Oliver Puhe, Trendkurator und touristischer Innovationscoach

Ein Gespräch über die Zukunft der Mobilität im Tourismus, wie Tourismusorganisationen mit guten Daten zu intelligenten digitalen Verkehrskonzepten beitragen können, und warum es ein veraltetes Paradigma ist, einfach schnell von A nach B kommen zu wollen. 

 

Herr Puhe, auf dem Deutschen Tourismustag am 23. November geht es in Ihrem Vortrag um die Zukunft der Mobilität im Tourismus. Was ist mit Mobilität genau gemeint?

Im Vordergrund steht die Fortbewegung von Menschen. Und zwar nicht nur von A nach B. Das wäre ein altes Paradigma. Es geht darum, wie wir Reisende in Zukunft bewegen wollen – und zwar emotional wie physisch. Dabei trifft die Mobilität auf drei Megatrends unserer Zeit: Globalisierung, Nachhaltigkeit und Digitalisierung.

 

Was meinen Sie damit, wenn Sie sagen Menschen auch emotional bewegen zu wollen?

Wenn wir an Urlaub denken, sind wir sehr geprägt davon, einfach möglichst schnell von A nach B kommen zu wollen. Aber es gibt auch den alten und schönen Spruch „Der Weg ist das Ziel“. Und genau das gilt es in der Zukunft konsequent durchzudenken. Das ist gerade für den Tourismus ein spannender Ansatz. Denn wenn man den Weg nur funktional betrachtet, hat er kaum einen Wert. Aber die Zeit zwischen Abreise und Ankunft könnte man emotional so aufladen, dass sich andere Mobilitätskonzepte herausbilden können.

 

Weil das Elektroauto also nur 100 Kilometer Reichweite hat, sollen sich Reisende und Touristiker schon einmal Gedanken über schöne Zwischenstopps machen?

Genau. Aus jeder Route kann man viel mehr machen, als das heute in der Regel getan wird. Der Trend ging immer dahin, schneller von A nach B zu kommen. Das muss aufgebrochen werden. Nur so lassen sich neue Mobilitätskonzepte denken. Denn was in den letzten Jahrzehnten passiert ist, war kein gesellschaftlicher Fortschritt. Früher hatte eine Familie ein Auto, das gemeinsam genutzt wurde. Letztlich war das Carsharing. Heute hat jedes Familienmitglied ein Auto. Was das auf unseren Straßen für Folgen hat, erleben wir tagtäglich.

 

Was heißt das für Destinationen?

Destinationen sind in der Regel nicht die Vorreiter, wenn es um neue Formen der Mobilität geht. Aber sie sind direkt betroffen. Denn Gäste bringen ihre Gewohnheiten mit: Zum Beispiel spielt in China das Automobil längst keine so große Rolle mehr wie bei uns. Da steht die Förderung von Elektromobilität auch politisch schon an erster Stelle. Oder in den USA setzen sich digitale Verkehrs-Konzepte auf Basis von Apps wie Uber immer mehr durch.

 

Und bei uns?

Auch in Deutschland sinkt die Akzeptanz von Autos, gerade mit Verbrennungsmotoren, bei jüngeren Leuten und Städtern immer mehr. Weil es einfach keinen Gewinn an Lebensqualität bedeutet. Und wenn immer mehr Menschen sich kein eigenes Auto mehr kaufen, dann müssen sich die Regionen um eine andere Form der Anbindung Gedanken machen. Das Konzept, dass jeder mit dem eigenen Auto herumreist, ist genau genommen schon heute überholt. Und dieser Trend wird sich massiv beschleunigen.

 

Dann steht der Deutschlandtourismus vor besonderen Herausforderungen. Auf die Kanaren wird man immer fliegen, aber innerhalb des eigenen Landes fahren die meisten selbst.

Das Auto wird nicht gleich verschwinden. Selbst den Verbrennungsmotor wird es wahrscheinlich noch in 100 Jahren in irgendeiner Form geben. Aber das Auto wird eine ganz andere Bedeutung im persönlichen Mobilitätsmix haben. Es geht künftig um intermodale Mobilität. Man wird also mehr und verschiedene Fortbewegungsformen nutzen, um ans Ziel zu kommen. Der Heilige Gral ist dabei, das zeichnet sich schon ab, die letzte Meile. Denn dafür muss man vom heutigen Inseldenken völlig wegkommen. Um die Mobilität der Zukunft zu gewährleisten, ist tiefgreifende Kooperation nötig.

 

Wie könnte die aussehen?

Diese Art zu denken ist schon da und wird selbst von Konzernen wie Daimler oder der Deutschen Bahn als Geschäftsmodell gesehen. Zum Beispiel über ihre Mobilitäts-Apps „moovel“ oder „quixxit“. Sie kombinieren schon heute den Öffentlichen Personennahverkehr mit dem Carsharing-Anbieter car2go, mit mytaxi, mit Mietfahrrädern und der Deutschen Bahn. Man sieht hier ganz klar, dass sich das Auto einreiht in eine Reiskette.

 

Machen sich die Regionen in Deutschland auch selbst schon Gedanken zu dem Thema?

So konsequente Konzepte wie zum Beispiel das des Tourismusverbandes Werfenweng in Österreich gibt es hier noch nicht. Dort geben die Gäste ihren Autoschlüssel für den gesamten Aufenthalt ab oder reisen direkt mit der Bahn an und bekommen dafür ein lokales Mobilitätsabo, mit dem sie einen Fuhrpark von über 100 umweltfreundlichen Fahrzeugen kostenlos nutzen können, darunter Elektro-Autos, zahlreiche Fun-Fahrzeuge wie Elektroscooter aber auch Tandems, Segways und Kinderfahrzeuge. In Deutschland bemüht man sich aber auch: Zu nennen wäre die KonusCard im Schwarzwald. Das Interessante hieran: Diese Mobilitätskarte ist eine touristische Idee, sichert aber genauso die Mobilität der Einheimischen vor Ort ab. Das ist sehr konstruktiv. Problem ist aber auch hier: Das Produkt hat Grenzen, da das Zuhause des Gastes meist außerhalb dieses Geltungsbereichs liegt.

 

Wie kann man zu Lösungen kommen?

Die Bereitschaft aller Handelnden zur Kooperation vorausgesetzt, müssen wir zuerst mehr über die Reiseströme wissen. Wir brauchen also valide Daten, aus denen sich Mobilitätskonzepte ableiten lassen. Hier kann die Tourismusbranche sicherlich ihren Beitrag leisten. Die Zukunft der Mobilität ist datengetrieben und nicht benzinbetrieben.

 

Geben Sie uns bitte noch einen Ausblick auf Ihren Vortrag auf dem Deutschen Tourismustag am 23. November in Mannheim?

Ich werde verschiedene Beispiele vorstellen, was es bereits für Ansätze im Bereich der Mobilität gibt und zeigen, dass der Urlaub nicht mehr erst mit dem Losrollen in der heimischen Einfahrt beginnt. Über allem wird die Frage stehen, wie wir in Zukunft reisen wollen, wie dabei Nachhaltigkeit entstehen kann und wie Kooperationen trotz der vielschichtigen Eigenaufträge in den DMOs zustande kommen können. Und ich denke: Hier öffnet sich gerade ein echtes Möglichkeitsfenster, welches uns allerdings nicht lange offen stehen wird.