in den Bergen vor Tausenden von Jahren gelebt und gewirtschaftet haben. Allerdings: Ohne die Bauernhöfe wären da nur Wälder mit Bergen drauf. So aber ist alles belebt und gepflegt – in der Summe aus Natur- und Kulturlandschaft ein Landschaftsbild wie nirgendwo sonst auf der Welt mit Weinbergen, Gletscherschnee und vielen Renaissancebauten aus der Romanik.

 

Das Interview führte Thorsten Keller  /  Foto: Keller

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Aussendung vom 04.07.2016

Interview der Woche

Katz_FTI-frei

…mit Martin Katz, Chef der Eigenanreise-Sparte von FTI
und Vorsitzender des DRV-Ausschusses Deutschlandtourismus

 

Ein Gespräch über den Stellenwert des Reiselands Deutschland in diesem Sommer, die Chance der Reisebüros davon zu profitieren und über den Wunsch von FTI, bald mehr Exklusiv-Hotels hierzulande zu füllen.

 

Herr Katz, die Sommerferien haben begonnen. Millionen Menschen rollen demnächst mit dem Auto in die Ferien. Welche Rolle spielt dabei Deutschland als Reiseziel?

Katz: Ganz sicherlich eine herausragende, auch bei FTI. Es ist ja kein Geheimnis, dass Deutschland das mit Abstand beliebteste Reiseziel der Deutschen ist. Ein Drittel aller Urlauber verbringen ihre Ferien hier. Wenn man die Kurzreisen noch dazu zählt sind es noch mehr. Allerdings ist Deutschland ein Individualreiseziel. Veranstalter und Reisebüros partizipieren hier nicht in dem Maße, wie wir uns das wünschen würden.

 

Im DRV gibt es auch deshalb einen eigenen Ausschuss für den Deutschlandtourismus, diesem stehen Sie vor. Was sind die Ziele dieses Gremiums?

Katz: Das Potenzial des Deutschlandurlaubs für Veranstalter und den Reisevertrieb deutlich zu machen. Es geht darum, bei den Partnern die erdgebundenen Ziele stärker in den Blick zu rücken. Wir haben beim Deutschlandtourismus nämlich eine einzigartige Situation: Wir müssen als Reiseveranstalter anders als in anderen Destinationen keinen Verdrängungswettbewerb betreiben. Keiner muss seinem Wettbewerber Kunden abjagen. Der Kuchen ist groß genug für alle.

 

Nennen Sie bitte einige konkrete Maßnahmen des Ausschusses?

Katz: Zum Beispiel schauen wir, wie wir es schaffen können, den Individualgast von den Vorteilen einer Veranstalterreise zu überzeugen. Dafür müssen wir den Counter für dieses Segment fitter machen. Es ist noch nicht lange her, da kannten sich viele Reisebüromitarbeiter zwar hervorragend auf Mallorca aus, hatten aber Schwierigkeiten alle Bundesländer aufzuzählen. Dabei wird es immer einfacher für den Vertrieb, Deutschland zu verkaufen. Denn viele, meist ältere Stammkunden, haben ihre Traumziele in den vergangenen 30 Jahren oder seit der Wende abgehakt. Viele besinnen sich jetzt gerne auf den Urlaub im eigenen Land. Zu erzählen man fährt z.B. im Sommer an die Nord- oder Ostsee ist wieder schick.

 

Auch die Sicherheitslage in vielen Ländern verstärkt diesen Trend.

Katz: Durchaus, und da ist das Reisebüro der richtige Transporteur. Denn in der Beratung kommen genau diese Fragen immer öfter auf. Reisebüros sind also gut beraten, ihren Gästen hier Alternativen aus dem ganzen Portfolio anzubieten. Und da gehört Deutschland unbedingt dazu.

 

Auch FTI hat Deutschlandangebote in zwei Katalogen: Welchen Anteil am Geschäft nimmt dieses Segment ein?

Katz: In der FTI Group haben wir zwei starke Säulen. Einmal das Katalog- und Onlinegeschäft der Marke FTI. Und auf der anderen Seite unseren Aktionsveranstalter BigXtra u.a. mit unserem eigenen Reise-Shopping-Sender Sonnenklar.TV. Über beide Geschäftsmodelle vertreiben wir Deutschlandurlaub sehr erfolgreich. Wir liegen überall zweistellig im Plus. Genau gesagt, steht sogar immer eine zwei davor. Für BigXtra gibt es seit einem Jahr auf Sonnenklar.TV auch das Sendeformat „Nächste Ausfahrt Urlaub“, wo wir vornehmlich Inlandsziele für Selbstfahrer vermarkten. Die Sendung läuft fast täglich und das sehr erfolgreich. Weiter arbeiten wir im Deutschlandvertrieb mit Partnern wie Tchibo, Kaufland und Lidl zusammen. Und auch mit einigen Regionen stehen wir derzeit in Kontakt, um Dinge zu entwickeln. Insbesondere Reise-TV ist hier für die Imagebildung perfekt geeignet.

Was sind die Stärken, die man im Verkauf für eine Deutschlandreise anführen kann?

Katz: Provokativ sage ich mal: Hier gibt es mehr als nur Strand und Sonne. Deutschland bietet eine  unglaubliche Vielfalt. Und zwar eine qualitativ hochwertige! Wo sonst hat man eine derart gute Hotellerie in der Breite gepaart mit solch einem Event- und Kulturangebot? Hier gibt es Themen, die wir verkaufen können: Städtereisen, Wellnessurlaub, Aktivsein, Kultur- und Eventreisen. Dazu stimmt das Preis- Leistungsverhältnis. Aber die Vorteile beginnen schon mit der Anreise. Nichts ist bequemer als wenige Stunden im eigenen Auto.

 

Warum wird der Deutschland-Tourismus trotz dieses Potentials dann von vielen so stiefmütterlich behandelt – und das Hotelgeschäft den Hotelportalen überlassen?

Katz: Wir müssen da unbedingt den Fuß in die Tür kriegen, indem wir zeigen, dass wir als Veranstalter gerade auch in Kombination mit den Reisebüros mehr können als es ein Hotelportal. Zum Beispiel sind unsere Hotels auf ihre Qualität hin geprüft. Dabei testen wir nicht wie irgendein US-Portal, sondern vor unserem kulturellen Hintergrund und mit viel Kompetenz. An der Stelle geht es also um Vertrauen. Das müssen wir in den Vordergrund stellen. Auch, dass wir bei der Buchung selbst mehr können. Wer einmal versucht hat, bei einem Portal selbst den Namen eines Mitreisenden zu ändern, kurzfristig noch eine Person mehr mitzunehmen oder gar den Hund, weiß, wie schnell man da an die Grenze des Machbaren stößt. Beim Veranstalter ist das dagegen ein Anruf – und es wird sich gekümmert. Denn viele Fragen tauchen erst nach der Hotelbuchung auf.

 

Wie viele geprüfte Häuser hat FTI in Deutschland im Programm?

Katz: Da liegen wir bei derzeit rund 700 plus die City-Hotels.

 

Ist die Eigenmarkte Labranda perspektivisch auch in Deutschland denkbar?

Katz: Das hat derzeit nicht oberste Priorität. Aber wir sind sehr wohl als FTI daran interessiert, hierzulande mit Hotelpartnern mehr in Exklusivitäten zu gehen. Das trauen wir uns zu. Wir haben auch bereits einige Beispiele, zum Beispiel unser Sonnenklar-Hotel im Bayerischen Wald. Mehr Exklusiv-Hotels in Deutschland über unsere diversen Vertriebskanäle zu vermarkten, steht weit oben auf unserer Liste. Aber der Kundenwunsch nach Individualität beim Deutschlandurlaub schließt hier ein Massenprodukt aus.

 

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Aussendung vom 27.06.2016

Interview der Woche

Gauf_frei

…mit Dieter Gauf, Hauptgeschäftsführer des
Internationalen Bustouristik Verbandes RDA

Ein Gespräch über die Folgen des Brexit für die Busbranche, den Trend zu kombinierten Busreisen und die Top-Themen
des RDA Workshops als größtes Schaufenster der internationalen Bus- und Gruppentouristik.

 

Herr Gauf, der RDA Workshop steht kurz bevor. Es gibt viele Baustellen in der Busbranche. Und jetzt auch noch ein Brexit. Was sind die großen Themen in Köln?

Gauf: Der Brexit ist natürlich das große Thema. Und da ist der RDA Workshop als größtes Schaufenster der Bus- und Gruppentouristik natürlich der ideale Ort für den Austausch zwischen Anbietern und Käufern. Aber auch das Segment der kombinierten Reisen, also Bus und Flug oder Kreuzfahrt und Bus, wächst. Da wollen wir Marktanteile gewinnen. Auch der Wunsch nach immer exotischeren Zielen wird Thema sein in Köln. Denn damit einher geht die Diskussion eines differenzierten  Krisenmanagements. Und nicht zu vergessen: der Einstieg der Fernbuslinien ins Gruppengeschäft.
Für all diese Themen haben wir unser Trendforum auf dem RDA Workshop.

 

Ganz konkret zum Brexit: Was bedeutet das für die Busbranche?

Gauf: Der Austritt kommt ja nicht plötzlich. Wir haben am 4. Juli dazu eine Vorstandssitzung, auf der wir dieses Thema ausführlich behandeln. Aber ich kann sagen, wir sind gut informiert. Was viele nicht wissen: Wir haben eine eigene Außenstelle in Brüssel, die uns täglich informiert über das, was in EU-Parlament und –Kommission diskutiert wird. Unsere Büroleiterin in Brüssel wird auch auf dem Workshop sein, und uns ausführlich aufklären, was das genau in Brüssel für unsere Branche heißt. Spannend wird diesbezüglich auch die Sitzung der European Allianz für Bustourismus (EACT) auf dem RDA Workshop. In der Allianz sind auch Verbände aus Großbritannien vertreten. Im Nachgang zu diesen ersten Analysen können wir genauer sagen, was der Brexit für Auswirkungen haben wird.

 

28 Prozent der Busunternehmer glauben, dass sich ihr Geschäft 2016 verschlechtern könnte, im Vorjahr waren es nur 22 Prozent. Was kann der RDA hier tun?

Gauf: Zuerst einmal: 72 Prozent sind demnach auch der Meinung, es wird sich nicht verschlechtern. Aber ich will Ihnen eine andere Zahl aus der FUR-Reiseanalyse nennen. Auf die Frage an repräsentativ ausgewählte 8000 Studienteilnehmer, ob sie sich vorstellen könnten, in den nächsten drei Jahren mit dem Bus zu verreisen, sagten 23,4 Prozent: ja. Und dieser Wert bewegt sich seit Jahren stabil zwischen 21% und  23%, also aktuell sogar am oberen  Level. Man muss also unterscheiden: Wir haben einerseits die Anbieter, die teilweise verunsichert sind. Auf der Nachfrageseite haben wir aber einen konstant hohen Wert – auch für Neukunden übrigens. Es wird also keine Einbrüche des Geschäfts geben.

 

Deutschland ist mit fast 30 Prozent aller Urlaubsreisen das wichtigste Urlaubsland. Deckt sich das mit den Angeboten der Busbranche?

Gauf: Ja. Rund 35 Prozent der Busreisen finden in Inland statt. Gerade Städtereisen und Studienreisen liegen im Trend. Die Prognosen für dieses Segment sind gut.

 

Der Bus ist laut DRV für fünf Prozent der Urlauber das Reise-Mittel der Wahl. Wie entwickelt sich diese Zahl?

Gauf: Ich weiß momentan nicht worauf sich die DRV Zahlen beziehen. Laut FUR liegt der Anteil des Busses bei sieben bis acht Prozent bei den Urlaubsreisen.

 

Noch einmal zu den kombinierten Bus- und Flugreisen und Bus- Kreuzfahrtreisen. Um hier zu wachsen, muss der Kunde diese Angebote finden können. Das ist heute schwer, weil das Busgeschäft stark regional ist. Der RDA will mit Bus.de ein Portal schaffen, das genau diese Sichtbarkeit zum Ziel hat. Wann geht das Portal online?

Gauf: Das Busgeschäft ist oft nicht einmal regional, sondern lokal. Das ist historisch gewachsen. Mit Bus.de geht es voran. Wir werden die Plattform aber nicht komplett selber basteln bzw. entwickeln, sondern bereits gut funktionierende Systeme von Mitgliedern adaptieren. Ab Herbst wird es dazu weitere Neuigkeiten geben, auch zum Starttermin.

 

Auch das Thema Nachhaltigkeit ist eines, mit dem Ihre Branche eigentlich punkten könnte. Bei guter Auslastung gibt es kein umweltfreundlicheres Verkehrsmittel. Warum fällt es der Branche so schwer, das zu vermitteln?

Gauf: In Deutschland hat die Schiene von vornherein einen Bonus. Der Zug profitiert von viel politischem Goodwill. Dabei sind unsere Umweltwerte viel besser. Ob das damit zusammenhängt, dass die Bahn ein Unternehmen des Bundes ist, lasse ich mal offen. Jedenfalls hat die Straße einen schlechten Ruf. Und wir fahren auf ihr. Dabei benötigt jeder Reisebus deutlich weniger Verkehrsfläche als etwa 25 PKW.

 

Noch einmal zum RDA Workshop: Was erwartet die Besucher? Was sind die Programm-Höhepunkte?

Gauf: Über 700 Aussteller aus 40 Ländern, die zusammen mehr als 100 Destinationen anbieten. Von A wie Agentur bis Z wie Zoo, von A wie Australien bis Z wie Zypern ist in Köln alles vertreten. Da können Sie richtig einkaufen. Und das erwarten die Besucher. Wichtig zu sagen ist: der RDA Workshop hat zwar ein Fachprogramm, aber es ist kein Kongress, der mit Starrednern vom Wesentlichen ablenken will – dem Einkaufen und Geldverdienen. Bei uns soll man Geschäfte machen. Und erstmals findet im Anschluss an den Workshop die RDA-Hauptversammlung inklusive Vorstandswahlen statt. Dadurch wollen wir Mitgliedern, die ohnehin dort sind Gelegenheit geben, sich noch besser einzubringen.

 

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Aussendung vom 23.06.2016 Wandertag-Special

Interview zum Deutschen Wandertag

 

hUWALD FREI

…mit Jens Huwald, Geschäftsführer der Bayern Tourismus Marketing GmbH.

Ein Gespräch über den Trend zu Themenwanderwegen, die verschiedenen Aspekte für erfolgreichen Wandertourismus, und wie Content Marketing aussehen muss, um die Partner des Reiselandes Bayern bei ihrer Arbeit zu unterstützen.

 

Im Rahmen des Deutschen Wandertags findet im Karwendel zum achten Mal ein 24-Stunden-Wandern statt. Wie sieht so ein Event aus – und was bringt er?

Huwald: In erster Linie wollen wir damit natürlich die Wanderdestination Bayern in ihrer Vielfalt in den Fokus rücken. Deshalb findet der Event auch immer woanders statt. 444 Teilnehmer laufen mit. Aber es geht nicht darum, wer als erster ins Ziel kommt. Es geht um Randerfahrungen, darum den inneren Schweinehund zu überwinden, oder ums Laufen: Die Strecke ist ein Rundweg, der immer wieder zu einer Art Marktplatz zurückkommt. Dort und an der Strecke gibt es Stände, an denen man sich über die Region informieren kann. Wir könnten übrigens das Doppelte und dreifache an Teilnehmern mitlaufen lassen, die Startplätze sind begehrt. Aber es soll kein Volkslauf werden.

 

Dieser Event ist auf seine Art extrem. Doch wie sieht der klassische Wanderurlaub in Bayern aus?

Huwald: Da muss man unterscheiden zwischen Bergwandern und Wandern in der Fläche. Beides liegt im Trend. Nach Bayern kommen jährlich 34 Millionen Menschen, die 88 Millionen Übernachtungen buchen. Für 60 Prozent dieser Gäste ist der Aufenthalt in der Natur eines der Hauptreisemotive. Und 42 Prozent davon geben wiederum Wandern explizit als Reisegrund an. Die meisten wollen klassifizierte Wege, eine gute Beschilderung sowie die passende Hotel- und Gastronomie-Infrastruktur. Speziell hierbei gilt: Es gibt Menschen, die wählen ein Hotel für ihren Gesamtaufenthalt und gehen von dort jeden Tag eine andere Route. Aber es gibt auch Gäste, die zum Beispiel den Goldsteig in Etappen wandern – und jeden Abend an einem anderen Ort einkehren.

 

Wer genau macht heute Wanderurlaub?

Huwald: Das ist ganz schwierig zu sagen, weil das Angebot schon aufgrund der Topografie in unserem Land sehr unterschiedlich ist. Aber es kommen viele Individualisten, Gruppen und natürlich Familien. Unterscheiden muss man aber ganz sicher zwischen jenen, die nur wandern wollen und solchen, die innerhalb einer Woche nur zwei Touren gehen. Den typischen Gast gibt es nicht. Der gemeinsame Nenner ist: Alle halten sich gerne draußen auf.

 

Früher hieß ein Wanderurlaub eine Fahrt in die Berge. Mittlerweile werben selbst der Niederrhein und Mecklenburg-Vorpommern um Wanderurlauber.

Huwald: Weil heute immer mehr das Thema im Vordergrund steht. Wenn ich ans Fränkische denke, dann habe ich dort zum Beispiel viel Weintourismus – und eben auch entsprechende Wanderangebote dazu. Bed & Breakfast von Vinothek zu Vinothek: Das ist eine feine Sache! Die Frage ist immer: Was will der Gast erleben? Bayern, der Niederrhein und Mecklenburg-Vorpommern werben teils um die gleichen Gäste. Die Herausforderung für alle ist, dem Gast zu dem für ihn wichtigen Thema ein attraktives Wanderprodukt bieten zu können.

 

Wobei attraktiv im Wanderbereich seit kurzem sogar das Feld Barrierefreiheit einschließt.

Huwald: Ja. Ohne Hindernisse erst einmal Zugang zur Natur zu bekommen, darum geht es. Bayern bündelt 2016 seine Reiseangebote für Urlauber mit Handicap entlang der gesamten touristischen Servicekette in zehn Pilotregionen. Das geschieht im Rahmen des bundesweiten Kennzeichnungssystems „Reisen für Alle“. Es geht also bei Weitem nicht nur um Rollstuhlfahrer. Auch eine Familie mit Kinderwagen will mit der Bergbahn einen schönen Panoramaweg auf einem Hochplateau erreichen können. Das vergisst man schnell.

 

Wer sind die zehn Pilotregionen?

Huwald: In Ostbayern zum Beispiel die Ferienregion Nationalpark Bayerischer Wald, Arberland und Freyung-Grafenau. Rollstuhlfahrern liegt hier der Nationalpark beinahe uneingeschränkt zu Füßen. Die Nationalparkzentren Lusen und Falkenstein mit Hans-Eisenmann-Haus und Haus zur Wildnis, Tier-Freigeländen und weiteren Außenbereichen sind inzwischen barrierefrei zugänglich, gleiches gilt für die Natur-Kneippanlage in Spiegelau.

 

Welche Rolle spielt das Tourismus Marketing dabei, das Wandern als Erlebnis mit regionaler Kultur und Identität zu verknüpfen?

Wir haben zunächst wenig Einfluss auf die Produkte. Die kommen von den Leistungsträgern vor Ort.  Wir liefern aber Impulse, helfen beim Bündeln, machen die Produkte erlebbar. Das machen wir seit 2012 über Ganzjahreskampagnen. Dieses Jahr starten wir mit dem Markenclaim „Bayern traditionell anders“. Damit werden wir die nächsten Jahre arbeiten und darunter unsere Jahreskampagnen stellen.  Leitmotiv 2016 sind „Traditionsmomente“. Geschichten aufbauen. Menschen erzählen lassen. Zum Beispiel die von jungen Leuten, die zwar traditionell auch noch Blasmusik spielen – aber das alte durch Brass-Musik noch mal auf ein modernes, anderes Level heben.  Wir nennen das „Das neue Blech“.

 

Welche Rolle spielt Content-Marketing in eurer Strategie?

Huwald: Das ist mittlerweile der Dreh- und Angelpunkt unserer Marketingaktivitäten. Wir entwickeln Themenbereiche, und daraus erzählen wir dann Geschichten. Alles wird in vernünftiger Qualität redaktionell produziert, um für Bayern zu emotionalisieren. Das umfasst gute Texte, Fotos, Bewegtbild und Virtual Reality.

 

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Aussendung vom 20.6.2016

Interview der Woche

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…mit TUI Deutschland-Chef Sebastian Ebel

Ein Gespräch über eigene Hotelmarken im Inland, den Trend zum Deutschlandtourismus und warum ein Investment ins Netz auch einen Gewinn für die Reisebüros bedeutet.

 

Herr Ebel, TUI schafft mehr Marktanteile in Deutschland, viele Länder und Segmente haben zugelegt.
Woher kommt das Plus?

Ebel: Aus den verschiedensten Bereichen. Zum Beispiel wachsen wir im westlichen Mittelmeer, auf der Fernstrecke, bei Ferienwohnungen und den Autoreisen. Auch die Sortimentserweiterung mit unseren eigenen Produkten zahlt sich aus. Marktanteile verteilen sich aber generell im Moment um.

 

Kommt das Wachstum eher aus dem stationärem Vertrieb oder dem Onlinegeschäft?   

Ebel: Wie unsere Studie gemeinsam mit Google deutlich zeigt: Viel passiert erst einmal im Web, doch dann wird oft noch im Reisebüro gebucht. Für uns heißt das: Jede Investition ins Netz ist auch eine für unsere Reisebüros.

 

Wobei nicht nur der Kunde moderner wird. Auch die Pauschalreise verändert sich. In welche Richtung?

Ebel: In erster Linie mit der nahezu unbegrenzten Kombinierbarkeit von Flügen, Hotels, Mietwagen, Campern und anderen Leistungen. Da ist immer weniger starr, die Pauschalreise ist zu einer ziemlich individuellen Sache geworden. Auch Hotelkonzepte werden immer passgenauer auf die Wünsche der Kunden zugeschnitten. Und natürlich gehört zur Modernisierung der Pauschalreise die Anbindung an digitale Services. Vom Finden einer Reise über die Buchung bis zum Check-in kann alles digital erfolgen.

 

Machen Ihnen die Überkapazitäten im Flug-  und Hotelbereich Sorgen hinsichtlich der Preisentwicklung?

Ebel: In der Tat sind Flüge günstiger geworden. Aber nicht nur aufgrund von Überkapazitäten. Auch der  sinkende Kerosinpreis und die steigende Effizienz der Airlines drücken die Preise. In jedem Fall unterstützt es die Nachfrage für Langstreckenziele bei uns. Davon profitieren wir im Moment eher, weil sich viele jetzt mal etwas leisten, das vor Jahren unbezahlbar schien.

 

Zum Deutschlandtourismus: Was kann ein Veranstalter speziell hier leisten?

Ebel: Wie bei einer Pauschalreise gibt es hier bei einer Buchung über uns Schutzfunktionen für den Endkunden. Zum Beispiel sind alle Unterkünfte wirklich geprüft. Das kann man von Hotelportalen nicht behaupten. Über uns kann man vor Ort Ausflüge und Events dazu buchen. Und natürlich sind wir erster Ansprechpartner, wenn  Probleme auftauchen sollten.

 

TUI Ferienhaus hat ein gutes Sommergeschäft. Am häufigsten gebucht: die Ostsee. Insgesamt verzeichnet Deutschland hier ein Plus von 15 Prozent. Wie wird sich dieses Segment künftig entwickeln?

Ebel: Der Inlandstourismus wird sich weiter sehr positiv entwickeln. Gerade das Thema Kurzreisen, vielfach themenbezogen – etwa jetzt zur Kieler Woche oder Eventreisen zu Konzerten in bestimmte Städte. Dementsprechend wollen wir hier Marktanteile gewinnen. Auch Apartments in Städten machen wir buchbar.

 

Aber im Hotel- und Unterkunftsbereich sind Player wie Booking.com und Airbnb die Platzhirsche. Wie wollen sie in diesem Segment stärker als bisher sichtbar werden?

Ebel: Wir brauchen zum einen ein relevantes Angebot, also zehntausende von Unterkünften. Deshalb erweitern wir gerade unser Angebot an Apartments, Auto- und Städtereisen. Dann müssen Preis und Qualität natürlich stimmen. Unser Vorteil ist: Wir haben sieben Millionen zufriedene Pauschalreise-Kunden – diesen Schwung müssen wir in dieses Segment mitnehmen.

 

Wie hoch ist der Anteil der Deutschlandreisen am Gesamtgeschäft?

Ebel: Bei den Buchungen relativ hoch, beim Umsatz deutlich kleiner, weil der Fluganteil fehlt. Bei Buchungen sprechen wir von etwa einer halben Millionen. Ohne Ferienhäuser, nur Kataloggeschäft.

 

In Fleesensee gibt es ab Ende des Jahres ein Haus der BLUE-Collection, auch Robinson sucht in Deutschland nach Standorten. Wird es also bald mehr Eigen-Marken hierzulande geben?

Ebel: Es macht Sinn, Marken die im Ausland wachsen und bekannt sind, auch in Deutschland stärker zu positionieren. Wir haben jetzt ja auch das erste RIU Hotel in Berlin. Aber wir müssen die passenden Standorte finden. Und das ist hierzulande eine Herausforderung. Aber es ist richtig hier zu investieren.

 

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Aussendung vom 13.6.2016

Interview der Woche

 

 

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…mit Peter Linden, Trainer, Dozent und Journalist

Ein Gespräch über den Ist-Zustand deutscher Reiseteile, das Storytelling von Fremdenverkehrsämtern und wie man mit guten Geschichten Produkte und Regionen verkaufen kann.

 

In Sachen Reisejournalismus und Medienwirkung gibt es keinen Trainer, der so viele Zeitungen, PR-Agenturen, aber auch Pressestellen und Fremdenverkehrsämter beraten hat. Was ist die wichtigste Message, die Sie allen mitgeben?

Linden: Alles in allem heißt das Zauberwort „Storytelling“. Man sollte aufhören nur Produkte zu verkaufen, sondern wieder mehr Geschichten erzählen.

 

Aber alle sagen doch schon immer, guter Content sei das A und O – auch beim Marketing. Nur so wird man als Destination oder Region wahrgenommen, oder?

Linden: Auf jeden Fall. Wir kennen das aus der Werbung. Es gibt Spots, die begeistern monatelang im Internet und werden geteilt ohne Ende. Weil die Leute es rührend und bewegend finden, was da erzählt wird. Und darüber merkt man sich dann das Unternehmen, das hinter der Werbung steckt. Oder den Ort. Menschen hören und sehen einfach gerne gute Geschichten.

 

Aber warum gibt es dann so viele schlechte Geschichten, so viel Beliebigkeit, gerade im Reisebereich?

Linden: Weil es immer wieder zu dem Problem kommt, dass die Leute zuerst den Verkauf sehen – und nicht die Art und Weise, wie man ein Produkt jeweils am besten verkaufen könnte. Da unterscheiden sich PR-Branche und Journalismus übrigens gar nicht voneinander. Man muss sich in beiden Bereichen gut überlegen, mit welchem Vehikel man welche Information am besten transportiert. Tut man das nicht, werden keine Geschichten erzählt, sondern den Leuten nur Fakten um die Ohren geknallt. Der Slogan „Fakten, Fakten, Fakten“ ist so gesehen die Beerdigung des Erzählens einer guten Geschichte.

 

Was sollten Presseverantwortliche und Journalisten also besser machen?

Linden: Journalisten müssen endlich wieder anfangen an ihre Leser zu denken – und nicht zuerst an jene, die sie eingeladen haben. Da besteht leider eine gewisse moralische Abhängigkeit. Wenn man tagelang mit dem Hotelier oder jemandem vom Fremdenverkehrsamt unterwegs ist, ist die Gefahr groß, dass man die Message des Einladers zu seiner eigenen macht.

 

Sie haben Reiseteile mit der Readerscan-Methode analysiert. Wie nutzen Leser heute den Reiseteil in der Tageszeitung?

Linden: Die Analysen habe ich nicht selbst gemacht. Dieses wirklich gute System zur Analyse von Lesegewohnheiten mit Hilfe eines Scanners in Stiftform entwickelte Carlo Imboden aus der Schweiz. Ich hatte nur Zugriff auf die Ergebnisse. Aber was man sagen kann ist, dass je werblicher und beliebiger die Themen sind, desto schlechter die Quote. Oder andersherum: Wenn es im Reiseteil eine Verbindung zu einem Thema gibt, dass die Leute gerade sowieso interessiert, dann ist die Quote hoch.

 

Gibt es ein aktuelles Beispiel?

Linden: Ja. Zum Beispiel die Reportage in der Süddeutschen Zeitung neulich über die Versöhnung der Hoteliers auf der Insel Kos mit der Flüchtlingsproblematik. Ihren Versuch, diesen Sommer jetzt irgendwie damit zurechtzukommen. Ihren Versuch, die Insel wieder positiv zu sehen. Diese Geschichte wurde gut gelesen, weil sie verschiedenste Lesergruppen abgeholt hat.

 

Und wie viele Leser nutzen den Reiseteil?

Linden: Im Durchschnitt zehn Prozent und weniger. Ausreißer nach oben gibt es nur, wenn ein Text eine Relevanz über die reine Ortsbeschreibung hinaus hat.

 

Zehn Prozent und weniger sind dramatisch wenig. Da kann man den Reiseteil vielerorts ja gleich einstellen.

Linden: Genau. Und einige Zeitungen tun das auch. Der Reiseteil wird dort mit anderen schwach genutzten Ressorts zusammengelegt. Das ist dann fast die letzte Chance, noch ein paar Stippvisiten mehr auf den Reiseseiten zu bekommen. Aber die bessere Möglichkeit ist, den Reiseteil neu zu konzipieren. Raus aus dem werblichen Bereich – hin zu faszinierenden Geschichten. Der Leser will nicht dauernd das Gefühl haben, im Reiseteil etwas verkauft zu bekommen. Er will guten Lesestoff. Und hier sollte man gemeinsam ansetzen. Denn am Ende verkauft man auch nur über gute Geschichten ein Produkt. Da haben Verlage, Journalisten und Fremdenverkehrsämter also im Prinzip ähnliche Interessen.

 

Wie müsste dann eine erfolgreiche Zusammenarbeit dieser Akteure aussehen?

Linden: Ich glaube, Zusammenarbeit ist das falsche Wort. Wenn jeder seine Hausaufgaben professionell macht, dann kommt am Ende etwas Vernünftiges dabei heraus. Der Journalist muss wieder journalistischer denken. Die Fremdenverkehrsämter müssen an ihrem  Storytelling arbeiten. Und die Verleger müssen aufhören den Reiseteil als Anzeigen-Melkkuh zu begreifen, gleichzeitig aber die Seiten qualitativ vor die Hunde gehen zu lassen. So gut wie alle Reiseredaktionen sind wirtschaftlich und personell katastrophal ausgestattet.

 

Die drastisch schrumpfende Reichweite klassischer Reiseteile, das Nutzerverhalten der Leser und die oft fehlende Qualität lassen die Anzeigenerlöse der klassischen Verlage einbrechen. Die Marketing-Abteilungen versuchen neue Wege, zum Beispiel mit Bloggern. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?

Linden: Blogger haben in der Regel eine noch viel geringere Reichweite als schlecht genutzte Print-Reiseteile. Das ganze Social-Media-Thema hat eher damit zu tun, dass die Werbebudgets breiter gestreut werden. Nicht nur der Reisebereich bekommt den Trend im Netz zu spüren. Der Kunde schaut heute genau hin, ob sich da, wo er sein Geld ausgibt, auch wirklich Leser aufhalten.

 

Abschlussfrage: Wie sieht die Zukunft des Reisejournalismus aus?

Linden: Den Berufswunsch Reisejournalist gibt es bei jungen Menschen kaum mehr. Es gibt ja auch keine Stellen. Und die Erfahrenen kommen nicht mehr über die Runden mit der Art und Weise, wie sie touristische Berichterstattung machen. Also verändert sich zwangsläufig etwas.
Junge Journalisten sind heute oft in anderen Ressorts tätig – machen aber ab und zu eine Reisereportage, wenn sie eine tolle Idee haben. Und von denen, die schon lange dabei sind, schreiben immer mehr auch außerhalb der Reiseseiten. Das kann eine Lösung sein. Man bleibt nicht mehr so unter sich im Reisejournalismus, man muss sich zwangsläufig öffnen. Und diese Öffnung bringt etwas.

 

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Aussendung vom 6.6.2016

Interview der Woche

 

2014-04-10_Urlaubsguru_521              2014-04-10_Urlaubsguru_514

…mit Daniel Krahn (links) und Daniel Marx, den Gründern und Machern von Urlaubsguru.de

Ein Gespräch über Glaubwürdigkeit als Geschäftsmodell, die steigende Bedeutung des Deutschlandtourismus auf dem Blog – und darüber, warum man sich bei Geschäften im Internet nicht von Bürokratie abschrecken lassen darf.

 

In den letzten Wochen war Urlaubsguru medial sehr präsent: Die Weltreise-Praktikantin und die Urlaubs-Flatrate haben euch landauf landab redaktionelle Flächen beschert, die ein Anzeigenäquivalent von hunderttausenden von Euro gehabt hätten. Selbst erstaunt, dass diese  PR-Tester-Masche immer noch so gut zieht?  

Krahn: Für uns ist das gar keine Masche. Für uns gehört es zur Philosophie, dass wir unsere Deals auch selbst immer wieder testen. Unseren ersten Testpraktikanten haben wir 2013 in ein Drei-Sterne-Hotel in die Türkei geschickt, damals saßen wir noch auf 80 Quadratmetern Bürofläche zusammen. In erster Linie geht es uns darum, die Testinhalte für unseren Blog zu bekommen. Dass wir damit auch noch mediale Aufmerksamkeit bekommen, ist natürlich cool – aber das war nicht Kern des Anstoßes.
Die 5000 Bewerbungen haben wir ja auch alle nur auf Urlaubsguru.de akquiriert.

Marx: Für uns ist das community driven content, bei Zeitungen würde man zu so einer Aktion Leser-Blatt-Bindung sagen. Für unsere Nutzer ist es einfach glaubwürdig, wenn da jemand ist, auf den man seine Sympathien übertragen kann. Der uns hier unterschwellig suggerierte Marketingplan war so nicht vorhanden. Wir haben ja bis heute nicht mal einen richtigen Businessplan.

 

Eine Woche Kapverden samt Flug und Hotel für 291 Euro. Acht Tage Sardinien für 170 Euro. Derart ungesunde Preise klingen nach kapitalistischem Endstadium oder fehlerhaften Verknüpfungen in komplexen Buchungssystemen. Wo liegt die Wahrheit?

Marx: Die eben genannten Angebote waren keine Error Fares, sondern Restkontingente. Das ist Kapitalismus wie man ihn seit 1860 aus den USA kennt. Und das ist heute 2016 in Deutschland noch nicht anders. Die Angebote sind ja auch nicht von uns gestrickt: Wir zeigen nur den Weg dorthin. Das ist unser Service.

 

Wenn ich Veranstalter wäre, würde ich aktiv an Urlaubsguru.de herantreten und euch meine Überkapazitäten als Deals anbieten. Kommt das vor oder sind eure Reisen Zufallsfunde?

Marx: Es gibt schon Leute, wie jetzt zum Beispiel ein neues Hotel aus Berlin, die auf uns zukommen. Im konkreten Fall bekamen wir für unsere Community auf den Bestpreis noch einmal einen zeitlich begrenzten Eröffnungs-Rabatt von zehn Prozent. So hat das Ganze einen Deal-Charakter bekommen, denn es gibt deutschlandweit keinen besseren Preis.

 

Also kann man sich bei Urlaubsguru.de einkaufen – aber ihr verlangt im Gegenzug den günstigsten Preis dafür.

Krahn: Wir definieren uns über das Preis-Leistungs-Verhältnis. Wenn der Deal nicht in Ordnung ist, dann kann eine Online Travel Agency (OTA) so viel mit den Scheinen wedeln, wie sie will.  Wir sind uns sehr bewusst, was wir hier aufgebaut haben, und das pflegen wir. Aber unsere Leser werden nie ein Problem damit haben, günstig in den Urlaub zu kommen – und dass wir daran auch noch etwas verdienen. Stimmt der Deal, kann man sich gerne bei uns melden.

 

Gibt’s Überlegungen selbst als OTA in den Reisevertrieb einzusteigen?

Marx: Nein. Wir fühlen uns in der Rolle, die wir eingenommen haben, extrem wohl. Und so sind wir unabhängig.

 

Um einen Top-Deal zu finden, vergeht manchmal mehr Zeit als bei einem Verkaufsgespräch im Reisebüro. Trotzdem bekommt Urlaubsguru nur rund die Hälfte der Provision. Ist das unfair?

Marx: Ach, unfair. Wichtig ist nur, dass das, was wir anbieten, fair ist. An vielen Deals, etwa an Billigflügen oder kleinen Hostels, verdienen wir nicht einen Cent. Trotzdem machen wir’s. Weil ein Wochenende in Barcelona für 59 Euro für uns gutes Marketing ist. Es sind gerade die Deals, an denen wir nichts bis kaum verdienen, die auf dem Blog für Furore sorgen. Die merken sich die Leute, kommen wieder – und buchen beim nächsten Mal vielleicht etwas Teureres.

Krahn: Ein guter Deal-Sucher braucht rund 20 Minuten, um ein Angebot zu finden. Es gibt aber auch Rundreisen, da sitzt man acht bis zwölf Stunden dran, weil alles händisch durchsucht werden muss. Einen Such-Algorithmus für die besten Deals gibt es nicht. Rund 30 Deals gehen dann jeden Tag online. Aber das Sich-inspirieren-lassen fängt oft viel früher an, vielleicht, wenn jemand von uns morgens auf dem Weg ins Büro an einem Plakat vorbeiläuft, auf dem New York zu sehen ist. Man muss einfach richtig Bock auf ein Thema haben.

 

Man kann den Urlaubsguru aber auch mit einer individuellen Reisesuche beauftragen. Kostenlos. Sprengt das nicht den Rahmen?

Marx: Dieser Service entspringt unserer Gründerzeit. Genauso haben wir ja angefangen: Am Anfang haben wir für Freunde und Bekannte die besten Angebote für ihre Wunschreise zusammengesucht. Heute haben wir ein Team von 20 Mann, das bis zu 250 Anfragen täglich in drei Schichten abwickelt. Je nachdem wie groß die virtuelle Warteschlange ist, hat man in wenigen Stunden seine Vorschläge.

 

An der Stelle sind Sie direkter Konkurrent für die Reisebüros.

Krahn: Ja. Aber wir sind mittlerweile einem stationären Büro weitaus überlegen, nicht nur was Service und Beratung angeht, sondern auch bei den Öffnungszeiten und natürlich beim Preis-Leistungs-Verhältnis.

Marx: Aber das Lustigste ist, dass immer öfter ältere Menschen unten vor der Tür standen, weil sie von ihren Enkeln von uns gehört hatten. Folge: Wir haben jetzt recht neu den „Guru vor Ort“: eine Holzecke mit zwei Flugsesseln, Schreibtisch und Monitoren. Was dort dann stattfindet, nennen wir mit einem Schmunzeln „Betreutes Buchen“. Da funktioniert die Mund-zu-Mund-Propaganda vom Feinsten, mittlerweile kommen halb Unna und Holzwickede.

 

Bitte führen Sie diese Sätze zu Ende:

Wer im Internet erfolgreich sein will, muss…

Marx: …den Weg von Anfang bis zum Ende gehen und darf sich nicht von Bürokratie aufhalten lassen.

Ein guter Mitarbeiter kann …

Krahn: …die gleiche Leidenschaft zum Produkt entwickeln, wie man selbst als Gründer.

Deutschland als Reiseland wird …

Marx: …sich in den nächsten Jahren viel stärker in den individuellen Bereich verändern. Klassische Pauschalreisen werden immer weniger im Fokus stehen.

 

Bei Urlaubsguru finden inländische Angebote allen voran als Städte- oder Familienreisen statt. Wie hoch ist der Anteil an den Gesamtbuchungen?

Marx: Zwischen dem, was eine hohe Reichweite hat, und dem, was tatsächlich gebucht wird, gibt es ein konträres Verhältnis. Ohnehin können wir nur hochrechnen, was jemand dort bucht, wohin wir ihn geführt haben.  Was wir aber deutlich sehen ist, dass Deutschlandprodukte zurzeit sehr stark gefragt sind.

 

Gibt es ein eigenes Team, das Angebote speziell für den deutschen Raum sucht?

Krahn: Nein. Unsere Länderteams kümmern sich nicht um landesspezifische Deals, sondern betreuen komplett die jeweilige Landesseite. Aber natürlich tauschen sich diese Teams aus über das, was in ihrem Land los ist, was bei der Community gut läuft – oder was nicht.

 

Wie setzt sich denn die Community überhaupt zusammen?

Marx: Die meisten sind zwischen 24 und 40 Jahre alt – und eher weiblich.

 

Betreiben Sie deshalb mit Schnäppchenfee.de auch noch ein eigenes Portal für Frauen? Und wird es weitere Blogs geben?

Krahn: Wir sehen, dass unsere Zielgruppenportale „Schnaeppchenfee.de“, „Captain-Kreuzfahrt.de“ und „Prinz-Sportlich.de“ alle gut funktionieren. Der Blog „Mein-Haustier.de“ ist sogar der größte Haustier-Bedarfsblog deutschlandweit – eine ganz eigene Erfolgsgeschichte. Und die Verbindung zu Urlaubsguru.de ist immer hergestellt. Überlegungen, diese Portale in anderen Ländern auch zu starten, die gibt es.

 

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Tui Cruises: Techno-Kreuzfahrt ab Mallorca

Nach der Full Metal Cruise und dem Rockliner folgt 2017 eine Kreuzfahrt für Elektrofans.  Kooperationspartner der ersten „World Club Cruise“ ist BigCityBeats, Veranstalter des World Club Dome mit bis zu 120.000 Besuchern am vergangenen Wochenende. Zum Line-up der Kreuzfahrt vom 25. bis 29. April 2017 gehören unter anderem  der deutsche DJ-Superstar und zweifache Echo-Gewinner Robin Schulz sowie „Gestört aber GeiL“. Los geht’s ab Palma de Mallorca durchs westliche Mittelmeer mit Stopp in der Party-Hochburg Ibiza. Man sei überzeugt, dass man mit dem Konzept „Clubber als neue Zielgruppe für das Thema Kreuzfahrt begeistert“, sagt Wybcke Meier, CEO von TUI Cruises.

Hessen: Was der Blick von außen Touristikern aufzeigt

Der Hessenschau ist mit einer Multimedia-Reportage ein guter Einblick in die Gedanken eines Langzeiturlaubers aus den Niederlanden gelungen. In „Hessen statt Holland“ blickt Marijn Dorrestijn auf ihre Eindrücke aus 60 Tagen in und um Frankfurt zurück. Wie gewöhnungsbedürftig dabei für Auswärtige Schnitzel und Pommes zum Mittag und das ständige Mitführen von Bargeld sind, wird ebenso gezeigt, wie das völlig rückständige Radwegenetz in der Mainmetropole und die als „krass“ empfundene, sichtbare Armut. Andererseits zeigt die Reportage auch die Stärken, mit denen Hessen touristisch punkten konnte: regionale Spezialitäten wie Grüne Soße zum Beispiel, die stadtnahen Weingegenden, der Taunus als Erholungsgebiet sowie der Nahverkehr. Zu denken geben sollte den touristisch Verantwortlichen die Aussage, dass Hessen der Versuchsperson – immerhin eine Journalistin – vorher nicht bekannt war

 

Städte & Regionen

Düsseldorf: Zimmervermittlung für Tour de Frane gestartet

Rund 13 Monate vor dem Start der Tour de France vom 29. Juni bis 2. Juli 2017 beginnt die Düsseldorf Marketing & Tourismus GmbH (DMT) auf ihrer Website mit der Vermarktung der Zimmer für den Grand Départ. 20 Hotels von zwei bis fünf Sternen sind buchbar. Der Grand Départ beginnt offiziell mit der Vorstellung der Mannschaften am Donnerstag, 29. Juni 2017. Am 30. Juni 2017 folgt ein Training, ehe am 1. Juli 2017 das Einzelzeitfahren ansteht. Am Sonntag, 2. Juli 2017, startet zum Abschluss die zweite Etappe des weltweit wichtigsten Radrennens. Über Sinn und Unsinn, die Tour nach Düsseldorf zu holen, hatte es im Vorfeld große Diskussionen gegeben. Immerhin belaufen sich die Gesamtkosten auf rund elf Millionen Euro, sechs trägt allein die Stadt. Am Ende gab genau eine Stimme im Stadtrat (40:39) den Ausschlag für die Bewerbung.

Drei neue Themenradwege im Bergischen Land

Das Bergische Land bietet seit dem Wochenende drei neue Themenradrouten: die „aqualon-Runde“, den Dhünn- und den Wupper-Rundkurs. Die einmal 50 und zweimal 40 Kilometer langen Wege bilden ein Trassen-Trio, das sich durch eine Kombination aus flachen Bahntrassen-Radwegen und sportlich anspruchsvolleren Strecken auszeichnet. Höhepunkte sind je nach Abschnitt zum Beispiel die Große Dhünntalsperre, der Altenberger Dom und die Industriekultur bis zur Rhein-Mündung.

 

Flug & Verkehr

AirAsia will Billiglangstrecke ab Frankfurt anbieten

Der asiatische Billigflieger AirAsia plant in den nächsten zwölf Monaten ab Frankfurt Direktflüge nach Bangkok aufzunehmen. Airline-Chef Tony Fernandes sagte am Rande des Weltwirtschaftsforums in Kuala Lumpur, das Passagierpotenzial bei Touristen sei „in beide Richtungen riesig“. Das Ticket soll bei rund 200 Euro liegen. Bei Lufthansa und Thai Airways ist die Verbindung nur mit Glück unter 700 Euro buchbar. Ob derartige Kampfpreise auf der Langstrecke funktionieren könnten, muss sich allerdings erst zeigen: Das Schwesterunternehmen AirAsia X scheiterte zwischen 2009 und 2012 mit Billig-Langstrecken ab London und Paris wegen zu hoher Kosten. Der Preis für Kerosin, dem größten Kostentreiber für Airlines, hat sich seit 2012 aber mehr als halbiert, zudem steht heute effizienteres Fluggerät zur Verfügung.

DFS: Mehr als drei Millionen Flüge

Die Zahl der von der Deutschen Flugsicherung (DFS) geplanten und geleiteten Flüge im Luftraum ist im vergangenen Jahr gestiegen – auf etwas mehr als drei Millionen. Das geht aus dem aktuellen Mobilitätsbericht der DFS hervor. 38 Prozent der Flugbewegungen waren Überflüge. Wurde ab Deutschland gestartet, ging es am häufigsten nach Spanien, gefolgt von Großbritannien, Italien, Frankreich und der Türkei. Wichtigstes Ziel auf der Langstrecke waren die USA. Die Drei-Millionen-Marke wurde erstmals seit 2011 wieder überschritten. Die Wachstumsprognose für 2016 für den deutschen Luftraum liegt bei ein bis vier Prozent.

Millionenstrafe für die Deutsche Bahn

Die Deutsche Bahn muss dem Bund bis zu 15 Millionen Euro bezahlen, weil sie im vergangenen Jahr auf vielen Strecken im Fernverkehr nicht das vorgesehene Tempo erreicht hat. Auch im Regionalverkehr behalten die Verkehrsverbünde jährlich rund 200 Millionen Euro ein, weil die Bahn auch hier ihrer Verpflichtung, gute Gleisanlagen zur Verfügung zu stellen, nicht ausreichend nachkommt. Nach Angaben des Bundesverkehrsministeriums müssen Züge derzeit an rund 70 Stellen langsamer fahren als möglich, weil marode Streckenabschnitte und Brücken dies erfordern. Hinzu kommen etliche Tempobeschränkungen wegen Bauarbeiten. 2015 kamen allein streckenbedingt  3700 Verspätungsstunden zusammen. Das Gleisnetz der Bahn umfasst 33.000 Kilometer.

 

Veranstalter

Frosch Sportreisen: E-Mountainbikdes polarisieren Outdoorszene

Trotz aller Diskussionen unter Outdoor-Freunden bietet Frosch Sportreisen in diesem Jahr erstmalig E-Mountainbike Touren an. Damit folgen die Münsteraner einem stark polarisierenden Trend. Denn in der Mountainbike-Szene teilen sich die Meinungen über das Fahren im Gelände mit elektrischer Unterstützung. Während die Befürworter es begrüßen, dass sich der Sport so auch leistungsschwächeren Fahrern öffnet und ambitionierten Fahrern größere Reichweiten ermöglicht werden, sehen die Kritiker darin eine Verfälschung des ursprünglichen Sports. „Die Diskussionen in der Szene nehmen wir wahr“, sagt Sprecher Sebastian Rosendahl. Man habe jedoch entschieden, sich diesem Trend testweise zu öffnen. Im Programm sind nun E-Bike-Touren in Kitzbühel und in der Toskana.

BigXtra chartert zwei Donauschiffe

Der Direktveranstalter Big Xtra bietet ab sofort All-Inclusive-Kreuzfahrten auf der Donau zwischen Passau und Budapest auf. Die achttägigen Reisen an Bord der Kreuzer MS Moldavia oder MS Ukraina sind ab 479 Euro pro Person buchbar. Die Reisen werden über den Reiseshoppingsender sonnenklar.TV, Reisebüros sowie über Partner Lidl vertrieben. Die Schiffe fahren bis zum 30. September jeweils mittwochs und freitags ab Passau. Die baugleichen Flusskreuzer bieten jeweils 88 Kabinen und damit Platz für bis zu 170 Gäste. Beide Schiffe verfügen zudem über eine Außenpromenade auf dem Oberdeck. Trotz des Hochwassers wegen der teils schweren Regenfälle der letzten Tage ist der Schiffsverkehr ab Passau derzeit nicht eingeschränkt.

 

Marketing

Neue IHK-Studie: Shoppingtouristen wichtiger als Übernachtungsgäste

Der Baden-Württembergische Industrie- und Handelskammertag (BWIHK) arbeitet in seiner aktuellen Broschüre „Handel und Tourismus”  die Bedeutung des Shopping-Tourismus für touristische Regionen heraus. Tagesgäste seien insgesamt wichtiger als Übernachtungsgäste. Derlei Studien sind zwar nicht neu und werden auch von anderen Bundesländern regelmäßig für die  Marktforschung unternommen, dennoch ist die Untersuchung lesenswert, da neben purem Zahlenwerk und Statistik auch Einzelhändler und City-Manager zu Wort kommen. Mögliche Kooperationen zwischen Tourismusunternehmen, Stadtmarketing und Einzelhandel werden beleuchtet. Dazu gibt es handfeste Tipps, welche Maßnahmen eine Stadt ergreifen sollte, will sie für Shopping-Touristen attraktiv sein. Mit der Studie beauftragt war das Deutsche Wirtschaftswissenschaftliche Institut für Fremdenverkehr e.V. an der Universität München.

 

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Aussendung vom 1.6.2016

Interview der Woche

 

Bernd Fischer

 

…mit Bernd Fischer, Geschäftsführer des Tourismusverbandes Mecklenburg-Vorpommern.

Ein Gespräch über die Finanzierung von Tourismusarbeit, das Netzwerken unter einem Dach und darum, warum Deutschland nicht automatisch von der unruhigen Lage anderswo profitiert.

 

Herr Fischer, Mecklenburg-Vorpommern hat hinsichtlich der Übernachtungszahlen gerade das beste erste Quartal seit 1990 erzielt, 3,8 Millionen. Was sind die Hauptgründe für diesen Erfolg – aber auch für den der letzten Jahre?

Fischer: Da muss man ein Stückweit in die Geschichte zurückschauen, in Mecklenburg-Vorpommern hat es eine ganz konsequente Ausrichtung auf eine touristische Entwicklung als Bundesland gegeben. Die Infrastruktur wurde stetig weiterentwickelt, von Radwegen und Wasserwanderrastplätzen über die Marinas an der Küste bis hin zu Freizeiteinrichtungen, die ihre Funktion in der Saisonverlängerung haben. Da haben wir inzwischen sehr bekannte Standorte wie das Ozeaneum, das Darwineum und das Müritzeum, aber auch private Investitionen wie Karls Erlebnisdorf mit mehreren Standorten. Da ist für unsere Hauptzielgruppen immer etwas dabei.

 

Wer sind denn ihre Hauptzielgruppen?

Unter verschiedenen Gesichtspunkten verstehen wir uns als Familienreiseland. Mecklenburg-Vorpommern hat bei Besuchern mit Kind einen Marktanteil von rund 30 Prozent. Da sind wir im Vergleich der Bundesländer Marktführer. Aber auch Radfahren und bei älteren Gästen immer häufiger Wandern sind wichtig.

 

Ich dachte immer, die Menschen kommen in erster Linie wegen der Küste und Strände.  

Natürlich. Baden ist mit 40 Prozent das Hauptreisemotiv. Aber das ist ja vielgestaltig.

 

Woher kommen Ihre Gäste?

Zunächst einmal ist erfreulich, dass wir den Anteil der Erstkunden jährlich auf zehn bis zwölf Prozent steigern konnten, die meisten übrigens aus den westlichen Bundesländern. Dazu haben wir einen Stammkundenanteil von 40 Prozent, das sind wiederum viele Gäste aus den östlichen Bundesländern. Das ist eine gute Mischung. Die meisten Gäste in Summe kommen aus NRW und Baden-Württemberg. Und dass wir es als nordöstliches Bundesland schaffen, 53 Prozent unserer Gäste aus den Westländern zu gewinnen, macht uns froh.

 

Um künftig weiter erfolgreich zu arbeiten, haben Sie und ihr Team vor zwei Monaten ihre Büros im  „Haus des Tourismus“ am Stadthafen in Rostock bezogen. Was ist die Idee dahinter? 

Im Wesentlichen geht es darum, die verschiedenen Fachbereiche des Tourismus näher zusammen zu bringen. Und wie das gelungen ist, das ist deutschlandweit einmalig: Wir haben den DEHOGA bei uns im Haus sitzen, den Bäderverband, den Verband für Camping- und Wohnmobiltourismus, den Ostseebäder-Verband, den Fachverband Landurlaub sowie verschiedene Projektbüros, die uns mit dem Gesundheitstourismus verbinden. Dazu ist noch ein Büro für den internationalen Ostseetourismus in Planung. Die Wege sind jetzt für alle Akteure kurz. Das hilft.

 

Der Neubau hat 6,3 Mio. gekostet. Der größte Teil kam vom Wirtschaftsministerium in Schwerin. Weiß die Politik also doch um die immense wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus? Lange schien es, als drücke man sich um die Frage einer aktiven Tourismusfinanzierung.

Ich glaube schon, dass das Land sehr früh erkannt hat, dass der Tourismus eine wichtige Wirtschaftssäule ist. Eine zwar durchaus auch kleinteilige, aber eine, die sich selber trägt.

 

Also sind Sie mit der finanziellen Ausgestaltung ihres Verbandes zufrieden?

Im Prinzip ja, wobei wir hier nach Ansätzen suchen, wie wir die teils komplexe Finanzierung für den Tourismus und das Marketing besser aufstellen könnten.

 

Würden Sie sich ein Modell wie in Österreich wünschen?

Ja, natürlich! Wir haben das auf dem Tourismustag auch diskutiert. Und wenn es ein Bundesland gäbe, das ein Finanzierungsmodell nach Vorbild Österreichs samt Tourismusgesetz einführt, dann mussten wir das erste Bundesland sein. Denn bei uns hat der Tourismus eine bedeutende Querschnittsfunktionalität vom Einzelhandel über die Landwirtschaft bis zu Verkehr und Kultur, wie sie in Wirtschaftsstrukturen einmalig ist. Das wäre für Mecklenburg-Vorpommern also ein Ansatz, den man verfolgen könnte.

 

Sie sagen dem Verband geht es gut, doch wie sieht die finanzielle Lage bei den kleineren Tourist-Infos aus, speziell in Gemeinden, die keine Kurtaxe erheben dürfen?

Das ist sicher eines der kritischen Probleme. Und da geht es nicht nur um die Tourist-Infos, sondern generell um den Anteil, den Kommunen leisten müssen, um die touristische Infrastruktur so auszubauen, dass das funktionierende Gesamtkunstwerk Tourismus funktioniert. Wenn wir gute Radwegenetze und Wasserrastplätze haben wollen, brauchen wir auch die Mitarbeit von Kommunen, die nicht vordergründig vom Tourismus leben.

 

Eine weitere politische Baustelle ist die Reform der Wasser- und Schifffahrtswege. Wie ist hier der Stand? Welche Probleme könnten auf den Tourismus zukommen?

Vom Bundesverkehrsministerium wird seit längerem an der Reform gearbeitet. Die Zwischenergebnisse, die uns erreicht haben, lassen uns aber hellhörig werden. Insbesondere die sogenannten grünen Netze könnten zusammenhängende Biotope vorsehen. Dann stellt sich aber die Grundsatzfrage, ob dort überhaupt Tourismus stattfinden darf? Da entstehen Konfliktsituationen für Hotels und andere touristische Anbieter, die an Flüssen liegen. Kiten und Surfen könnte massiv eingeschränkt werden, gleiches könnte für das Wasserwandern oder für Hausbootferien gelten. Da gibt es viele offene Fragen, die dringend der Klärung bedürfen. Ende des Jahres rechnen wir mit offiziellen Beschlüssen des Kabinetts.

 

Ein wichtiger Baustein des Erfolges ist immer eine gute Außen-Kommunikation verbunden mit einem guten Marketing. Wie viel investiert MV 2016 in Werbemaßnahmen – und was kann man vielleicht mit Kreativität besser als mit Geld? 

Schwierige Frage. Wir haben in diesem Jahr ein Marketingbudget von 2,4 Millionen Euro. Das ist die eine Seite der Wahrheit. Anderseits machen wir viel über Kooperationen und beteiligen womöglich Partner. Ein gelungenes Beispiel ist hier unser hochwertiges, sehr journalistisch gemachtes Urlaubsmagazin, ein multimediales Schlüsselkommunikationsinstrument. 750.000 gedruckte Exemplare, verteilt durch zwei große Tageszeitungspartner in NRW und Baden-Württemberg, 600.000 E-Magazine sowie 25.000 verteilte Exemplare auf Messen transportieren unsere Themen erfolgreich direkt zum Gast.  Wobei wir gerade schauen, wie es in Baden-Württemberg nach dem Aus für Sonntag Aktuell weiter geht. Wir sind da aber auch nicht festgelegt. Gegebenenfalls erweitern wir unser Engagement in Hessen, da sehen wir Potenziale.

 

Um weiter für Reisende attraktiv zu bleiben, braucht es Investitionen. Bei Ihnen wird trotz des Erfolges nicht mehr investiert als anderswo in Ostdeutschland. Ruht man sich so ein bisschen auf dem Erfolg der letzten Jahre aus?

Ich würde das nicht so umschreiben. Es gibt schon auch neue Ansätze, ich möchte da nur Prora nennen, sicher allein schon wegen der Historie keine einfache Investition. Im Land sind in diesem Jahr 2500 neue Betten in der Hotellerie dazu gekommen. Komplette Neubauten stehen in den Startlöchern. Die Lindner-Gruppe hat ebenfalls den Grundstein für ein neues Resort gelegt. Also es passiert schon was. Aber fast wichtiger als Neubauten ist die Renovierung von Anlagen, die der Charme der 90er umweht. Modernisierung und Neupositionierung sind hier die Stichwörter. Vorzeigeprojekt ist hier etwa das Hotel Neptun in Warnemünde.

 

Einmal ganz allgemein zum Deutschlandtourismus: Warum ist dieses Segment in den letzten Jahren so erfolgreich, und wie sehen Sie die Entwicklung voraus?

Eine aktuelle Tomorrow Focus-Umfrage belegt, dass mehr als die Hälfte der Bundesbürger Deutschland als Reiseland attraktiv findet. Das ist bei der Dynamik, mit der sich Regionen wie wir, aber auch Schleswig-Holstein und viele Städte entwickelt haben, nur verständlich. Deutschland ist inzwischen ein modernes Reiseland mit sehr attraktivem Hotelangebot und interessanter Preisstruktur. Auch in der Einstellung, wie Urlaub hier sein sollte, hat sich viel getan. Dass das Gesamtpaket stimmt, zeigen auch die steigenden Übernachtungszahlen aus dem Ausland.

 

Profitiert man hier von der unruhigen politischen Wetterlage in anderen Erdteilen?

Ja. Aber es ist nicht so, dass jetzt alle, die eigentlich nach Ägypten oder Tunesien wollten, automatisch zu uns kommen. Bulgarien ist stark im Kommen. England mit Irland gibt Gas. Unser Nachbar Dänemark geht dieses Jahr von einem zweistelligen Wachstum aus. Und nicht zu vergessen Kanada und Kuba. Die touristische Welt sortiert sich zwischenzeitlich neu, und dies führt neben Mecklenburg-Vorpommern auch in vielen anderen Regionen zu verstärkter Nachfrage.

 

Abschlussfrage: Wenn Sie sich ein touristisches Projekt wünschen dürften, welches wäre das?

Den weiteren Ausbau der Radwege bei uns. Ich hätte gerne einen großen Topf, um Radwanderstraßen in Mecklenburg-Vorpommern zu etablieren.

 

Top-News

Robinson will mehr Clubs in Deutschland

Weil Urlaub im eigenen Land im Trend liegt, sucht die Clubmarke Robinson neben neuen Standorten in Italien und auf den Kanaren „vor allem nach weiteren Optionen in Deutschland“, sagte Geschäftsführer Ingo Burmester der Zeitung Welt am Sonntag. Als Reiseland habe die Bundesrepublik in den vergangenen Jahren „extrem an Ansehen gewonnen“. In anderen Ländern dagegen bricht der TUI-Eigenmarke wegen anhaltender politischer Krisen zunehmend das Geschäft weg. 2016 gehöre „definitiv zu den schwierigeren Jahren für die Reisebranche“, so der Club-Chef. Robinson will perspektivisch von heute 24 auf 40 Anlagen wachsen.

Flughafen Weeze: Fünf Millionen Euro für Carports

Der Niederrhein-Airport Weeze bietet künftig auf rund drei Hektar überdachten Parkraum an. Rund fünf Millionen Euro werden dazu in Carports investiert. Man werde 1300 Parkplätze überdachen, so Flughafen-Geschäftsführer Ludger van Bebber. Der Kreistag hat dem Vorhaben bereits vergangene Woche in nichtöffentlicher Sitzung mit deutlicher Mehrheit zugestimmt, wie die Rheinische Post berichtet. Das Geld für das Vorhaben besorgt sich der Flughafen über einen Kredit selbst. Mehr Geld verdienen will der Flughafen aber nicht nur mit dem neuen Parkplatzangebot, sondern auch mit den Solarmodulen auf den Carports. Installiert werde eine 3,9 Megawatt-Anlage. Auch eine Tankstelle für Elektrofahrzeuge ist geplant.

 

Städte & Regionen

Schleswig-Holstein: Schlafstrandkörbe werden aufgestellt

Bereits auf der diesjährigen ITB wurden sie von der Marketingleiterin der TASH, Andrea Bayer, präsentiert, nun kommen sie zum Einsatz: die „weltweit ersten Schlafstrandkörbe“ (Werbeslogan). Die ersten buchbaren Angebote für die 1,40 Meter breiten, speziell für Paare konzipierten Strandkörbe, stellt die Tourismus-Agentur Schleswig-Holstein übermorgen im Rahmen einer Pressekonferenz in Kiel vor. Der Stückpreis der Körbe liegt bei 5700 Euro. Gestaltet wurden die Übernachtungskörbe von der Hamburger Designagentur Feldmann und Schultchen in Kooperation mit der Stiftung Mensch.

40 Millionen Euro-Projekt: Grundstein für das Maremüritz Yachthafen Resort & SPA gelegt

Bis Herbst 2017 entstehen auf einem Grundstück zwischen Müritz und Feisnecksee 184 luxuriöse Ferienapartments mit einer Größe zwischen 55 und 169 Quadratmetern sowie ein eigener Hafen mit 150 Liegeplätzen, eigener Hafengastronomie und Wellness-Bereich. Eigentümer ist die Lindner Investment Management GmbH, die 2015 bereits das Hotel- und Sportresort Fleesensee an der Mecklenburgischen Seenplatte übernommen hatte. Das Investment für die Anlage liegt bei 40 Millionen Euro.

Berlin: Zehn Jahre Tourist-Info am Hauptbahnhof

Die Berliner Tourist-Info am Hauptbahnhof hat vergangenes Wochenende wie auch der Bahnhof selbst ihren 10. Geburtstag gefeiert. Mehr als fünf Millionen Gäste liefen seither die Beratungsstelle an – 46 Prozent von ihnen kamen aus dem Ausland. Seit 2006 sind die mehrsprachigen Mitarbeiter an sieben Tagen in der Woche von 8.00 bis 22.00 Uhr vor Ort, besonders gefragt sind Stadtpläne, Rundfahrten und das offizielle Touristenticket, die Berlin WelcomeCard. Die Tourist-Info ist zugleich eine Konzertkasse und somit auch für Berlinerinnen und Berliner eine zentrale Adresse.

 

Flug & Verkehr

TUIfly stockt Flugkapazitäten für die Herbstferien auf

TUIfly erweitert das Sitzangebot für die diesjährigen Herbstferien um 10.000 Sitze. 6000 zusätzliche Flugplätze starten in Richtung Griechenland. Je 2500 Plätze stärken das Angebot in Richtung Kanaren sowie nach Jerez de la Frontera, Ibiza, Palma de Mallorca und Menorca. Ab sofort sind die Zusatzkapazitäten von insgesamt zehn deutschen Abflughäfen buchbar. Die wichtigsten Abflughäfen sind Hannover, Frankfurt, Stuttgart, Düsseldorf und München.

Transavia etabliert sich als Münchens Low Cost Airline

Transavia hat in den vergangenen beiden Tagen gleich acht neue Flugverbindungen ab München gestartet – unter anderem nach Valencia, Bari, Palermo, Dubrovnik und Lissabon. Transavia komplettiert damit den Sommerflugbetrieb mit den vier in München stationierten Maschinen des Typs Boeing 737. Insgesamt stehen ab dem Drehkreuz im Süden jetzt 19 Destinationen auf dem Flugplan. „Wir sind gekommen, um zu bleiben“, sagt CEO Mattijs ten Brin dementsprechend selbstbewusst – und kündigt für den Winter weitere Verbindungen nach Fuerteventura, Las Palmas auf Gran Canaria, Teneriffa und Tel Aviv an.

 

Marketing

Ruhr Tourismus: Gemeinsame Presse-, Blogger- und Gästereise 

Zum zehnten Geburtstag des Ruhrtal-Radwegs hat Ruhr Tourismus ein Experiment gestartet und einen Journalisten der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ), zwei Blogger und sechs gewöhnliche Urlauber zu einer gemeinsamen Reise eingeladen. Hintergrund sei das nachlassende Interesse an klassischen Gruppenpressereisen. Ruhr Tourismus hatte für das Projekt über ein Facebook-Gewinnspiel Radfahrer gesucht, die eine besondere Geschichte mit dem Ruhrtal-Radweg verbindet und die deshalb bei der Tour von Winterberg nach Duisburg mitfahren wollten. Ziel war es, die Geschichten der Gewinner in die Geschichten der Schreiber zu bekommen. Nach der Reise zogen sowohl die Teilnehmer als auch der Verband ein positives Fazit. Weitere Pressereisen dieses Formats seien geplant.

Nächster Halt: Urlaub in Niedersachsen

Eine neu gestaltete S-Bahn zuckelt ab heute – und bis August 2017 – als Werbeträger für das  Reiseland Niedersachsen über 144 Gleiskilometer des Stadtgebiets von Hannover. Die Außenseite der Bahn zeigt großflächige Landschafts- und Städtebilder. Im Innern animiert das Tourismus Marketing Niedersachsen die Fahrgäste dann selbst aktiv zu werden – und unter dem Hashtag „#meinNiedersachsen“ über Reiseerlebnisse in Niedersachsen zu berichten. So werde aus einem Verkehrsmittel „eine emotionale Inspirationsquelle“, meint Niedersachsens Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Olaf Lies. Das Projekt knüpft an zahlreiche Werbe- und Bloggeraktionen aus dem Vorjahr an.