Benjamin Buhl, Geschäftsführer netzvitamine GmbH

Ein Rückblick auf das diesjährige DestinationCamp und das Aktzeptieren globaler Herausforderungen, ein Blick auf die Ergebnisse der gerade erschienenen WERKSCHAU, und ein Ausblick auf das 10. Jubiläum des #DCHH im kommenden Jahr.

Das diesjährige DestinationCamp begann mit einer für die Branche recht unterhaltsamen Keynote von Josef Bertl, der der Branche pointenreich den Spiegel vorhielt. Warum dieser Kick-off?

Wir haben uns in diesem Jahr zum Auftakt ganz bewusst von einer typisch klassischen Keynote gelöst. Ein Auslöser dafür war das Fazit des Vorjahres: Gelassenheit. Warum nicht mal gelassen in das neue DestinationCamp starten? Wir wollten von Anfang an eine Lockerheit reinbringen, die aber trotzdem Impulse gibt. Und Josef Bertl war dafür mit seiner speziellen Art unser absoluter Wunschkandidat. Er polarisiert, durchbricht Muster, hält einem den Spiegel vor und bringt auch ernste Dinge sehr humorig auf den Punkt. Das Thema Gelassenheit hat er kurz und knapp auf die Formel „Kopf hoch statt Beine hoch“ zusammengefasst. Eine andere sehr treffende Aussage von ihm war: „Wenn die Zeiten heute schneller sind als gestern, dann sind sie morgen schneller als heute. Oder anders gesagt: So gemütlich wie heute wird’s nie wieder.“ So ein Einstieg hat allen diesmal gutgetan.

 

Am Ende zog das Camp nach 18 Sessions und sechs Szenario-Werkstätten das Fazit: „Challenge accepted“. Welche Herausforderungen nimmt die Branche denn gerade an?

Nach wie vor sind die großen Themen wie Digitalisierung, Nachhaltigkeit und die Rolle der DMO übergeordnet. Aber in allen Bereichen findet nun eine Zuspitzung statt. Digitalisierung heißt nun konkret auch Open Data und das Beantworten ethischer Aspekte. Zum Thema Nachhaltigkeit kommt das ganze Thema Mobilität. Und die Change-Prozesse in den touristischen Organisationen werden vielschichtiger – bis hin zu der Aufgabe, dass DMO plötzlich an der Gestaltung neuer Lebensraumkonzepte mitwirken und damit den bisherigen Fokus auf reine Gäste auch ein bisschen hin zum Einheimischen verschieben. Das Fazit „Challenge accepted“ ist übrigens erstmals in der Geschichte des #DCHH bewusst ein englisches. Das soll den internationalen Kontext verdeutlichen, in dem diese Prozesse stattfinden. Das ist durchaus ein Perspektivwechsel, weil es bei allen Themen darum geht, sich zu fragen, was man selbst aktiv beitragen kann – ohne immer erst auf die anderen zu warten und von allen anderen zu fordern. Wir reden also darüber, globale Herausforderungen gemeinsam anzugehen und sich selbst aktiv einzubringen.

 

Zwischen Anfang und Ende wurde auf dem 9. DestinationCamp sehr praxisorientiert gearbeitet. Welche Ergebnisse und Ideen werden in der neuen WERKSCHAU aufgegriffen?

Die WERKSCHAU fasst alle wichtigen, und wieder vielschichtig diskutierten Themen, der Sessions lösungsorientiert und impulsgebend zusammen. Von konkreten Beispielen und Praxisansätzen für das vieltheoretisierte Thema Open Data über die Rolle der einzelnen touristischen Player bei der Gestaltung des Gemeinwohls vor Ort bis hin zur Idee einer Super-App, die Banking-, Mobilitäts-, Informations- und Erlebnisbuchungsplattform in einem ist, blicken wir zurück auf die Tage in Hamburg. Aber auch ganz alltägliches, wie das – sich befruchtende – Zusammenspiel von Online und Print im Marketing, hat in der WERKSCHAU seinen Platz. Und wie auch in den Vorjahren zeichnet sich die WERKSCHAU, die ab sofort auch für alle, die nicht dabei waren, unter destinationcamp.com/werkschau bestellt werden kann, durch Checklisten, Good-Practice-Beispiele und ihren sehr nutzwertigen Charakter mit vielen Tipps und Lösungsvorschlägen aus.

 

Um an Lösungen zu kommen, definiert ihr vorab immer bereits die Themen und benennt Moderatorenteams. Wie genau läuft das?

Im Vorfeld gibt es eine Online-Themenumfrage, an der auch rege teilgenommen wird. Dort kann jeder, ob Teilnehmer oder nicht, erst einmal Input hineingeben. Anschließend geht alles an die Hochschule Eberswalde, wo ein Studententeam um Professorin Claudia Brözel eine Auswertung der Einreichungen vornimmt – und diese sinnvoll clustert. Die Zusammenstellung der Themenblöcke und der letztlichen Reihenfolge der Sessions basiert also auf einer wissenschaftlichen Auswertung. Das ist wichtig, weil Trendthemen auch teilweise eng mit Themen zusammenhängen können, die uns als Branche schon länger beschäftigen. Wenn das gut gelingt, bauen die Sessions aufeinander auf.

Erst, wenn die Themen feststehen, gehen wir daran, die Moderatorenteams zusammenzustellen. Die Moderatoren müssen übrigens nicht die absoluten Experten im jeweiligen Thema sein. Vielmehr müssen sie – natürlich mit einer gewissen Vorkenntnis – in der Lage sein, empathisch und zusammen mit der Gruppe gute Ergebnisse zu erarbeiten. Rund die Hälfte unserer Moderatoren kommt immer wieder, das sind echte Allrounder. Aber wir holen auch immer wieder neue dazu. So entstehen immer wieder sehr gute Kombinationen, also Moderatorenteams, die auch immer wieder neue Ergebnisse erarbeiten und neue Erkenntnisse aus den Teilnehmern locken.

 

Wie bewertest du das Niveau, auf dem Themen bei euch diskutiert werden? Bei Nachhaltigkeit können sicher mehr Teilnehmer mitreden als bei Open Data, oder?

Das Diskussions-Niveau ist in der Tat abhängig vom Thema. Aber die Ergebnisse der WERKSCHAU zeigen, dass immer wieder auch die Sessions viele gute Ergebnisse bringen, in denen ein Teil der Teilnehmer auch einfach nur zuhört, also nur eine sehr kleine Gruppe sehr intensiv spricht. Das #DCHH erfüllt damit mehrere Ebenen: Man kann einerseits erst einmal auch nur zuhören und wie auf einer Fortbildung Neues lernen. Und in anderen Sessions beteiligt man sich dann wieder sehr aktiv. Diese Mischung kommt auch dadurch zustande, weil jedes Jahr rund 60 Prozent derer, die kommen, Erstteilnehmer sind. Dabei sind rund 80 Prozent der Firmen und Organisationen immer wieder dabei – aber sie schicken eben immer wieder neue Leute. Das zeigt sehr schön, wie das DestinationCamp auch bei denen, die mal nicht dabei sind, Impulse setzt, indem sie andere schicken und so wollen, dass sie diese Impulse auch mitnehmen. Impulse, die weit über die Veranstaltung hinauswirken.

 

Ihr feiert nächstes Jahr das 10. Jubiläum des #DCHH. Wie hat sich die Kreativ- und Zukunftswerkstatt – und damit die Branche – seit der ersten Ausgabe entwickelt?

Gestartet sind wir in der Wahrnehmung als ein weiteres Barcamp. Auch, warum das #DCHH Geld kosten sollte, erschloss sich vielen anfangs nicht. Rückblickend kann man sagen, dass unser Format trotz anfänglicher Kritik, etwa an den vorher schon gesetzten Themen, ein großer Erfolg geworden ist. Inzwischen könnten wir das Event zweimal füllen. Es gab sogar einen Fall, dass jemand gedroht hat, zu kündigen, wenn er nicht aufs DestinationCamp kommen darf. Er hat dann tatsächlich gekündigt.

Was sich ebenfalls toll entwickelt hat, ist, dass sich hier inzwischen so viele verschiedene Menschen auf Augenhöhe begegnen. Hier entsteht Verbindlichkeit. Und auch immer mehr Hoteliers, Leistungsträger und politische Akteure sind dabei.

 

Was erwartet die Teilnehmer konkret bei der 10. Ausgabe?

Inhaltlich wollen wir einen Rückblick auf die letzten zehn Jahre wagen. Welche dicken Bretter wurden seit 2011 gebohrt? Welche Projekte wurden zum Erfolg? Was ist gefloppt – und warum? Thematisch greifen wir dadurch etwas stärker in die Vorstruktur ein als sonst. Aber die Online-Themenumfrage wird es vorab für die anderen Themenstränge wieder geben. Neu ist auch ein FLEX-Ticket, bei dem Firmen selbst einen Tag vor der Veranstaltung noch den Namen eines Teilnehmers wechseln können. Was das Rahmenprogramm angeht, sind wir dieses Mal noch früher dran, um nach passenden Locations zu suchen. Da wird es sicher genug Zeit und den passenden Rahmen zum Feiern geben.