JENS HUWALD, GESCHÄFTSFÜHRENDER GESELLSCHAFTER WILDE & PARTNER COMMUNICATIONS GMBH

Ein Gespräch über die Herausforderungen moderner, individueller Destinations- und PR-Arbeit, die Neuausrichtung von Wilde & Parter als Agentur und die Bedeutung von B2B-Kommunikation, um sich als DMO bei Stakeholdern und Leistungsträgern Luft zum Arbeiten zu verschaffen.

 

Herr Huwald, vor einem Jahr haben Sie mit Wilde & Partner eine der größten PR-Agenturen Deutschlands übernommen. Vorher waren Sie Geschäftsführer der by.TM. Wie war der Übergang?

Erstaunlich einfach. Wahrscheinlich, weil ich das alles zum einen ein halbes Jahr lang gut planen konnte. Und weil ich bei Wilde & Partner (WP) vom ganzen Team mit offenen Armen empfangen worden bin. Nach zwölf Jahren bei der by.TM war es einfach Zeit, noch einmal weiterzugehen. Bei WP schließt sich für mich der Kreis dessen, was ich bislang schon gemacht habe, zu einem neuen Ganzen: meine frühere journalistische Tätigkeit, meine Zeit bei zwei PR-Agenturen und die Führung der by.TM. Zusammen mit dem über die Jahre aufgebauten Netzwerk fügt sich alles nun logisch, aber neu zusammen.

 

Dass Sie damals als Geschäftsführer der by.TM den Vertrag mit Wilde & Partner als PR-Agentur einmal gekündigt haben, darf man dann rückblickend heute als schöne Anekdote betrachten?

Genau. (lacht)

 

Nicht lange nach Ihrem Antritt haben Sie eine Neuausrichtung der Agentur verkündet. Warum?

Vom Grundsatz her haben für mich dabei mehrere Aspekte eine Rolle gespielt. Erstens wollte ich im neuen „Haus“ gleich meine eigenen Ideen und eine neue Philosophie sichtbar machen. Und dann hat sich das ganze Thema Kommunikation in den vergangenen Jahren noch einmal ziemlich stark verändert. WP war als Marktführer immer dafür bekannt, eine grundsolide und gute touristische PR-Arbeit zu machen, inklusive Krisenkommunikation und natürlich eine fundierte Beratung. Aber heute wird viel stärker als damals auch auf KPIs geschaut und eine insgesamt noch nachhaltigere Kommunikation erwartet. Und die Anforderungen an Storytelling und Social Media bringen noch einmal zusätzliche Aspekte mit hinein.

 

Welche sind das aus Sicht einer PR-Agentur?

Die Verantwortlichen einer Destination oder eines Unternehmens müssen heute entscheiden, wen sie mit welchem Thema erreichen möchten. Die Wertschöpfung ist also viel stärker als früher an Zielgruppen gebunden. Die Mittel, die für Kommunikation eingesetzt werden können, sind aber begrenzt. Wir gehen daher heute als Agentur noch viel stärker als früher in die strategische Beratung und begleiten unsere Kunden auf dem Weg ihrer Unternehmens- bzw. ihrer Destinationsentwicklung. Um dieser Idee gerecht zu werden, mussten wir intern zusätzliches Know-how aufbauen und haben unsere Teamstruktur entsprechend verändern. Eigene Teams für die Bereiche Destination, Aviation, Hotel und Travel-Tech zu haben, bildete das nicht mehr richtig ab. Jetzt haben wir Units für allgemein gültige Kommunikationsdisziplinen: Corporate Communications, Consumer Communications, Brand Communications, Corporate Branding sowie Luxus & Lifestyle Communications. Und mir war auch sehr wichtig: Alle Teams sitzen bald wieder zusammen in einem neuen Büro. So können wir Synergien viel besser nutzen, unsere Netzwerke schließen und zudem die Bereiche Food & Beverage und Luxury weiterentwickeln. Wir wollen also auch stärker in andere Bereiche hineinwachsen – auch wenn Tourismus definitiv unsere Stammbrache bleiben wird.

 

Und gehen die Kunden Ihre thematische Neuausrichtung mit, oder wollen sie lieber wie gehabt einfach nur Pressemitteilungen bekommen und Ihre Verteilerleistung nutzen?

Nicht alle greifen natürlich sofort auf das erweiterte Portfolio zurück. Aber prinzipiell wird das sehr positiv angenommen. Auch, dass wir mittlerweile für Kunden ihre PR- und teils auch Werbeetats verwalten dürfen, zeigt, dass wir inzwischen viel breiter aufgestellt sind. Und für die Hessische Hausstiftung (Prinz von Hessen) haben wir sogar erstmals eine komplette Dachmarke entwickeln und umsetzen dürfen. So etwas hätte Wilde & Partner früher nicht gemacht. Aber das gehört natürlich zu einem Change-Prozess: sich neue Geschäftsfelder bzw. Aufgabengebiete zu erschließen.

 

Mit Blick auf die PR-Arbeit in Deutschland: Warum spielt B2B-Kommunikation hier eine so kleine Rolle?

Das würde ich so gar nicht sagen. Zwar sind die B2C-Etats deutlich größer, aber die Kommunikation nach innen und in Richtung der eigenen Stakeholder gewinnt immer mehr an Bedeutung. Schon aus meiner Zeit bei der by.TM weiß ich, dass erfolgreiche Destinationsarbeit immer auch heißt, alle Akteure und Leistungsträger mitzunehmen. Manche Pressestellen machen sogar fast mehr Innen- als Außenkommunikation. Der Druck und die Notwendigkeit, seine Arbeit auf der politischen Ebene und bei Investoren zu rechtfertigen, ist deutlich gestiegen, wenn man möglichst frei in einer DMO / LMO arbeiten möchte. Wir bei Wilde & Partner machen daher sehr viel B2B-Kommunikation. Das geht bis in den Bereich Human Resources hinein, wo wir auf entsprechenden Plattformen Inhalte platzieren.

 

Mit Blick auf Ihr internationales Kundenportfolio: Was unterscheidet die PR-Arbeit für deutsche Regionen von ausländischen?

Vom Grundsatz her haben alle erst einmal die gleichen Herausforderungen: Der Verdrängungswettbewerb wird größer, die Möglichkeit zu reisen steigt für sehr viele Menschen und die Kurzfristigkeit von Entscheidungen auf Kundenseite nimmt zu. Das bedeutet, dass alle agiler werden müssen. Und damit wir als Agentur! Deutschland im Besonderen profitiert nun von einem mittlerweile langfristig positiven Trend. Auch die politische Stabilität lässt alle Akteure hier ruhiger arbeiten als in anderen Erdteilen. Dies wiederum bringt mit sich, dass bei uns ganzheitlichere Konzepte gefordert werden. Der Anspruch an Nachhaltigkeit ist in allen Bereichen höher. Kommunikation muss in Deutschland also nicht nur potentielle Urlauber erreichen, sondern auch die Menschen vor Ort und die beteiligten Akteure erreichen und im Idealfall richtig abholen. Das ist schon sehr anspruchsvoll und braucht viel strategische Konzeption.

 

Wie individuell muss Pressearbeit heute sein?

Wir machen nach wie vor für unsere Kunden noch sehr klassische Pressearbeit. Aber man kann kein Konzept, das bislang funktioniert, dauerhaft kopieren und immer wieder so umsetzen. Jeder Kunde, der uns mit den Kommunikationsaktivitäten beauftragt ist anders, hat seinen Markenkern, eigene USPs, daraus resultierende Themen und Zielgruppen. Und deren Mediennutzungsverhalten muss man sich heute genauer denn je anschauen – und darauf aufbauend eine ambitionierte und anspruchsvolle Kommunikationsstrategie entwickeln. PR-Arbeit ist also heute viel individueller als früher.

 

Aufgrund Ihrer Historie: Sehen wir bald weitere Kunden aus Deutschland bei Wilde & Partner?

Ich bin ein großer Freund des Deutschlandtourismus‘. Es gibt aber keine Akquisewelle meinerseits, die hier einen künftigen Agenturschwerpunkt legen würde. Wir arbeiten sowohl mit nationalen wie mit internationalen Destinations-Kunden zusammen. Und sind natürlich zudem in vielen weiteren Geschäftsfeldern aktiv. Wenn aber jemand gerne mit uns sprechen möchte, weil er meint, dass meine und unsere Expertise seine Region weiterbringen könnte, freuen wir uns auf den Austausch.