RAINER EGEN, GESCHÄFTSFÜHRER FERATEL MEDIA TECHNOLOGIES GMBH

Ein Gespräch über digitale Gästebetreuung auf Basis individueller Interessen, die neue Deskline-Online-Buchungsstrecke und die Herausforderung, menschliche Sprachabfragen so computerverständlich zu machen, damit Kanäle wie Alexa besser funktionieren.

 

Herr Egen, die Branche steht vor der Herausforderung, die Kommunikation in Richtung Gast immer besser zu individualisieren, um Zielgruppen differenzierter mit Angeboten bespielen zu können. Sie bieten mit feratel jetzt einen Personal Interests´ Assistant (PIA). Was verbirgt sich dahinter genau?

PIA ist ein digitaler Urlaubsbegleiter für die Gäste einer Destination vor, während und nach ihrem Aufenthalt sowie abgestimmt auf die individuellen Interessen. Während die DMO ihre Gäste im Laufe der Customer Journey bislang optimaler Weise zwar im Bereich der Inspiration und Buchung begleitet, verliert sie dann jedoch den Kontakt – und damit eine relevante Phase der Kundenbindung. Mit PIA kann die DMO den Gast nun auch bei der Planung seines Aufenthalts und beim Erlebnis vor Ort unterstützten, also etwa POIs, Touren, Events, Experiences, Webcams, Wetterinfos etc. direkt auf den Smartphones der Gäste ausspielen. Zeitraubende Suchen im Internet entfallen damit für den Gast.

 

Wie funktioniert PIA?

Bei PIA handelt es sich technisch betrachtet um eine Progressive Web App (PWA). Das bedeutet, dass die Gäste keinen Download aus dem App Store mehr benötigen und die PWA geräteunabhängig funktioniert vom Smartphone über das Tablet bis zum Desktop. Gäste öffnen einen automatisiert generierten Link, den sie mit der Buchungsbestätigung oder beim Pre-Check-in erhalten. Für die mobile Nutzung fügen sie diesen Link unkompliziert zum Homescreen des Smartphones hinzu und schon ist die Destination dort präsent. Updates gehören ebenfalls der Vergangenheit an, weil sich die PWA mit ihren Inhalten bei jedem Öffnen aktualisiert.

Wie hoch ist der Aufwand für den Vermieter?

Minimal. Gastgeber geben einfach den Namen des Gastes, das An- und Abreisedatum sowie die E-Mail-Adresse ein. Der Gast erhält dann einen automatisch generierten Link zu seinem persönlichen digitalen Urlaubsbegleiter und kann umgehend schmökern und planen.

 

Woher bekommt PIA die Daten, nur über das feratel-System Deskline?

Infos auf unserem Datenmanagementsystem Deskline sind ein möglicher Content-Kanal. Dank verschiedener Schnittstellen können POIs, Veranstaltungs- oder Infrastrukturinformationen aber auch von anderen Plattformen eingebunden werden, zum Beispiel Routen und Touren von Outdooractive.

 

Deskline verknüpft und verwaltet als Destinationsmanagementsystem touristische Leistungen von Unterkünften über Zusatzleistungen bis zu POIs und Veranstaltungen. Jetzt stehen einige Weiterentwicklungen an, welcher Art?

 Zur ITB wird die neue Deskline-Online-Buchungsstrecke (TOSC5) präsentiert. Diese basiert auf neuester Technologie und zeichnet sich durch modernes und anpassbares Design aus, welches einfach und direkt in bestehende Webseiten integriert werden kann. Um vorab nur ein paar Innovationen zu nennen: Im Bereich der SEO-Optimierung sind Inhalte durch schema.org-Annotierung ideal für Suchmaschinen aufbereitet. Der gesamte Content ist unter der Domain des Kunden erreichbar, was zu einem besseren Ranking der Haupt-Domain des Kunden führt. Die Integration in Kundenwebsites wird vereinfacht: One page application sorgt für schnellere Ladezeiten und bessere Usability, dazu kommen neue Widget-Lösungen für einzelne Elemente wie Warenkorb oder Buchungsformulare, welche frei auf Kundenwebsites platzierbar sind und einige weitere sehr nützliche Individualisierungsoptionen.

 

Für die Passionsfestspiele wird feratel die Zimmerreservierungen abwickeln. Was ist das Besondere an diesem neuen Auftrag?

Die Oberammergauer Passionsspiele finden nur alle zehn Jahre statt. Im Jahr 2010 nahmen 515.000 Menschen daran teil. Das berühmte Schauspiel stellt die Ammergauer Alpen aber nicht nur bei der weltweiten Vermarktung und der Dimension vor große Herausforderungen. Der Service-Anspruch der Gäste ist in den letzten zehn Jahren enorm gestiegen. 2010 gab es noch keine digitale Gäste-Betreuung vor Ort. Heute wird das aber erwartet. Wir freuen uns deshalb, dass die Ammergauer Alpen hier auf Deskline als Gesamtsystem setzen und auch unser Modul zum Gästemeldewesen mit dem elektronischen MeldeClient einsetzen.

 

feratel ist quasi ein Vollsortimenter für digitale Tourismusanwendungen. In welchem Bereich beobachten Sie derzeit besonders viel Bewegung – und warum?

Mit Sprachassistenten wie Amazon Alexa und Google Home hat Künstliche Intelligenz (KI) Einzug in die Haushalte gehalten. Automatisierte Kundenkommunikation ist also das Thema der Stunde. Es stellt allerdings besondere Herausforderungen an all jene, die auf diesen neuen Kanälen mit ihren Inhalten auffindbar sein wollen.

 

Wo genau liegt diese Herausforderung?

Sprache muss zunächst in einzelne Absichten und zugehörige Parameter zerlegt werden. Um Daten für menschliche Sprachabfragen und Dialoge verwenden zu können, muss man sie also erst einmal computerverständlich lesbar machen. Dafür werden derzeit sogenannte Wissensdatenbanken aufgebaut und mit Systemen wie Deskline oder feratel-Webcams verbunden. Wir haben im September 2018 gemeinsam mit der Forschungsgruppe STI der Universität Innsbruck und der Fa. Onlim das mit einem Budget von 1,2 Millionen Euro ausgestattete Projekt MindLab ins Leben gerufen. MindLab hat das Ziel, qualitativ hochwertige Daten, Methoden und Werkzeuge zur automatisierten Dialogführung über Chatbots und Sprachassistenten zur Verfügung zu stellen. Basis bildet eine als Graph modellierte systemoffene Wissensdatenbank. Es handelt sich dabei um eines der größten Forschungsprojekte in Österreich in Bezug auf KI.

 

Wie entwickelt sich das Segment der Gästekarten? Und wie digital wird hier wirklich schon gedacht?

Gästekartenlösungen sind nach wie vor ein relativ junges Geschäftsfeld. Wir beschäftigen uns seit zehn Jahren damit und konnten mit über 100 realisierten Projekten eine Erfolgsgeschichte daraus machen. Wir haben festgestellt, dass Gästekarten mit attraktiven Leistungen ein gewichtiger Grund sind, eine Destination als Urlaubziel zu wählen. Wenn der Gast vor Ort noch weitere Leistungen kaufen kann und diese dann einfach auf seine Gästekarte aufbuchen kann, wird die Gästekarte zum Vertriebsinstrument. Die Umsätze unserer Card-Kunden haben sich in den letzten Jahren sehr positiv entwickelt. Die Zukunft ist die Gästekarte auf dem Smartphone, einige Projekte in diesem Bereich habe wir bereits erfolgreich realisiert und wir sind davon überzeugt, dass dies in den nächsten Jahren stark zunehmen wird. Vorteil: Elektronische Gästekarten können beispielsweise auch in PIA eingebunden werden.

 

Nach wie vor ein Dauerbrenner sind Webcams in Destinationen: Gibt es hier eventuelle neue Trends oder Ideen?

Die Zugriffszahlen auf die rund 800 Kameras im feratel Netzwerk steigen weiterhin kontinuierlich. So konnten wir diesen Januar eine Steigerung bei den Page Impressions von 42 Prozent auf nunmehr 103,4 Millionen gegenüber Januar 2018 erzielen. Das hatte zwar auch mit den starken Schneefällen im Alpenraum zu tun, aber ein bewegtes Bild weckt Emotionen und spielt für die Gäste eine wichtige Rolle bei der Vorfreude auf eine Reise. Eine weitere Steigerung dieser Emotionen ist durch Drohnenvideos möglich, diese Überflüge ermöglichen eine neue Dimension. Hier stellen wir eine immer stärkere Nachfrage fest.