André Krüger, Freelance Digital Creative

Ein Gespräch über Sinn und Unsinn von Influencer Marketing, die Balance zwischen Reichweite und Authentizität bei der Wahl des richtigen Influencers für eine Kampagne, und warum es sich für Regionen lohnt, bei touristischen Werbemaßnahmen um die Ecke zu denken.

 

 

Herr Krüger, Sie haben in der W&V die These aufgestellt, das Influencer-Marketing sei kaputt. Was meinen Sie damit?

Es handelt sich natürlich um eine absichtlich zugespitzte These. Ich habe damals auf unlautere Manipulation seitens einiger Influencer mittels Bots aufmerksam gemacht. Aber vor allem müssen wir heute über Konzeption von Kommunikationsmaßnahmen sprechen. Dass es mittlerweile zu einem Genre geworden ist, Influencer – auch oft übermäßig – zu kritisieren, hängt maßgeblich damit zusammen, dass wir auf Instagram werbliche Fotos von Waschmittelverpackungen in absurdesten Situationen wiederfinden, zum Beispiel beim Frühstück im Bett. Diese durchaus berechtigte Kritik sollten sich vor allem die beteiligten Unternehmen und Agentur zu Herzen nehmen, da sie die maßgebliche Verantwortung tragen. Über diesen und andere Aspekte werde ich auf dem Deutschen Städte- und Kulturform in Bayreuth sprechen.

 

Sie selbst sind auch Influencer. Wo kommen eigentlich plötzlich die ganzen Influencer her?

Influencer gab es schon immer. Früher waren es Testimonials. Heute betreiben viele Prominente aus Sport, Musik und Schauspiel ihre Social-Media-Kanäle in Eigenregie und monetarisieren diese, in dem sie mit Unternehmen zusammenarbeiten. Aber Netzwerke wie YouTube und Instagram, aber auch Netzwerke für jüngere Zielgruppen wie Snapchat und musical.ly haben ihre ganz eigenen Stars mit ganz eigenen inhaltlichen Formaten hervorgebracht.

 

Nicht nur Influencer schießen wie Pilze aus dem Boden, auch deren Reichweite. Welche Rolle spielen Fake-Accounts und Bots?

Bots sind tatsächlich ein Problem. Mittlerweile hat zum Beispiel Instagram jedoch Schritte unternommen, um Bots, die automatisiert folgen, kommentieren und liken Einhalt zu gebieten. Außerdem gibt es Tools wie InfluencerDB, mit deren Hilfe man die Qualität einzelner Influencer auf Instagram tiefer analysieren kann. Aber trotz aller technischer Unterstützung braucht es Kenntnis, wenn man mit Influencern zusammenarbeiten möchte.

 

Und wie sollte diese Zusammenarbeit dann aussehen, damit sie Früchte trägt?

Im besten Falle ist die Zusammenarbeit nachhaltig angelegt. Wer als Auftraggeber zu sehr von Events und punktuellen Kooperationen gehetzt wird, hat es schwerer. Am Anfang steht immer die Strategie und das Konzept. Dabei sollte Influencer Marketing ein integraler Bestandteil der gesamten Kommunikationsstrategie sein. Wichtig im Detail ist schließlich auch die Frage, wie man den von den Influencern geschaffenen Content auch für eigene Kanäle und/oder Advertising nutzbar machen kann.

 

Firmen und Regionen geben inzwischen so viel Geld für Influencer aus, dass sich auch immer mehr Agenturen mit Marktplätzen dazwischenschalten. Wie beurteilen Sie das?

Wir unterscheiden mittlerweile zwischen Influencer Advertising und Influencer Relations. Gerade wenn man kampagneorientiert arbeiten möchte, können Plattformen, die Unternehmen und Influencer zusammenbringen, helfen. Sie bieten Unterstützung bei der Auswahl von Influencern, Abwicklung, Briefing, Qualitätsmanagement und Payment. Allerdings kann man sich oft nur aus ein Pool von Influencern bedienen, die sich auch aktiv bei der jeweiligen Plattform angemeldet haben – was die Wahrscheinlichkeit, den passenden Influencer zu finden, enorm einschränkt. Wenn man hingegen einen relationsorientierten Ansatz pflegt ist es besser, direkt den Kontakt zum Influencer zu suchen. Im direkten Austausch kommt man meist zu besseren, gemeinsam entwickelten Kreativideen, während Plattormen eher zu Konzepten von der Stange neigen.

 

Sie kritisieren bei professionellen Influencern die steigende Beliebigkeit. Also letztlich deren schlechte Arbeit?

Ich finde es legitim, wenn jemand als Content Creator seinen Lebensunterhalt bestreitet. Nur bestreite ich wiederum, dass es sich hier immer auch um Influencer handelt. Ist jemand, der heute für Produkt X und morgen für Produkt Y wirbt, wirklich noch ein glaubwürdiger Absender, der eine so hohe Autorität bei seinen Followern genießt, dass sich diese freiwillig an ihm orientieren? Ich bezweifle das. Insbesondere wenn man berücksichtigt, dass hauptberufliche Influencer oft auch Jobs annehmen müssen, die nicht hundertprozentig zu ihnen passen. Viele Influencer sind kreative Fotografen, haben aber eben oft auch nur wenig Einfluss auf die jeweilige Kampagne.

 

Sind Micro-Influencer also authentischer und vielleicht sogar die bessere Wahl?

Micro-Influencer haben oft höhere Interaktionsraten, weil sie enger mit ihren Followern verbunden sind. Dies allein macht sie aber noch nicht authentischer. Superauthentische Influencer, die so micro sind, dass sie kaum jemanden erreichen, sind daher nicht die Lösung. Man muss hier die Balance zwischen Reichweite und Authentizität suchen.

 

Wann und für welche Themen macht es für Städte und touristische Regionen Sinn, mit Influencern zu arbeiten?

Es gibt Studien, die besagen, dass Instagram ganz maßgeblich auf Reise-Entscheidungen einwirkt. Städte und touristische Regionen sind daher natürlich ein dankbarer Absender für Influencer Marketing. Sobald es etwas zu fotografieren gibt, werden auch Fotos gemacht. Naheliegend ist oft die Zusammenarbeit mit dezidierten Reise-Instagrammern, -Bloggern und YouTubern. Aber es lohnt sich auch, um die Ecke zu denken und etwas abseits der ausgetretenen Pfade nach passenden Kooperationen zu suchen. Man muss von den Attraktionen der jeweiligen Destination ausgehen. Befindet sich zum Beispiel in der Stadt ein bekanntes Design-Museum, sollte man bei der Auswahl der Influencer auch an Design-, Interior, und Kunst-Blogger denken.